«Die Behörden müssen sich Gedanken machen»

Coronavirus: Wir haben bei der Gewerkschaft Syna mit Hauptsitz in Olten nachgefragt, was Rechte und Pflichten von Arbeitnehmenden während der aktuellen Coronavirus-Situation sind.

Zabedin Iseini ist Regionalverantwortlicher bei der Gewerkschaft Syna in Olten. Er befürchtet, dass manch eine Firma die Situation des Coronavirus auf dem Buckel der Mitarbeitenden ausnutzen könnte. (Bild: mim)
Zabedin Iseini ist Regionalverantwortlicher bei der Gewerkschaft Syna in Olten. Er befürchtet, dass manch eine Firma die Situation des Coronavirus auf dem Buckel der Mitarbeitenden ausnutzen könnte. (Bild: mim)

Das Coronavirus ist in der Schweiz und mit bisher einem Fall (stand Redaktionsschluss) auch im Kanton Solothurn angekommen. Das Virus und die damit verbundenen Massnahmen haben Einfluss auf die verschiedensten Lebensbereiche und sorgen für Verunsicherung. Auch im Berufsalltag sind Massnahmen an der Tagesordnung und erste resultierende Folgen bereits spürbar und so sehen sich Arbeitnehmende mit angeordnetem Homeoffice, Kurzarbeit und kranken Angehörigen konfrontiert. Wir haben bei Zabedin Iseini, dem Regionalverantwortlichen der Gewerkschaft Syna mit Hauptsitz in Olten nachgefragt, was die Rechte und Pflichten von Arbeitnehmenden sind.

Herr Iseini, wie haben Sie die letzte Woche seitdem das Coronavirus auch offiziell in der Schweiz angekommen ist, erlebt?

Zabedin Iseini Es sind sehr viele Anfragen aus den verschiedensten Bereichen bei uns eingegangen. Viele waren im Gesamtarbeitsvertrag (GAV) geregelt. Aber auch der GAV sieht keine Extremsituation wie die aktuelle vor, weshalb es Fälle gibt, die nicht pauschal beantwortet werden können. Aufgrund der grossen Anzahl an Anfragen haben wir uns schliesslich entschlossen, die meistgestellten Fragen und Antworten auf unserer Webseite zu veröffentlichen. Ausserdem haben die Sozialpartner vergangene Woche am runden Tisch mit verschiedenen Vertretern unter anderen vonseiten des Bundes teilgenommen. Dabei wurde beispielsweise über Kurzarbeit diskutiert.

Welche Massnahmen befolgen Sie selbst bei der Syna in Olten?

Wir halten uns im Moment an die vom Bund angeordneten Schutzmassnahmen und warten auf die neuen Beschlüsse per Ende Woche. Wenn die Massnahmen verschärft werden, ist beispielsweise eine Einführung von Homeoffice denkbar.

Erhält der Arbeitnehmer im Falle einer Infektion mit dem Coronavirus weiterhin seinen Lohn?

Ja, wie bei anderen Erkrankungen besteht die normale Lohnzahlungspflicht, bei welcher der Arbeitnehmer in der Regel 80 Prozent seines Lohnes erhält.

Darf ein Arbeitgeber Homeoffice anordnen oder verlangen, dass der Arbeitnehmer künftig mit dem Auto zur Arbeit fährt? Wer trägt die Kosten?

Der Arbeitgeber darf sowohl Homeoffice anordnen, als auch verlangen, dass der Arbeitnehmer mit dem Auto zur Arbeit fährt, denn es handelt sich hierbei um eine Vorsichtsmassnahme und eine Fürsorgepflicht. Grundsätzlich hat der Arbeitgeber in diesen Fällen aber für allfällige Kosten aufzukommen, beispielsweise im Falle vom Homeoffice für die Telefonie oder wenn der Arbeitnehmer mit dem privaten Auto unterwegs ist für die Reisespesen.

Kann sich ein Arbeitnehmer aus Angst vor einer Ansteckungsgefahr weigern zur Arbeit zu gehen?

Nein, ohne Begründung kann sich ein Arbeitnehmer auch in der aktuellen Situation nicht weigern zur Arbeit zu gehen, denn dies könnte missbraucht werden. Anders sieht es bei Risikopersonen aus. Diese müssen sich ihre Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt mit einem entsprechenden Zeugnis bescheinigen lassen.

