Kunst, nicht Kinderhort
Theaterstück Mitte März gelangt im Theaterstudio Olten ein Tanz- und Musiktheater zur Aufführung. Das Besondere daran: Protagonisten sind bei «Alice tanzt» auch Kleinkinder.
Kleinkinder, teilweise sogar Säuglinge als Mitwirkende in einem improvisierten Tanz- und Musiktheater? Die Vorstellung ist erst mal gewöhnungsbedürftig. Aber genau so funktioniert «Alice tanzt». Kinder zwischen sechs Monaten und vier Jahren beteiligen sich aktiv am einem rund 45-minütigen Schauspiel, dessen Rahmen von einer kleinen Gruppe Erwachsener vorgegeben wird.
Neben der Hauptinitiantin Cornelia Hanselmann wirkte Eva Maria Küpfer von Anfang an beim Projekt mit. Die 44-jährige Zürcherin, Choreographin und selbst Mutter zweier Kinder, beschreibt den typischen Ablauf so: «Es ist Improvisation, wir machen jedes Mal etwas anderes. Trotzdem halten wir uns an eine gewisse Struktur. Zuerst versuchen wir mittels Musik – Gitarrentöne oder Glocken zum Beispiel – die Kinder ‹reinzuholen›. Das Kreieren des Wunderlandes dauert rund 20 Minuten. Dann laden wir die Kinder durch Bewegungen ein, mitzumachen.» Ziel sei es, Bögen zu spannen, eine Dramaturgie herzustellen. «Aber es ist keine eigentliche Geschichte», führt Küpfer aus.
Kein Mitmachzwang
Vieles hängt vom Verhalten der Kinder ab. Tanzen sie schon nach fünf Minuten mit? Bleiben sie bis zum Ende sitzen? «Das Schöne ist, dass ein Kind genau so reagieren kann, wie es reagieren möchte. Es nimmt unheimlich viel vom Programm mit – ob es nun mitmacht oder nur zuschaut. Die Kinder müssen nicht mitmachen.»
Die allermeisten werden durch die Bewegungen, Gesten und musikalischen Elemente der Erwachsenen aber aktiv. «Kleinkinder finden es nicht spannend, nur zu schauen. Sie wollen mit allen Sinnen am Stück teilnehmen. Genau das versuchen wir zu bedienen.» Küpfer legt jedoch Wert darauf, dass es sich bei «Alice tanzt» um ein Kulturangebot, um ein Theatererlebnis, um ein Kunstprojekt handle. «Es ist kein Animationsprogramm», betont sie. «Wir animieren die Kinder zwar schon aktiv zum Mitmachen. Aber wir tun das mit anderen künstlerischen Mitteln als eine Tanzanimatorin.» Da den Macherinnen und Machern der Kunstkontext sehr wichtig ist, findet «Alice tanzt» jeweils auch in Theatereinrichtungen statt.
2019 wurde das Projekt lanciert
Das Projekt hat quasi japanisch-niederländische Wurzeln. Cornelia Hanselmann und Eva Maria Küpfer weilten vor rund 20 Jahren zu Studienzwecken im niederländischen Arnheim und lernten dort die Japanerin Makiko Ito und deren Schaffen kennen und schätzen. «Wir hatten damals oft Kontakt zur Improvisationstanzszene in Amsterdam», erinnert sich Küpfer. Ito bot damals unter dem Namen «Wonderland» monatlich ein Tanz- und Musiktheater für Kinder im Vorschulalter an. Die Aarauerin Hanselmann, die mal mit Ito zusammengearbeitet und den Kontakt zu ihr weitergepflegt hatte, wollte 2019 in der Schweiz ein ähnliches Projekt lancieren – gemeinsam mit Eva Maria Küpfer.
Die beiden Freundinnen fragten anschliessend Ito an und besprachen die Idee mit ihr. Das Projekt nahm rasch Fahrt auf. Hanselmann und Küpfer scharten weitere Personen um sich, Ito wirkte als Mentorin – und noch im selben Jahr kam es in Aarau zur Premiere von «Alice tanzt». Beide Initiantinnen hatten zu jener Zeit selbst Kinder im Zielgruppenalter. Der Name «Alice tanzt» nimmt einerseits Bezug zu Itos Projekt «Wonderland», macht andererseits aber auch deutlich, dass es sich um ein eigenständiges Format handelt.
Mit dem Improvisationstheater für kleine Kinder waren Küpfer und Hanselmann in der Schweiz ein Stück weit Vorreiterinnen. «Ich fand es bei unserem Start 2019 harzig. Jetzt, fünf Jahre später, springen immer mehr Leute auf den Zug auf», freut sich Küpfer. Inzwischen blickt die Truppe von «Alice tanzt» auf Auftritte in mehreren Schweizer Städten zurück; bei der Bühne Aarau gehört sie schon beinahe zum Inventar. Als nächstes wird nun Olten die Reihe der Aufführungsorte erweitern. Am Sonntagmorgen, 17. März, kommt «Alice tanzt» ins Theaterstudio. Weitere Auftritte in der Dreitannenstadt stehen schon fest oder sind angedacht.
Requisiten werden sparsam eingesetzt
Das Stück beinhaltet eine Abfolge von rhythmischen, bewegungsstarken Momenten und solchen der Ruhe. «Und ganz zum Schluss», erklärt Küpfer, «laden wir alle Eltern ein, und dann gibt es einen kurzen Discomoment, in dem alle tanzen können.» Requisiten werden jeweils bloss sparsam eingesetzt. Benutzt werden einzig ein kleiner Stuhl, Seidenpapier und ein weisses, grosses Tuch.
Das Team von «Alice tanzt» auf der Bühne besteht jeweils aus vier bis sechs erwachsenen Personen. Sie machen Musik, tanzen, schauspielern. Ihr Ziel ist es laut Eva Maria Küpfer, bei den ganz Kleinen die Lust am Schauspiel zu fördern. «Wir wollen die Theaterbegeisterung, die wir haben, rüberbringen zu den Kindern.»