«Eine Postleitzahl ist es nicht?»
Thomas Marbet Der Oltner Stadtpräsident bringt im Interview schöne Momente des Jahres 2023 ebenso zur Sprache wie anstehende Herausforderungen 2024. Er kommentiert auch sein Ergebnis bei den Nationalratswahlen – und sagt, ob er 2027 nochmals einen Anlauf in Richtung Bundesbern nehmen wird.
Das Jahresende naht mit grossen Schritten. Wie geht es dem Oltner Stadtpräsidenten in diesen Tagen?
Thomas Marbet: Sehr gut. Wir verfügen über ein vom Parlament genehmigtes Budget – in Olten immer ein wichtiges Thema und keine Selbstverständlichkeit. Ein Referendum dagegen wird wohl nicht ergriffen. Das sorgt bei mir für Erleichterung, weil es den Start ins neue Jahr vereinfacht – auch für das städtische Personal und die Verwaltung.
Können Sie sich über die Festtage ein paar politikfreie Tage gönnen?
Ja. Wir werden in der Familie Festivitäten haben. Aber danach ist schon geplant, auch auszuspannen und die Zeit zu nutzen, um ein wenig zur Ruhe zu kommen.
Zuletzt konnte der Stadtrat einen Erfolg feiern: Das Bundesgericht stützte seine Sichtweise beim Erschliessungsplan Olten Südwest.
Wir haben uns darüber gefreut, dass das Bundesgericht diesen Entscheid gefällt hat. Wenn der Souverän im kommenden Frühling der Vorlage zustimmt, bekommen wir die Chance, das Quartier Olten SüdWest anzubinden. Und zwar relativ kostenschonend, wenn man die zusätzlichen Ausgaben betrachtet, die es für die Stadt noch bedingen wird. Aber es braucht dazu wie gesagt zuerst noch einen Volksentscheid.
Was hat Sie 2023 sonst noch gefreut?
Es war das Jahr in der Mitte der Legislatur. In Erinnerung bleiben mir vor allem das Schulfest, in dessen Rahmen wir auch das 30-Jahr-Jubiläum der Städtepartnerschaft mit Altenburg gefeiert haben. Das war für beide Seiten ein sehr schöner Anlass. Wir werden 2024 einen Gegenbesuch in Altenburg machen und dort dann sogar eine Ausstellung mit Werken von Oltner und Solothurner Künstlerinnen präsentieren. Ebenfalls in bester Erinnerung ist der Ausflug mit den Stadtratskollegen Raphael Schär-Sommer und Benvenuto Savoldelli und der Oltner SAC-Sektion zur Weissmies-Hütte im Wallis. Das wollten wir schon lange mal machen. Angefangen hatte das Jahr ja am Wasser, beim Neujahrsapéro am neu eröffneten Ländiweg. Später gefielen mir auch die offiziellen Eröffnungsfestivitäten mit dem Wasserspiel sehr. Die Bevölkerung erschien zahlreich. Gefreut hat mich auch der Abschluss der Sanierungsarbeiten beim Schloss Wartenfels, bei dem die Einwohnergemeinde Olten neben dem Kanton Solothurn und der Gemeinde Lostorf Trägerin ist. Und auch politisch lief natürlich einiges: Ich bin zum Beispiel froh, dass es voranging in Sachen Talentförderklasse oder Frühe Förderung. Und beim Schulhausprojekt Kleinholz konnte nun der Rohbau fertiggestellt werden.
Es gibt aber auch «Baustellen», für die der Stadtrat immer wieder Kritik erntet. Beispiele sind etwa das Krematorium, das Kunstmuseum oder das Kapuzinerkloster.
