Am WEF
Nachdenklich rührt die Mittlere in ihrem Cappuccino. «Eine total surreale Veranstaltung, gell?», sagt sie.
Es ist Dienstag, später Nachmittag in Davos, Eröffnungstag des World Economic Forum. Die Mittlere und ich haben uns in der Davoser Bibliothek getroffen. Diese funktioniert während des WEF als Medienzentrum. Thomson Reuters ist eingemietet, im Dachgeschoss hat Radio SRF ein temporäres Studio. Hier ist eine Woche lang mein Arbeitsplatz. Ich interviewe Wissenschaftlerinnen, besuche Panels, höre mir Vorträge an.
Jetzt nehme ich einen Schluck Kaffee und nicke: «Es ist ziemlich surreal.» Schwere Limousinen verstopfen die Strassen, Sicherheitskräfte überall. Auf dem Dach vor dem schwerbewachten Kongresszentrum sind Trumps Scharfschützen postiert. Man wundert sich auch über die millionenteuren Pavillons, die Facebook, Zurich und zahllose andere Unternehmen an der Promenade hochgezogen haben. «Wie nachhaltig die wohl sind?», sage ich zu meiner Tochter.
Sie ist aus anderen Motiven als ich nach Davos gekommen: Am frühen Morgen hat sie sich in Klosters den Klimawanderern angeschlossen. Friedlich sei’s gewesen, trotz der Polizei überall. Die Mittlere erzählt von zwei Seniorinnen aus England, die sie unterwegs getroffen habe: «Die gehen überall an diese Klimamärsche und lassen sich auch verhaften, aus Solidarität zu den Jungen. Weil ein Eintrag ins Strafregister für die Älteren weniger schlimm sei.»
Ein Blick aufs Handy - die Mittlere muss los. Der Pulk der Klimawanderer ist in Davos angekommen. Am Ende dieser bewegten Woche nehme ich trotz aller Widersprüche diese Zuversicht nach Hause: Der Klimawandel und die Erkenntnis, dass nun Handeln angesagt ist, sind am WEF angekommen.