Buchfestival: In der Kürze liegt das Haiku

Workshop Dass Gedichte Menschen begeistern können, hat ein Workshop für Haikus – der alten japanischen Lyrikform – am letzten Freitag in der Stadtbibliothek Olten gezeigt. Als Experte war der Schriftsteller Markus Kirchhofer eingeladen.

Markus Kirchhofer trug am verangenen Freitag einige Haikus als Beispiele vor. (Bild: Caspar Reimer)

Sie sei auf alles vorbereitet gewesen. Auch darauf, dass gar niemand komme. Das sagte eine sichtlich erfreute Dorothee Windlin, Leiterin der Stadtbibliothek Olten, angesichts der beachtlichen Gruppe, die sich am vergangenen Freitagmorgen zum Workshop «Haikus schreiben» in der Stadtbibliothek eingefunden hatte. Das Haiku ist eine traditionelle japanische Gedichtform, die heute weltweit verbreitet ist – auch Vertreter der Deutschen Haiku-Gesellschaft waren am Anlass, der im Rahmen des 7. Buchfestivals Olten stattfand, zugegen.

Als Experte war der Schriftsteller und passionierte Haikuschreiber Markus Kirchhofer eingeladen. Das Werk des 60-jährigen Aargauers zeichnet sich bisher durch Gedichte, aber auch durch Comics – sogenannte «Graphic Novels» – aus, für die er jeweils mit Zeichnerinnen und Zeichnern zusammengearbeitet hat. Im vergangenen Jahr ist nun auch sein erster Roman unter dem Titel «Das Planetenrührwerk» im Knapp Verlag Olten erschienen.

Zur Begrüssung erzählte Kirchhofer, was ihn mit der Dreitannenstadt verbindet: «Ich war im Vorstand der Interessengruppe Comic Schweiz. Wir trafen uns jeweils im Restaurant National, assen Poulet-Flügeli mit Curry-Sauce und heckten Comic-Projekte aus.» Dann aber berichtete der Schriftsteller, wie er dazu gekommen ist, Haikus zu schreiben: «Mein Primarlehrer Jannis Zinniker vermittelte uns die Kunst der Haikus. Ich schrieb also schon in der ersten Klasse meine ersten Gedichte dieser Art. Seither bin ich nicht mehr davon losgekommen. Die Haikus sind die Basis meines Schreibens.» Auf die Frage des Stadtanzeigers, was Haikus auszeichne, sagte Kirchhofer: «Haikus sind wahrscheinlich die kürzeste Lyrikform der Welt. Sie bestehen aus drei Zeilen, kommen ohne Titel und ohne Reim aus und halten einen Lebensaugenblick fest.» Ob jederfrau, jedermann Haikus schreiben könne? «Wenn ich das als Erstklässler schon konnte, ist der Zugang dazu sicher niederschwellig», so der Schriftsteller schmunzelnd. Aber selbstverständlich könne man die Sache mit unterschiedlichem Anspruch angehen. Zur Veranschaulichung trug Kirchhofer dem Publikum auch einen eigenen Dreizeiler vor: «Die Kondensstreifen / der Flugzeuge am Himmel – / meine Gedichte.»

Auch Berndeutsch geht

In etwas Nebensächlichem könne sich ein poetischer Moment verbergen, versuchte Kirchhofer das Wesen der japanischen Gedichtform zu beschreiben. «Haikus wohnt nicht eine versteckte Botschaft inne. Vielmehr wollen sie die Stimmung eines Momentes einfangen. Was beim Leser ankommt, was er selbst damit assoziiert, vervollständigt den skizzierten Augenblick.» Eine Besucherin des Workshops wollte wissen, ob sich Haikus auch auf Berndeutsch verfassen liessen, was mit allgemeinem Schmunzeln und der Aussage Kirchhofers, dass dies selbstverständlich möglich sei, quittiert wurde. «Haikus können wohl in allen Sprachen geschrieben werden.»

Kunst der Verknappung

Haikus gehen auf japanische Meisterdichter im 17. und 18. Jahrhundert zurück. «Diese ursprünglichen Haikus funktionieren nach strengen Regeln», so Kirchhofer. Ein traditionelles Haiku deutet eine Jahreszeit an. Als Wesensmerkmal gelten zudem die nicht abgeschlossenen, offenen Texte, die sich erst im Erleben des Lesers vervollständigen. Im Text wird nicht alles gesagt, Gefühle sind nur selten benannt – sie sollen sich erst durch die aufgeführten konkreten Dinge und den Zusammenhang erschliessen.

Zur Aufgabe des Workshops am Freitag gehörte es zudem, in die Stadt auszuströmen, Eindrücke zu sammeln und daraus selbst ein Haiku zu schreiben. «Ganz einfach ist das nicht. Trotzdem möchte ich alle ermuntern, es zu versuchen», so Kirchhofer. Das taten die Teilnehmenden des Workshops denn auch und stellten zum Abschluss des Morgens ihre Haikus aus Olten vor.

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