Stimmungsvoll und stimmgewaltig
Ukrainisches Weihnachtsfest Am letzten Samstag feierten ukrainische Flüchtlinge in der Oltner Marienkirche am Tag des orthodoxen Weihnachtsfestes gemeinsam mit eingeladenen Schweizerinnen und Schweizern.
Eine freudige Erwartungshaltung herrschte am vergangenen Samstag kurz vor vier Uhr nachmittags rund um die Oltner Marienkirche. Und auf den Parkplätzen im Säliquartier waren vermehrt ukrainische Autokennzeichen anzutreffen. Wurde in unserem Kulturkreis gemäss gregorianischem Kalender das Weihnachtsfest vor knapp drei Wochen begangen, war es für die orthodoxen Christen erst am vergangenen Wochenende so weit. Im julianischen Kalender wird am 6. Januar Heiligabend, am 7. Januar Weihnachten gefeiert – also 13 Tage später als in der Schweiz.
Die Oltner Freiwilligenhilfe für ukrainische Geflüchtete, eine lose Gruppe Ehrenamtlicher, veranstaltet seit dem vergangenen April wöchentlich einen Anlass. In diesem Rahmen finden etwa Kommunikationsübungen in deutscher Sprache statt, wird Integrationshilfe angeboten, ist kultureller Austausch möglich. Zudem wurde ein Chor formiert, der das ukrainische Liedgut pflegt. Aus Kreisen dieses Chors kam der Wunsch auf, auf ukrainische Art gemeinsam Weihnachten zu feiern. Und damit einerseits den aufnehmenden Gastgebern in der Schweiz die eigene Kultur näherzubringen und sich andererseits für deren Gastfreundschaft, Aufnahmebereitschaft und verschiedenen Formen der Unterstützung zu bedanken. Federführend war Chorleiterin Olesia Khramova.
Ein Teufel beim Krippenspiel
Beim insgesamt rund vierstündigen, nicht öffentlichen Anlass versammelten sich mehr als 150 Personen in der Marienkirche. Jeweils in etwa zur Hälfte ukrainische Flüchtlinge und Schweizer. Von ukrainischer Seite waren die rund 20 Chormitglieder zugegen, deren Angehörige, Teilnehmende am Krippenspiel sowie Helferinnen und Helfer. Auf Schweizer Seite etwa Gastfamilien, Sprachlehrerinnen, Mitarbeitende des Sozialdienstes oder schlicht Leute, die den Flüchtlingen aus dem kriegsversehrten Land wohlwollend begegnen. Und natürlich die Oltner Freiwilligenhilfe für ukrainische Geflüchtete, zu deren Kerngruppe-Mitgliedern zum Beispiel Ruedi Iseli zählt. Der bald 70-jährige Forstingenieur hat die Ukraine beziehungsweise deren westlichsten Teil Transkarpatien vor mehr als 20 Jahren anlässlich einer Reise entdeckt und in sein Herz geschlossen. «Mir gefielen das Land, die Sprache, die offenen und fröhlichen Leute, die Musik, das Essen», erklärt Iseli. Längst ist er mit zwei Vereinen mit der Ukraine verbunden. Das Land hat er schon unzählige Male besucht.
Sie alle hörten zu Beginn ein erstes Mal den stimmgewaltigen Chor, dirigiert von Olesia Khramova. Anschliessend folgten längere Ansprachen, die für die deutschsprachige Festgemeinde jeweils übersetzt wurden. Beim Krippenspiel ging es überraschend lebhaft zu; die Präsenz des Teufels dürfte zumindest für manche Schweizer Augen irritierend gewesen sein. Gemäss Iseli, beim Krippenspiel selber als Akteur beteiligt, wirkte der Teufel als Einflüsterer Herodes’. «Das Krippenspiel in dieser Form ist nicht alt, sondern entstand erst im letzten Jahr nach Kriegsbeginn.» Es handelte sich also um eine Verwebung der Weihnachtsgeschichte mit der aktuellen Lage in der Ukraine.
Sogar «O du fröhliche» erklang
In der Folge stand die Musik im Vordergrund. Der Chor und auch eine Solodarbietung zauberten zuweilen Volksfeststimmung in die Marienkirche. Da wurde auch mal rhythmisch mitgeklatscht und mitgesungen. Die vorgetragenen Lieder vermochten das Publikum in ihren Bann zu ziehen.
Die ukrainischen Chormitglieder gaben sogar einige Stücke auf Deutsch zum Besten. Bei «O du fröhliche» wurde der Kirchenraum verdunkelt. Und bald darauf zog eine Polonaise durch das Kirchenschiff. So konnten auch die vielen Kinder, die sich bereits etwas unruhig gezeigt hatten, hautnah ins Geschehen einbezogen werden.
Bei manchen Liedern ging es nicht um weihnächtliche Inhalte, sondern um die Liebe zum Heimatland. Das war auch für die Zuhörerinnen und Zuhörer, die des Ukrainischen nicht mächtig sind, leicht herauszuhören. Der kraftvolle Gesang verströmte viel Lebensfreude und Durchhaltewillen. Beim abschliessenden Dank verliehen die Organisatoren der Weihnachtsfeier denn auch ihrem Wunsch Ausdruck, dass das Publikum «die Seele unseres Volkes» habe spüren können.
«Sehr schönes und berührendes Fest»
Um 17.40 Uhr endete die Weihnachtsfeier in der Kirche, nicht aber das Fest insgesamt. Im Anschluss an die Darbietungen im Kirchenschiff ging es im Pfarrsaal der Marienkirche weiter. Dort konnte man sich an einem ukrainischen Buffet mit zwölf traditionellen weihnächtlichen Speisen die Bäuche vollschlagen. Auf dem Menüplan standen unter anderem die süsse Getreidespeise Kutja oder die Randensuppe Borschtsch. Die verschiedenen kulinarischen Leckereien waren zuvor von den Ukrainerinnen und Ukrainern zubereitet worden.
Ruedi Iseli zieht ein sehr positives Fazit nach der verbindenden Feier. «Ich fand das Fest sehr schön und berührend. Mich hat auch gefreut, dass sehr viele Leute teilnahmen und mir im Anschluss sagten, es habe ihnen sehr gut gefallen. Es war ganz bestimmt auch für die organisierenden Ukrainer ein sehr erfreulicher Anlass.»