Zu Hause auf Oltens Baustellen
ERO Eröffnung Am 24. April wird, nach fünf Jahren Bauzeit, die Entlastungsstrasse mit dem Tunnel Hausmatt eröffnet. Die Oltnerin Jenny Kummer hat die fünfjährige Bauzeit, insbesondere den Tunnelbau, fotografisch begleitet.

Im Wohnzimmer von Jenny Kummer stehen Frühlings-Blumensträusse in den verschiedensten Farben. Die 83-Jährige hat am 10. April ihren Geburtstag gefeiert und zeigt stolz den grossen Berg an Glückwunschkarten. Jeden Morgen absolviert die rüstige Rentnerin ihren Spaziergang, der sie meist am Hausmatttunnel vorbeiführt. Die fünf Rückenoperationen sind der Rentnerin, dank ihrer guten Fitness, kaum anzumerken.
Ermutigt durch den Sohn
In zwei dicken Fotoalben hat die 83-jährige Jenny Kummer säuberlich beschriftet ihre zahlreichen Fotos der ERO-Baufortschritte und insbesondere des Hausmatttunnels gesammelt. Auf die Idee, den Bau der ERO fotografisch zu begleiten, kam Jenny Kummer durch ihren ältesten Sohn Walter. «Ich habe im Kleinholz Häuser fotografiert, die bald abgerissen werden sollten, und zeigte diese meinem Sohn», erzählt Jenny Kummer. Der diplomierte Baumeister war begeistert und meinte neckisch, dass sie ihm ein Album machen könnte. Ihr Sohn hatte diesen Wink schnell wieder vergessen, nicht so seine Mutter.
Erste Fotografien entstanden in der Romandie
Jenny Kummer, geborene Würgler, wuchs als Jüngste neben drei Geschwistern in Wetzikon (ZH) auf. Die Familie wohnte in einem dreistöckigen Haus, in welchem ihr Vater ein Radiogeschäft betrieb. Während dieser Zeit war es üblich, dass die Mädchen keinen Beruf erlernen. «Mein Vater zeigte mir die Möglichkeiten auf: eine Arbeit beispielsweise in einer Weberei oder in der Romandie auf einem Bauernhof aufzunehmen, zu heiraten oder ein Kind zu bekommen und dann zu heiraten», erzählt Jenny Kummer, die gerne eine Lehre als Ladentochter (Verkäuferin) oder Coiffeuse absolviert hätte. Sie entschied sich mit ihrer älteren Schwester für die Arbeit in Nyon. «Meine Mutter kaufte mir einen 25 Franken teuren Fotoapparat, welchen ich während meinem ‹Welschlandjahr› rege benutzte», erinnert sich Jenny Kummer. Die Arbeit auf dem Bauernhof begann jeweils um 5 Uhr morgens. Entweder bereitete sie in der Küche für die grosse Belegschaft des Bauernhofs die Rösti vor oder half beim «grasen» auf dem Feld. Jenny Kummer erinnert sich gerne an ihr «Welschlandjahr» zurück. «Ich war ein drahtiges, mageres Mädchen. Die Bäuerin war besorgt und meinte ich dürfe so viel essen, wie ich mag», erzählt sie und fügt schmunzelnd an: «Ich habe 13 kg zugenommen, mager war ich wie eh und je, aber dafür 1.74 Meter gross.» Nach dem Jahr in Nyon erledigte Jenny Kummer drei Jahre in einer Bäckerei den Haushalt und putze das Ladengeschäft. «Das hat mir gut gefallen, da gab es viel Süsses zu essen», erzählt Jenny Kummer und lächelt spitzbübisch. Danach war die damals 20-Jährige bei einem Arzt, im Möbelgeschäft ihrer Tante und in einem Vorhängegeschäft mit Sattlerei im Haushalt tätig. In ihrer Freizeit turnte die junge Frau im Turnverein Wetzikon. «Ich war Vorturnerin und lernte dort meinen Mann kennen», erzählt Jenny Kummer. Als sie schwanger war, heiratete das Paar und zog 1955 nach Dulliken. «Mein Mann war Schlosser und hatte in Trimbach eine Arbeit in Aussicht.» 1956 wurde ihr Sohn Walter geboren und drei Jahr später folgte der Sohn Werner.
Wandern und Fotografieren
Ab 1961 engagierte sich Jenny Kummer im Frauenverein Dulliken und leitete die Wandergruppe, dabei konnte sie ihre Leidenschaften fürs Wandern und Fotografieren ausleben. Dies bezeugen Fotoalben mit den verschiedensten Ausflügen quer durch die Schweiz. «Zu Beginn hatte ich drei Personen in meiner Wandergruppe, am Schluss nahmen jeweils bis zu 25 Personen an den Wanderungen teil», erzählt Kummer nicht ohne Stolz. Neben den vielen sportlichen Aktivitäten war sie auch stets kreativ tätig. Dies beweisen verschiedenste Möbel, kunstvoll verziert im Stil der Bauernmalerei und handgeknüpfte Teppiche in Kummers Wohnung. Seit 18 Jahren wohnt sie nun in der Eisenbahnerstadt.
Sonntagsführung im Tunnel
Aber nun zurück zur ERO. Bei ihrem täglichen Spaziergang durchs Kleinholz begann Jenny Kummer die Baufortschritte, insbesondere des Hausmatttunnels, fotografisch festzuhalten. «Zu Beginn habe ich von Weitem fotografiert. Mit der Zeit kannten mich die Arbeiter und zeigten mir den Tunnel. Ich hatte den Eindruck, dass sie sich über die Abwechslung freuten.» So entstand das erste Album, welches Kummer ihrem Sohn Walter an Weihnachten 2008 stolz überreichte. Dieser, längst vergessen, zu was er seine Mutter unbewusst «verführt» hatte, freute sich riesig über die tolle Arbeit. Während der langen Bauzeit entwickelte sich ein besonderes Verhältnis zwischen Jenny Kummer und dem Bauführer Heiko Wirth. «Jeweils am Sonntag, wenn Heiko arbeitete, durfte ich vorbeischauen und bekam eine Tunnelführung», erzählt die 83-Jährige, die sich auch stets für die technischen Arbeiten interessierte. Manchmal wurde Jenny Kummer von ihrem Sohn und der Schwiegertochter begleitet, denn der ausgebildete Tiefbauzeichner und heutige Baumeister interessierte sich schon von Berufes wegen für den Neubau. Und wie fühlt sich Jenny Kummer, wenn nun «ihr» fünfjähriges Projekt eröffnet wird? «Ich freue mich und bin froh, denn ich bin keine zwanzig mehr und hegte den Wunsch das Projekt abschliessen zu können.» Ein nächstes Projekt möchte die 83-Jährige nicht mehr in Angriff nehmen, aber wer weiss...