Beim Kapuzinerkloster erreichten uns sehr viele Zuschriften. Wir nahmen das Heft in die Hand, schlossen mit dem Kanton eine Absichtserklärung ab und lösten eine Machbarkeitsstudie aus, damit wir wissen, welche Nutzungen denkbar sind, was baurechtlich möglich und überhaupt zulässig ist. Diese Studie läuft noch. Ich bin überzeugt, dass die Stadt beim Kapuzinerkloster eine aktive Rolle übernehmen muss und wird – weil es sich um ein Areal mitten in der Stadt handelt, an prominenter Lage. Ich möchte nicht, dass es so kommt wie in Solothurn mit einem 20 Jahre dauernden Leerstand. Das wäre nicht gut für die Stadt und die Bevölkerung. Beim Kunstmuseum haben wir die Planung nochmals verfeinert und werden mit dieser Vorlage voraussichtlich im Januar vors Parlament treten. Als neue Nutzung an der Kirchgasse 8 ist das Haus der Fotografie angedacht. Wegen des Krematoriums erhalten wir immer wieder Schelte. Wir müssen damit ohnehin vors Volk. Ohne Kreditbeschluss dürfen wir gar nicht bauen. Eine verworfene Reglementsänderung ist kein Kreditbeschluss! Die Bevölkerung kann sich nun zu einer relativ offenen Vorlage äussern, es wird differenziert abgefragt, was gewünscht wird. Ich finde dieses Vorgehen transparent.
Gibt es im Rückblick auf das zu Ende gehende Jahr etwas, das Sie explizit anders machen würden?
(Überlegt lange) Klar ist: Besser kommunizieren könnte man immer. Das ist aber auch eine Ressourcenfrage. Ich versuche so viele Anlässe wahrzunehmen wie möglich. Als vollamtlicher Stadtpräsident gelingt mir das meistens wie angestrebt. Für meine Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat mit einem Teilamt von 30 Prozent ist das schwieriger. Vielleicht wird das gelegentlich vergessen: Sie haben alle noch einen anderen Beruf und auch Familie.
Wir wollen der Jahresmedienkonferenz des Stadtrates am 15. Januar nicht vorgreifen. Aber dennoch: Gibt es zentrale Themen, die den Stadtrat 2024 beschäftigen werden?
Die Gebäude an der Kirchgasse werden uns bestimmt wieder beschäftigen: das Kunstmuseum, das Haus der Fotografie. Dann auch die Abstimmungen zum Krematorium und – sehr wichtig – jene zur Stadtteilverbindung Hammer. Im Bildungsbereich gibt es grosse Herausforderungen: etwa die Inbetriebnahme des neuen Schulhauses im Kleinholz und der damit verbundene Umzug des Hübelischulhauses. Dazu wollen wir mit Beginn des neuen Schuljahres mit einer Talentförderklasse starten und damit eine alte Forderung von Sportvereinen und -verbänden erfüllen. Tagesstrukturen und Frühe Förderung stehen ebenso auf der Aufgabenliste wie die neue Kulturstrategie oder ein aktives City-Management. Wir wollen das Problem der Leerstände in der Innenstadt anpacken – zusammen mit der Wirtschaftsförderung, der Tourismusorganisation und dem Gewerbeverband. Ich glaube, die Städte müssen heute aktiver sein im Bewirtschaften des Angebots, um die Innenstädte zu attraktivieren.
Seit vergangenem Sommer befindet sich der Stadtrat in der zweiten Hälfte der Legislatur. Für Sie dürfte schon feststehen, 2025 erneut als Stadtpräsident zu kandidieren?
Ich bin nach wie vor sehr motiviert und habe Freude am Amt und den damit verbundenen Begegnungen. Die Wiederwahl ist das Ziel und der Wunsch. Aber es liegt nicht allein an mir, das zu entscheiden. Zudem spielen auch die Gesundheit und die Fitness eine Rolle. Momentan habe ich die. Aber man kann nicht in die Zukunft sehen.
