Abtanzen
Neulich, als nach der unfassbaren Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten auch noch der Tod des kanadischen Singer-Songwriters Leonard Cohen gemeldet wurde, trösteten wir uns mit dessen Musik. «Tanzen wir!», schlug ich meinen Liebsten vor. So begannen wir, im Wohnzimmer zu Cohens Hymnen abzutanzen. Wir bewegten uns lasziv, mit rollenden Hüften, die Muskeln gespannt und doch locker. Die Mittlere, grundsätzlich tolerant gegenüber elterlichen Albern-heiten, machte mit. Die Jüngste aber stand im Türrahmen wie ein Wurzelstock und rollte die Augen, «ihr seid peinlich!», sagte ihr Blick.
Ich hielt inne und versuchte, uns selbst durch ihre Augen zu sehen: der Vater grau, die Mutter etwas füllig geworden. Zwei Ü-Fünfzigjährige, die ihre besten Tage zweifellos hinter sich hatten, die aber so taten, als wären sie von einem postpubertären Hormonschub erfasst worden. Zum Fremdschämen war das! - Es gehört zum Privileg der Jugend, sich von den Älteren abzugrenzen. Sei’s mit der Kleidung, Ansichten oder identitätsstiftenden Kategorien wie der Musik. Was aber tun, wenn Künstler jahrzehntelang präsent sind und generationenübergreifend Geschmack und Zeitgeist treffen? Wie Leonard Cohen, aber auch Prince oder David Bowie?
Zum Glück gibt es in Olten Lokale wie das Galicia. Wenn dort der angejahrte DJ auflegt, kann unsereins von der Jugend ungestraft alles wegtanzen: den Frust über die Trump-Wahl oder den Brexit. Die Trauer über die vielen im Jahr 2016 verstorbenen Musik-Ikonen. Die Wut über Erdogan, Putin und Assad und all das Leid, das diese Despoten verursachen. Die Angst vor Zika. Den Speckgürtel. Und das Mitgefühl mit Noch-Stadtrat Peter Schafer, der von der eigenen Partei verraten wurde.