«18,9 Prozent»

Irène Dietschi, Journalistin. (Bild: Daniela Friedli)
Irène Dietschi, Journalistin. (Bild: Daniela Friedli)

Ja, ich war dabei an der Frauendemo in Bern kürzlich. Ausgestattet mit einer Tröte aus der Jagdkiste meines Gatten, in der anderen Hand die rote «Equal Pay Day»-Tasche von BPW Switzerland, dessen Oltner Sektion ich angehöre, mischte ich mich unter Tausende von Frauen, um für Lohngleichheit zu demonstrieren. Weil Frauen, das sagt die jüngste Lohnstrukturerhebung, 18,9 Prozent weniger Lohn verdienen als Männer. Weil Lohnunterschiede zunehmen, je höher eine Frau in der Hierarchie aufsteigt.
«Das ist nicht, weil Frauen weniger leisten als Männer, sondern weil sie für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden», erklärte ich meinen Lieben, als ich wieder zu Hause war. Die Reaktionen im familiären Umfeld fielen indes gemischt aus. Unsere Jüngste fand es etwas penibel, dass ihre Mutter an einem Umzug mitmachte und dabei trötete, als wollte sie die ferienhalber verpasste Fasnacht nachholen. Die Mittlere ist zwar durchaus emanzipiert, tat die Demo aber als «Ü-50»-Party ab. Die männliche Fraktion bezweifelte das Anliegen gar grundsätzlich: Lohnunterschiede seien die Folge von mutterschaftsbedingten Karriere- unterbrüchen oder Teilzeitpensen, nicht aber von bewusster Diskriminierung, schlugen sie mir um die Ohren. «Ihr Frauen geht für das Falsche auf die Strasse, ihr müsst halt Kindertagesstätten und Tagesschulen fordern», ereiferte sich der Älteste und zeigte mir einen «Zeit»-Artikel, in dem eine bekannte Schweizer Ökonomin genau das gesagt hatte.
Mir fehlten die Worte. Also schritt ich zur Tat. Ich holte meine letzte Rechnung hervor, die ich noch nicht an den Auftraggeber abgeschickt hatte, und korrigierte den Betrag. Um 18,9 Prozent nach oben.

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