Eine sichere Insel

Frauenhaus Aargau-Solothurn Laut Bundesamt für Statistik sind rund 80% der geschädigten Personen innerhalb einer bestehenden oder ehemaligen Partnerschaft Frauen. Sandra Stamm, Leiterin des Frauenhauses Aargau-Solothurn, gibt einen Einblick in ihren Arbeitsalltag.

Im Dezember hat auf Initiative einer Gruppe von Frauen aus Olten und Umgebung eine Mahnwache vor der Oltner Stadtkirche stattgefunden, um auf Gewalt an Frauen hinzuweisen. (Bild: Bruno Kissling)
Im Dezember hat auf Initiative einer Gruppe von Frauen aus Olten und Umgebung eine Mahnwache vor der Oltner Stadtkirche stattgefunden, um auf Gewalt an Frauen hinzuweisen. (Bild: Bruno Kissling)

Seit dem Lockdown im März würden anspruchsvolle Zeiten im Frauenhaus herrschen, bemerkt Sandra Stamm, die seit Juli 2020 die Leitung des Frauenhauses ad interim übernommen hat. Die Kapazität des Frauenhauses sei praktisch durchgehend ausgelastet. «Die Frauen, die sich bei uns aufhalten, kommen allerdings oft aus langjährigen Problemsituationen, die nun durch die Corona-Pandemie verdichtet wurden.» Durch die grössere räumliche Nähe kämen die aufgestauten Probleme stärker ans Tageslicht. «Umso wichtiger ist es, dass sich die Frauen trauen, sich bei uns zu melden», so Stamm, denn auch wenn das Frauenhaus stark ausgelastet sei, würde man immer einen Platz finden. Es gibt viele Gründe, weshalb eine Frau den Mut findet, im Frauenhaus Schutz zu suchen, einer ist beispielsweise wenn sie ihre Kinder schützen will. Die Mehrheit der Kinder ist jünger als fünf Jahre und sie sind immer auch direkt oder indirekt Opfer von Gewalt.

Von Fachpersonen aufgefangen

Im Schnitt seien die Frauen im Jahr 2020 37 Tage im Frauenhaus geblieben, erklärt Stamm. 44 Tage werden pro Frau und Kinder maximal von der Opferhilfe bezahlt, für den Rest werden Gesuche bei der öffentlichen Sozialhilfe gestellt. Um das Frauenhaus aber finanziell ganz abzusichern, ist es auf Spendengelder angewiesen. «Damit die Kinder bei einem längeren Aufenthalt im Frauenhaus den schulischen Anschluss nicht verlieren, sorgen wir dafür, dass sie eine der umliegenden Schulen besuchen können», erläutert die Leiterin und ergänzt, dass auch innerhalb der Einrichtung ein speziell geschultes Fachteam bereit-stehe, um die Kinder bei der Aufarbeitung der schwierigen Situation sowie bei den Hausaufgaben zu unterstützen. Ganz wichtig in diesem Zusammenhang sei auch das Organisieren von Anschlusslösungen. «Wir bieten im Frauenhaus eine Beratung und Betreuung in Kriseninterventionen an», betont Stamm und ergänzt, dass die Opfer im Frauenhaus selbstverständlich mit einer professionellen Beratung und Betreuung emotional aufgefangen würden. Dafür seien Fachmitarbeiterinnen wie Sozialpädagoginnen, Sozialarbeiterinnen oder Psychologinnen engagiert. Rechtliche, längerfristige therapeutische oder andere passende Massnahmen werden während dem Aufenthalt vermittelt, sodass die Frauen nach dem Aufenthalt eine Anschlusslösung haben. Auch werden nach dem Austritt psychosoziale Beratungen vom Frauenhaus angeboten.