Wie sieht die Situation aus, wenn der Arbeitgeber den Angestellten als Vorsichtsmassnahme nach Hause schickt? Muss der Arbeitnehmer die versäumten Stunden aufarbeiten oder Ferientage aufwenden?

Da es sich um eine Anordnung vonseiten des Arbeitgebers handelt, entstehen für den Arbeitnehmer keine Minusstunden und er muss auch keine Ferientage investieren.

Kann eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer eine Geschäftsreise verweigern?

Wenn wir das Beispiel von Mailand nehmen, wo eine reelle Gefahr, die auch vonseiten der Behörden als solche genannt ist, nehmen, kann sich ein Arbeitnehmer weigern. Im Falle von einer nicht betroffenen Gegend müsste der Arbeitnehmer jedoch die Weisung seines Betriebes befolgen.

Darf ein Unternehmen als Folge des Coronavirus Kurzarbeit anordnen?

Ja. In diesem Fall stellt die Firma beim Amt für Wirtschaft und Arbeit ein Gesuch. In der Regel wird dieses bewilligt und damit erhält der Arbeitnehmer 80 Prozent seines Lohnes von der Versicherung bezahlt. Die Frage dürfte sich jedoch später stellen, wenn dieser Zustand anhält und die Arbeitnehmer auf lange Sicht nicht mehr bereit sind, die Lohneinbusse hinzunehmen. Diese Frage ist nicht geregelt und wird die Richter wahrscheinlich in einigen Monaten beschäftigen.

Was passiert, wenn das eigene Kind oder ein Angehöriger erkrankt. Wie soll sich der Arbeitnehmer verhalten? Muss er Ferien beziehen?

In diesem Fall muss der Arbeitgeber die erforderliche Zeit für die Betreuung eines kranken Kindes zur Verfügung stellen. Das sind nach Gesetz bis zu drei Tagen pro Krankheitsfall. Dazu braucht es ein entsprechendes Arztzeugnis. Einzelne Gesamtarbeitsverträge sehen sogar grosszügigere Leistungen vor. Mitarbeitende sind jedoch verpflichtet, längere Abwesenheiten zu vermeiden und sich entsprechend zu organisieren, um wieder zur Arbeit gehen zu können.

Was für Möglichkeiten bleiben dem Arbeitnehmer, wenn die Schulen schliessen und das Kind zu Hause bleiben muss?

Auch in diesem Fall bleibt es wie beim erkrankten Kind bei den drei Tagen, die bleiben, um sich zu organisieren.

Auch wenn es sich bei der Schulschliessung um eine Anordnung der Behörden handelt?

Ja. Fest steht jedoch, dass, wenn dieser Fall eintreffen sollte, sich die Behörden Gedanken machen müssen, ob es dabei bleibt. Es handelt sich dabei um ein Gesetzesminimum.

Wenn Eltern ihre Kinder aus Angst vor der Ansteckung aus der Kindertagesstätte nehmen, müssen sie diese trotzdem bezahlen?

Meiner Einschätzung nach ja, da es sich beim Entscheid nur um eine Vorsichtsmassnahme handelt. Ausserdem dürfte eine Kindertagesstätte denselben behördlichen Entscheiden unterliegen wie die Schulen.

Was gibt es ausserdem zu beachten im Bezug auf die Arbeit und den Coronavirus?

Grundsätzlich gilt vonseiten des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers in erster Linie die Weisung der Behörden zu befolgen und sich in einem zweiten Schritt an diejenigen des Betriebes zu halten.

Herr Iseini, vielen Dank für das Gespräch.

Gewerkschaft Syna

Das Sekretariat der Syna Region Olten/Solothurn mit vier Personen befindet sich an der Römerstrasse 7 in Olten ebenso wie der Hauptsitz, der seit 2011 ebenfalls an der Römerstrasse stationiert ist. Im selben Gebäude ist ausserdem die Arbeitslosenkasse untergebracht. Insgesamt sind rund 60 Personen in Olten tätig und die Syna zählt 1’900 Mitglieder.

Mehr Informationen und Antworten auf arbeitsrechtliche Fragen finden Sie auf: www.syna.ch

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