Ausnahmezustand
Vor einigen Tagen wachte ich am Morgen auf und musste husten. Meine Freundin schaute mich misstrauisch an. «Keine Sorge! Ich bin nicht krank», beschwichtigte ich sie, «kommt vom Rauchen.»
Vor einem Monat hätte ich noch das Umgekehrte gesagt, um ihren vorwurfsvollen Blick zu kontern. Jetzt aber ist alles anders. Es herrscht Ausnahmezustand, das spürt man überall. An Meetings, bei denen niemand recht weiss, wie grüssen, beim Einkaufen, wo die Wagen etwas voller und in den Zügen, wo die Wagen etwas leerer sind als sonst. Corona ist überall, beherrscht Gespräche, Medien (ich kann ja auch nicht anders) und sogar das garstige Wetter fühlt sich so an, als würde es irgendwie mit der Sache zusammenhängen.
Auch im Coq: Am Eingang nehmen wir die Personalien der Gäste auf, weisen auf gründliches Händewaschen hin. Immerhin dürfen wir noch geöffnet haben, im Stadttheater, im Terminus und Kofmehl bleiben die Lichter aus. Wie lange noch? Wie lange bleiben die grossen Säle geschlossen, wie lange dürfen wir weitermachen? Jeder geschlossene Abend, jeder abgesagte Event kostet. Bands fragen nach Ersatz-Shows, weil sie nicht runter nach Italien können. Einem befreundeten Techniker, der gerade in neues Equipment investiert hat, fehlt auf unabsehbare Zeit das Einkommen. Natürlich will niemand Menschen unnötig gefährden, doch gerade in der Kulturbranche sind die Polster dünn und ihre Lobby im Bundeshaus ist vergleichsweise schwach.
Nein, für ein Grossteil von uns ist das Virus keine grosse Gefahr. Ausnahmezustand herrscht trotzdem. Ein Husten wird besorgniserregender, ein Konzert-Abend wertvoller. Letzterer für die Studentin hinter der Bar noch mehr als fürs Publikum.