Sie haben sich im Oktober auch um einen Sitz im Nationalrat bemüht. Mit Ausnahme des hauchdünn wiedergewählten Grünen-Nationalrats Felix Wettstein aus Olten blieben sämtliche Kandidaturen aus dem unteren Kantonsteil weitgehend chancenlos. Es riecht ein wenig nach struktureller Benachteiligung.
Bei der SP haben wir im Anschluss an die Wahlen eine Analyse vorgenommen. Dabei zeigte sich, dass die beiden Listen nicht gleich stark waren. Das hängt auch damit zusammen, dass sich eine Bisherige auf der Westliste befand. Auf unserer Liste war niemand mit dem Bisherigenbonus.
Aber die schlechteren Wahlchancen für Kandidierende aus dem unteren Kantonsteil betrafen ja nicht nur die SP, sondern auch andere Parteien.
Die Listengestaltung ist jeder Partei selbst überlassen. In der Vergangenheit hatten wir im unteren Kantonsteil auch immer wieder starke Vertretungen im Nationalrat, etwa Walter Wobmann oder Bea Heim über viele Jahre. Als sie zurücktraten, gingen ihre Sitze für die Region verloren. Aber immerhin ist Felix Wettstein ein Oltner. Ich würde nicht von einer systematischen Benachteiligung reden – auch wenn jetzt sogar die beiden Ständeräte aus der Stadt Solothurn kommen. Sie setzen sich für den gesamten Kanton ein. Und betrachtet man die Kantonsregierung, ist der untere Kantonsteil ja sehr gut vertreten.
Wir kommen nun noch zu einigen Stichworten, zu denen Sie sich bitte spontan äussern. Solothurn.
Die Stadt Solothurn war für mich immer ein Stück Heimat. Ich habe Verwandte in Langendorf. Und ich war wohl häufiger auf dem Weissenstein als viele Leute aus der Umgebung Solothurn. Ich hatte immer ein unverkrampftes Verhältnis zu unserer Hauptstadt. Solothurn ist das politische Zentrum des Kantons, Olten dafür das Wirtschaftszentrum.
Bern.
Bern ist für mich jetzt weit weg, weil ich beruflich nicht mehr dort tätig bin. Bis 2021 habe ich ja bei der Nationalbank gearbeitet. Der Arbeitsweg bedeutete für mich immer eine schöne Reise, bei der ich Zeitung lesen konnte. Nun ist die Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsort für mich sehr klein geworden. So fahre ich nun hin und wieder zum Beispiel in den Jura, um ein wenig Distanz zu gewinnen.
4475.
Eine Postleitzahl ist es nicht? (lacht) Da bin ich überfragt.
Es ist Ihre Stimmenanzahl bei der Nationalratswahl im Oktober.
Ich wurde Dritter auf unserer Liste. An sich kein schlechtes Resultat. Zu Beginn des Wahlkampfes war es für mich eher ein Müssen, es brauchte Überzeugungsarbeit seitens der Partei. Später wurde es ein Wollen. Aber ohne eigentliche Planung und die Bildung eines Unterstützungs-Komitees reicht es halt nicht. Insofern ist das Resultat für mich zufriedenstellend – auch angesichts des überschaubaren Aufwandes. Ein Platz weiter vorne hätte es vielleicht sein dürfen.
Kann ein neuer Anlauf 2027 ein Thema werden?
Da blicken wir jetzt schon sehr weit in die Zukunft… Als Politiker sagt man bekanntlich «Sag niemals nie». Aber ich fühle mich in der Stadt Olten zuhause und verankert.
Das letzte Stichwort heisst Beat Jans.
Über seine Wahl in den Bundesrat habe ich mich gefreut. Ich finde es richtig, dass die urbane Schweiz in der Landesregierung wieder vertreten ist – und Basel erstmals nach 50 Jahren. Mit ihm hatte ich hin und wieder Kontakt am Städtetag. Beim Roadshow-Halt in Olten durfte ich das Grusswort halten und habe so beide offiziellen Kandidaten kennengelernt. Auch Jon Pult schätze ich.