Blutige Schlachten und böse Hasen

Kunstmuseum Olten Kuratorin Katja Herlach erzählt anlässlich der neuen Ausstellungen im Kunstmuseum von der Entwicklung hin zur heutigen Staatsform, symbolträchtigen Stützen und wildgewordenen Hasen.

Kuratorin Katja Herlach hat durch die thematische Anordnung einen Ausflug durch die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts geschaffen. (Bild: mim)
Kuratorin Katja Herlach hat durch die thematische Anordnung einen Ausflug durch die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts geschaffen. (Bild: mim)

Bei den beiden am vergangenen Samstag eröffneten Ausstellungen im Kunstmuseum Olten kommen sowohl Liebhaber schöner Landschaftsbilder als auch Karikatur-Begeisterte auf ihre Kosten. In der Ausstellung «Rendezvous» geben sich Werke aus den Sammlungen der Stiftung für Kunst des 19. Jahrhunderts und des Museums ein Stelldichein. «Die Ausstellung erzählt in thematischer Abfolge von zentralen Anliegen der Kunst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sowie vom Leben in dieser Zeit und beleuchtet Zusammenhänge», so Katja Herlach, Kuratorin und stellvertretende Direktorin des Kunstmuseums Olten. Daneben trägt Ausstellungs- und Filmemacher, Regisseur, Autor und Künstler Hans Peter Litscher im Disteli-Dialog V mit dem Titel «Und Hasen, Hasen schneit es fort, Millionen jede Stund’» die Haltung des Revoluzzers Martin Disteli. Beiden Ausstellungen gemein ist somit die Anknüpfung an das Werk des Oltner Malers und Polit-Karikaturisten, welches sich grösstenteils im Besitz des Kunstmuseums Olten befindet. Das erste, 1945 für die Sammlung erworbene Bild, ist ebenfalls in der Ausstellung «Rendezvous» zu sehen.

Stiftung zurück im Kunstmuseum

Angesichts des Umzugs der Sammlung der Stiftung für Kunst des 19. Jahrhunderts zurück in die Räumlichkeiten des Kunstmuseums Olten stellt die Ausstellung «Rendezvous» einen optimalen Auftakt für die für die Zukunft angedachte nähere Zusammenarbeit dar. «Wie in der Lord-Studie vor einigen Jahren aufgezeigt, war es stets das Ziel, die Stiftung im neuen Kunstmuseum zu integrieren. Dieser Museumsneubau oder -umbau schien 2008 noch in greifbarer Nähe, wurde seither aber Jahr um Jahr verschoben. Inzwischen sind die Mietkosten für die Stiftung, die zwar über einen umfangreichen Werkbestand, aber nur über geringe finanzielle Mittel verfügt, nicht mehr tragbar», erklärt Herlach. «Da jedoch sowohl der Kanton Solothurn als auch die Stadt Olten und die Stiftung in den Standort Olten investiert haben, wollten wir eine Möglichkeit schaffen, um die Stiftung in der Dreitannenstadt zu halten. Deshalb haben wir Platz geschaffen und das einstige Direktionsbüro leergeräumt.»

Kunstvolle Problemlösung

Doch damit allein war es nicht getan. Um den Raum als Depot für Grafiken, Zeichnungen und Bücher nutzbar zu machen, waren bauliche Massnahmen nötig. Ein beigezogener Statiker hatte nämlich beschieden, dass anstelle der gesetzlich geforderten 400 Kilogramm pro Quadratmeter nur 100 zulässig seien, was einen Einzug der Stiftungssammlung verhindert hätte. Vor diesem Hintergrund entwickelte das oft im architektonischen Kontext tätige Künstlerduo Michael Meier und Christoph Franz im Rahmen der Ausstellung «Das Leben ist kein Ponyhof. Über das Arbeiten in der Kunst» 2018 die Installation «Nach den aktuellen Regeln der Baukunst». Mit zwei ehemaligen Fassadenfiguren der Zürcher Amtshäuser, einer Leihgabe der Limmatstadt, realisierte das Duo eine symbolhafte «statische Ertüchtigung» des Direktionsbüros. Sie setzen der weiblichen und männlichen Statue je eine Zementkrone auf und verwandelten sie damit zu die Decke tragenden Karyatiden. Tatsächlich sorgten die Künstler mit der Anbringung eines nicht sichtbaren Stahlträgers aber auch reell dafür, dass den Besuchern die Decke nicht auf den Kopf fällt.

