«Bäume»

Ein herzergreifendes Schauspiel bot sich über die Pfingsttage in Olten de Janeiro, wo das Zuckerrohr blüht: In der neugeschaffenen Innenstadt-Fussgängerzone - die schattenlos und brütend heiss in der Sonne lag, weil die Stadtplanung bei derGestaltung ganz bewusst auf das Pflanzen von Bäumen verzichtet hat - in der Fussgängerzone also schoben hoch angesehene Bürger insgesamt zehn lebende Ahornbäume mit Handrollis über den nackten, flimmernden Bitumen. Sie stellten die je fünf Meter hohen Bäume mal hier hin und mal da hin, freuten sich an ihrem Anblick und stellten sich vor, wie schön das wäre, wenn auch in Olten ein paar Bäume gepflanzt würden.

Die Obrigkeit wollte das Happening erst gar nicht zulassen und willigte nur murrend ein unter der Bedingung, dass die mobilen Bäume keine Begehrlichkeiten wecken. Denn in Olten pflanzt man keine Bäume, und zwar ganz bewusst nicht. Wir haben hier einen hauptamtlichen Stadtplaner, der jeden Morgen ausZürich angereist kommt und nach Feierabend auch wieder dorthin zurückfährt. Während der Zeit, die er in Olten verbringt, vertritt er ganz bewusst sehrurbane Konzepte. Bäume ge-hören nicht dazu. Er ist für klare architektonische Linien, städtebauliche Fluchten und so weiter. Bäume stehen den Fluchten nur im Weg rum.

Wenn er zum Ostereier-Verstecken einen Baum brauche, gehe er in den Wald, soll unser Stadtplaner gesagt haben. Das ist ein guter Tipp, wir sollten auf den Mann hören. Wer dieser Tage ein bisschen Schatten möchte, kann ja auch in den Wald gehen, und zwar ganz bewusst. Wem die Luft zu schlecht ist, kann auch in den Wald gehen. Wer einfach ein bisschen Grün möchte, auch.

Wer nicht in den Wald gehen will, kann auch ganz bewusst nach Paris fahren. Oder nach London. Oder Berlin. Dort stehen die Boulevards und Avenuen und Chausseen voller Bäume. Furchtbare Provinzkäffer sind das, die ihre städtebaulichen Fluchten mit grünen Bäumen versauen.

Die bräuchten mal einen ordentlichen Stadtplaner. Wir hätten hier in Olten einen, den könnten wir ausleihen. Alex Capus

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