«Achtung heteronormativ»

Irène Dietschi, Journalistin. (Bild: Daniela Friedli)
Irène Dietschi, Journalistin. (Bild: Daniela Friedli)

Aber Mutti!», protestierten der Älteste und die Mittlere wie aus einem Mund. Wenn meine Kinder mich «Mutti» nennen, weiss ich, dass ich mich gegen heftigsten Widerspruch wappnen muss. Was war passiert? Ich hatte gelesen, dass der Winterthurer Stadtrat beschlossen hatte, sein Gleichstellungsbüro aufzulösen – das Büro für die Gleichstellung von Mann und Frau. «Schön, dass es diese Büros nicht mehr braucht», bemerkte ich beim Abendessen – und setzte leichtsinnig hinzu: «Dann wird sich die ganze Genderdebatte wohl auch bald erübrigen.» Was mir besagtes «Aber Mutti!» einbrachte. «Du hast ja keine Ahnung!», hob der Älteste an. Davon, nämlich, dass auch seine Generation ungefragt in die Normen von Männlein und Weiblein gequetscht werde – was einfach nur nerve. Und das Schlimme sei: «Die Jungen machen auch noch mit, unser Maturball war das das beste Beispiel: total heteronormativ!» Protestierende Schülerinnen hatten das klischeehafte Plakatmotiv des gymnasialen Abschussballs der Kanti Olten – Dame im 50er-Jahre Kleid wird von ihrem Galan zum Tanz gebeten – mit diesem Ausdruck überklebt: «Achtung heteronormativ». Er jedenfalls habe nicht vor, sich dem normativen Zwang der Geschlechterrollen zu unterwerfen, schloss mein Sohn. Meine Entgegnung ging unter, denn die Mittlere fuhr nahtlos fort: «Und überhaupt, geht es heute weniger um Gender, sondern um Transgender.» Mir sei bestimmt bewusst, dass das biologische Geschlecht nicht immer übereinstimme mit dem sozialen oder gefühlten Geschlecht. «Das muss Jeder, Jede für sich selbst herausfinden», meinte sie. Warum es denn überhaupt noch Männer und Frauen gebe, fiel mir schliesslich ein. «Ist das nicht fürchterlich heteronormativ?»

 

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