«Rendezvous» mit dem 19. Jahrhundert

Neben den Statuen erstreckt sich die Ausstellung «Rendezvous» über einen Grossteil des Erdgeschosses und den ersten Stock. Der Hauptraum widmet sich der Landschaftsdarstellung. Neben klassisch komponierten Landschaften von beispielsweise Jakob Christoph Miville, die als «Bühnen» für historische, biblische oder mythologische Stoffe dienten, wurde die Landschaft etwa selbst zur Protagonistin religiöser Erfahrung. «In den konfliktreichen Zeiten des Umbruchs zwischen der französischen Revolution und der Gründung des Bundesstaats lässt sich ein Rückzug der kriegsmüden Menschen ins Private und die Entstehung einer neuen Form von Innerlichkeit, auch in Bezug auf die Religion, feststellen, die sich im bildnerischen Ausdruck niederschlug», erzählt Herlach und fügt an: «Damit und mit dem Erstarken des Bürgertums ging eine Infragestellung althergebrachter Machtverhältnisse einher. Dass aus dem Ringen um die Neuverteilung schliesslich unsere heutige Staatsform entstand, und dass sich die Spannungen zwischen weltlichen und geistlichen Behörden im Kulturkampf entluden, ist gerade in Olten bestens bekannt. Aber auch die Natur bekam aufgrund der beginnenden Industrialisierung eine neue Bedeutung als Ort des Rückzugs.» Von Jean-Jacques Rousseau zum Hort eines freien Volkes von Hirten stilisiert, entwickelte sich die Schweiz und insbesondere die Alpenregion seit dem 18. Jahrhundert zur touristischen Destination. Die Ausstellung widmet sich auch diesem Aspekt. Bäume, der Wald und Pferde stellen weitere wichtige Motive dar. Letztere leiten im ersten Stock zu verschiedenen Schlachtenbildern über. «Die napoleonischen Kriege waren während Jahrzehnten für viel Elend verantwortlich, ebneten aber auch den Weg für gesellschaftliche und politische Veränderungen», erklärt Herlach. Um den Kampf für eine neue, demokratische Ordnung zu unterstützen, zogen Künstler wie Disteli oder Ludwig Vogel Begebenheiten aus der Frühgeschichte der Eidgenossenschaft als Beispiele für das Handeln in der eigenen Zeit bei. Im Weiteren sind in der Ausstellung mediale und technische Veränderungen nachvollziehbar und auch die umfangreiche Sammlung der Stiftung an religiöser Kunst aus dem Kreis der «Nazarener» hat darin Platz gefunden. Neben der Ausstellung «Rendezvous» entwickelt Hans Peter Litscher basierend auf Diestelis Werk eine persönliche Mythologie des bösen Hasen. Er bietet wöchentlich Führungen durch sein an eine magische Wunderkammer gemahnendes Hasenuniversum an. Heute Abend, Donnerstag, 30. Januar um 18 Uhr steht als Erstes eine Werkbetrachtung an. ZVG/mim

«Rendezvous» - Kostbarkeiten aus den Sammlungen der Stiftung für Kunst des 19. Jahrhunderts und des Kunstmuseums
bis 26. April 2020

«Und Hasen, Hasen schneit des fort, Millionen jede Stund’»
Disteli-Dialog mit Hans Peter Litscher
bis 26. April 2020

 

 

Stiftung für Kunst des 19. Jahrhunderts: 30-Jahr-Jubiläum

 

Stiftung und Sammlung

1990 wurde die Stiftung von Dr. Heinrich Thommen konstituiert, dem Kunstsammler, der um 1974 begann Kunst rund um Historienmaler Ludwig Vogel (1788-1879) und dessen Zeitgenossen zusammenzutragen. 1992 schenkte Dr. Hans Lanz der Stiftung seine grosse Sammlung mit Werken des Basler Landschaftsmalers Jakob Christoph Miville (1786-1836). Damit erhielt die Sammlung einen weiteren, seither ständig ausgebauten Schwerpunkt im Bereich der romantischen Landschaftskunst. Über die Jahre konnte der Stiftungsbestand zudem unter anderen durch Karikaturen von Rodolphe Töpffer und das Freundschaftsbild «Rheinweise» von Ludwig Adam Kelterborn (1811-1878) erweitert werden. 2004 und 2005 investierte die Stiftung in einen Ankauf nazarenischer Werke. Die Sammlung der Stiftung für Kunst des 19. Jahrhunderts umfasst heute neben Gemälden vor allem Zeichnungen, druckgrafische Werke und illustrierte Bücher vorwiegend von Künstlerinnen und Künstlern aus dem deutschsprachigen Raum.

Stiftung zurück im Kunstmuseum Olten

Nachdem die Stiftung die ersten sieben Jahre in ihrer Gründungstätte, dem Kunstmuseum Olten beheimatet war, zog sie aus Platzgründen ins Disteli-Haus um. 13 Jahre später folgte ein weiterer Standortwechsel an die Frohburgstrasse in Olten. Nach sechs Jahren in der die Stiftung nicht mehr mit einer Leistungsvereinbarung, welche die Mietkosten beinhaltete, finanziell von der Stadt Olten unterstützt wurde, kann die Stiftung die anfallenden Mietkosten nicht mehr selbst stemmen. Um die Stiftung in Olten zu halten und Hand zu bieten, wurde nun im Kunstmuseum zusammengerückt und das einstige Direktionsbüro für die Stiftung geräumt. Eigentümerin der Sammlung bleibt weiterhin die Stiftung.

Jubiläum

Ihr 30-Jahr-Jubiläum begeht die Stiftung am Mittwoch, 5. Februar mit einer Führung durch die aktuelle Ausstellung. Dr. Heinrich Thommen, dessen Initiative die Stiftung ihre Existenz und grosse Teile ihrer reichen Sammlungsbestände verdankt, windet der Stiftung auf einer Führung ein persönliches Geburtstagskränzchen. Zudem präsentiert er die Broschüre «Facetten und Botschaften» mit Erinnerungsstücken aus 30 Jahren Stiftungsgeschichte, die er «seiner» Stiftung zum Jubiläum schenkt. Die Veranstaltung ist öffentlich und kostenlos. Es ist keine Anmeldung erforderlich. ZVG/mim

Führung zum 30-Jahr-Jubiläum der Stiftung für Kunst des 19. Jahrhunderts
Mittwoch, 5. Februar, 19.15 Uhr
Kunstmuseum Olten

<link http: www.kunstmuseumolten.ch>www.kunstmuseumolten.ch

 

 

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