Schwierige Abgrenzung vom Peiniger

«Leider kommt es ab und zu vor», so Stamm, «dass Frauen mehrmals die Angebote im Rahmen der Opferhilfe benötigen. Es kommt auch vor, dass die Frauen zu ihrem gewalttätigen Mann zurückgehen.» Dies sei für viele Menschen unverständlich, betrachte man die Situation aber näher, erkenne man, dass eine Trennung vom Peiniger für manch eine Frau mit enorm vielen negativen Konsequenzen verbunden sei. «In manchen Kulturen ist es üblich, dass eine Frau, die sich von ihrem Mann trennt – aus welchem Grund auch immer – von der Familie verstossen wird und ganz alleine dasteht.» In anderen Fällen wolle die Mutter ihren Kindern den Vater nicht nehmen und könne sich daher nur zögerlich aus der schädlichen Situation lösen. «Einigen Frauen ist auch nicht bewusst, dass die Handlungen ihres Partners falsch und gesetzeswidrig sind», erklärt Stamm, weshalb das Frauenhaus die Opfer darüber informiere. Dies würde den Betroffenen ebenfalls dabei helfen einzusehen, dass das Verhalten des Täters inakzeptabel ist.

Täter werden in die Verantwortung genommen

Das Recht auf Beratung im Rahmen der Opferhilfe habe eine Frau bereits unter der Bedingung, dass sie sich bedroht fühlt und Angst vor ihrem Mann hat, erklärt die Leiterin. «Obwohl dies diffuse Anzeichen sind, ist es richtig, dass sich eine Frau bei uns meldet.» Auch wenn ein Mann drohe, die Frau umzubringen oder die alleinige Hoheit über die Finanzen innehabe, sei es wichtig, dass die Frau Hilfe in Anspruch nehme und nicht warte, bis Schlimmeres passiere. Leider komme es aber immer wieder vor, dass Frauen über ihr Leid schweigen oder gar sich selbst die Schuld für das Verhalten des Mannes geben. «Insbesondere wenn es um Sexualdelikte geht ist die Scham riesig», betont Stamm. In der Schweiz ist die Vergewaltigung in der Ehe erst seit 1992 strafbar, ein Offizialdelikt gar erst seit 2004. Hier müsse man den Frauen aufzeigen, dass so etwas wie ein Recht auf den weiblichen Körper für Dritte nicht existiert, wie in manchen Kulturen behauptet wird. Aber auch Schweizerinnen seien von Gewalttaten durch ihre Männer nicht verschont. Im Gegensatz zu früher, erklärt Stamm, würden die Täter heute in die Verantwortung genommen. Es wird dabei versucht mit den gewalttätigen Personen neue Verhaltensweisen zu erlernen. Dabei will Stamm aber nicht unerwähnt lassen, dass es auch gewalttätige Frauen gibt, die ihre ungebremsten Emotionen an Kindern oder Männern auslassen. Im Rahmen der Opferhilfe geht man auch davon aus, dass gewaltbetroffene Männer noch weniger Hilfe suchen als gewaltbetroffene Frauen. Generell geht es wohl darum, dass Menschen lernen müssen, wie man Probleme gewaltfrei lösen kann.
 

Was ist häusliche Gewalt?

-Von häuslicher Gewalt wird gesprochen, wenn Personen innerhalb einer bestehenden oder aufgelösten ehelichen, eheähnlichen oder familiären Beziehung psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt ausüben oder androhen
-Charakteristisch für häusliche Gewalt ist die emotionale Nähe der Betroffenen.
-Häusliche Gewalt kann zu einer Kindeswohlgefährdung führen.
-Häusliche Gewalt kann strafbar sein.

www.frauenhaus-ag-so.ch

Weitere Artikel zu «Stadt», die sie interessieren könnten

Stadt28.02.2024

«Heute sind sie hibbeliger»

Rosmarie Grünig Seit 45 Jahren unterrichtet sie Ballett, seit mehr als 40 Jahren im Dance Studio Olten. Anfang Mai findet aus diesem Anlass in…
Stadt21.02.2024

Kunst, nicht Kinderhort

Theaterstück Mitte März gelangt im Theaterstudio Olten ein Tanz- und Musiktheater zur Aufführung. Das Besondere daran: Protagonisten sind bei «Alice…
Stadtrat beantragt parlamentarische Kommission
Stadt21.02.2024

Stadtrat beantragt parlamentarische Kommission

Im Januar hat das Gemeindeparlament der Stadt Olten die neue Vorlage zum Projektierungskredit Kirchgasse 8 und 10 knapp zurückgewiesen; diese sah eine Sanierung…