Wenn das Vergessen mehr und das Gedächtnis weniger wird

Demenz Die Memory Clinic am Kantonsspital Olten ist nach dem Hausarzt die erste Anlaufstelle für Menschen mit einer Demenzerkrankung. Der Stadtanzeiger hat mit der ärztlichen Leiterin, Susanna Frigerio, gesprochen.

Menschen mit Demenz drücken sich anders aus, als solche, deren Gehirn noch voll leistungsfähig ist. (Bild: www.pixabay.com)

Menschen mit Demenz drücken sich anders aus, als solche, deren Gehirn noch voll leistungsfähig ist. (Bild: www.pixabay.com)

Susanna Frigerio.

Susanna Frigerio.

In der Schweiz leben laut Schätzungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) gegen 150000 demenzkranke Menschen. Jährlich kommen rund 32200 Neuerkrankungen hinzu. Rund die Hälfte der Menschen, die in Seniorenheimen ihren Lebensabend verbringen, weisen Symptome einer Demenz auf. Durch Eiswissablagerungen und das Absterben von Nervenzellen im Gehirn kommt es, wie es im Fachjargon heisst, zu einer demenziellen Entwicklung – die Betroffenen werden vergesslich, scheinen orientierungslos, verwirrt. Eine Entwicklung, die bisher nicht umkehrbar ist und in verschiedenen Stadien abläuft.

Susanna Frigerio ist Co-Chefärztin Neurologie am Kantonsspital in Olten und als solche Leiterin der Memory Clinic, die sich auf die Abklärung von Gedächtnisstörungen wie einer demenziellen Erkrankung spezialisiert: «Die Patientinnen und Patienten werden uns in der Regel von ihren Hausärzten zur Abklärung zugewiesen. Diese umfasst einerseits die neurologische Seite und andererseits die Geriatrie. Zu uns kommen bis zu 150 Betroffene im Jahr.» Zwar wird intensiv daran geforscht, wie Ablagerungen im Gehirn und die damit verbundene Rückbildung von Zellen medikamentös verhindert werden kann, doch ein Lösung, um demenzielle Entwicklungen zu blockieren, gibt es noch nicht.

Aufklärung von Angehörigen

Eine Abklärung bestehe aus einer ärztliche Konsultation, bei der festgestellt werde, wo die Einbussen liegen. Bei der folgenden neuropsychologischen Untersuchung werde die geistige Leistungsfähigkeit – Gedächtnis, Planung, Rechnen oder Sprache – untersucht. Hinzu komme eine Bildgebung des Kopfes, ein MRI, und eine laborchemische Untersuchung. Auf die Frage, ob sich eine demenzielle Erkrankung optisch in den Strukturen des Gehirns erkennen lasse, sagt Frigerio: «Im Laufe der Erkrankung verlieren gewisse Regionen des Gehirns an Volumen. Das lässt sich über ein MRI erkennen.»

Was eine Demenz von Altersvergesslichkeit unterscheide? «Wir arbeiten mit Normwerten. Ab einer bestimmten Abweichung sprechen wir von Demenz. Konkret schlägt diese sich in der Alltagskompetenz nieder, die erheblich eingeschränkt ist.» Da sich eine solche Erkrankung nicht heilen lasse, sei die Begleitung der Patientinnen und Patienten durch Organisationen wie Spitex, Alzheimervereinigungen, aber auch durch Hausärzte und Therapeuten entscheidend. «Wichtig ist zudem die Aufklärung der Angehörigen, sie damit zu konfrontieren, was zu erwarten ist.»

Andere Sprache

Noch vor wenigen Jahrzehnten wurde in der Altersmedizin versucht, den an Demenz erkrankten Menschen mit Logik zu begegnen, sie auf ihre mutmasslich falschen Aussagen hinzuweisen. In den 1970er-Jahren entwickelte die amerikanische Gerontologin Naomi Feil eine Methode, die einen ganz anderen Ansatz verfolgt: Die «Validation nach Feil» geht davon aus, dass Aussagen und Verhalten von Menschen in einer demenziellen Entwicklung jederzeit gültig, also valid sind. In den 1990er-Jahren verbreitete sich dieser Ansatz auch in Europa. Dabei wird nicht der Wahrheitsgehalt von dem, was Betroffene sagen, hinterfragt, sondern die Aussagen so genommen, wie sie sind.

Wenn eine 90-jährige Betroffene etwa den Wunsch äussert, nach Hause zu ihrer Mama gehen zu wollen, sollten Helfende oder Angehörige nicht versuchen, den Sachverhalt logisch zu widerlegen, sondern auf der emotionalen Ebene auf das Gesagte eingehen: Die Absicht, die eigentlich verstorbene Mutter zu besuchen, kann ein Wunsch nach Nähe und Geborgenheit sein. Mit Logik oder rationalen Diskussionen sei Menschen mit einer Demenz nicht beizukommen, sagt auch Frigerio: «Zurechtweisen oder Korrigieren ist in der Regel kontraproduktiv und kann bei Betroffenen Irritationen und psychische Belastungen auslösen.»

www.solothurnerspitaeler.ch

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