«Wollte den Auftrag unbedingt machen»

Unvergessen Peter Thut, inzwischen seit fast drei Jahrzehnten Geschäftsführer einer Haustechnikfirma, konnte 1991 als junger Spengler zusammen mit seinem Bruder Heinz an der komplexen Sanierung der Schlosskirche Niedergösgen mitwirken. Für ihn bis heute ein unvergesslicher Höhepunkt seiner Berufskarriere.

Bausprechung mit Bruder Heinz (Mitte) und Vater Werner Thut (rechts). (Bild: ZVG)

Bausprechung mit Bruder Heinz (Mitte) und Vater Werner Thut (rechts). (Bild: ZVG)

Ein Spengler in seinem Element: Peter Thut an der Arbeit auf dem Dach der Niedergösger Schlosskirche im Sommer 1991. (Bild: ZVG)

Ein Spengler in seinem Element: Peter Thut an der Arbeit auf dem Dach der Niedergösger Schlosskirche im Sommer 1991. (Bild: ZVG)

Peter Thut heute.

Peter Thut heute.

Peter Thut wurde im Sommer 1965 als zweitjüngstes von fünf Geschwistern geboren – wie auch seine drei Brüder und seine Schwester nicht etwa im Spital, sondern im Elternhaus in Lostorf. Sein Vater Werner Thut führte während 40 Jahren die Lostorfer Niederlassung der Zofinger Haustechnikfirma Wülser AG. In den Schulferien besserte Peter sein Sackgeld mit Mitarbeit im väterlichen Betrieb auf. Er hätte am liebsten eine Karriere als Elektriker eingeschlagen. Sein Vater Werner sorgte jedoch dafür, dass er eine vierjährige Lehre als Spengler- und Sanitärinstallateur im väterlichen Betrieb in Lostorf absolvierte. Nach dem Lehrabschluss blieb er der Firma treu. Zu Beginn der 90er-Jahre nahm Peter Thut eine mehrjährige Weiterbildung in der Suissetec Lostorf in Angriff; in jenen Jahren bereitete er sich im technischen Büro im Mutterhaus in Zofingen auf die Aufnahmeprüfung für die Meisterschule vor. In die Anfangsphase dieser Zeit fällt eine Auftragsarbeit, an die Peter Thut noch heute sehr gerne zurückdenkt.

 

«Die römisch-katholische Kirche nahm seinerzeit die Sanierung der Schlosskirche Niedergösgen in Angriff. Die Bauherrschaft kontaktierte meinen Vater und fragte ihn, ob wir die Spenglerarbeiten auf dem Dach ausführen könnten. Mein Vater bejahte, im Bewusstsein, dass es sich um eine komplexe, grosse Herausforderung handeln würde. Wir sollten im Sommer 1991 den kleinen Zwiebelturm sanieren. Wir hatten das nie zuvor gemacht und besassen das Know-how für die ganz speziellen Details solcher Türme eigentlich gar nicht. Doch mein Vater war vor der Erstellung der Offerte mit Bruno Kunz, Fachlehrer in der Suissetec und selbst Spenglermeister, zusammengesessen. Und mein Bruder Heinz und ich, die für die Arbeiten vorgesehen waren, vereinbarten ebenfalls einen Termin mit Bruno Kunz, um den Auftrag auch wirklich fachgerecht ausführen zu können.

Spätestens nach dieser Vorbesprechung war für mich klar, dass ich bei der Arbeit auf dem Bau dabei sein würde – um jeden Preis. Ich wollte diesen Auftrag unbedingt machen! Es handelte sich dabei um ein Projekt, das man im Normalfall während der Berufskarriere kein einziges Mal machen darf. Schon während meiner Ausbildung war immer wieder gesagt worden, wer mal die Chance habe, einen Kirchturm sanieren zu können, solle das unbedingt machen. Eine Kirchturmsanierung ist die Krönung der Spenglerkunst. Ich wollte zeigen, dass ich diese Aufgabe schaffen würde. Das war mein Ansporn.

Unsere Firma war anderthalb bis zwei Monate in Niedergösgen vor Ort. Ich selbst war drei Wochen im Einsatz. Einige wenige Module konnten wir in der Werkstatt vorbereiten, ohne sie gross zuzuschneiden oder zu bearbeiten. Aber beim Hauptharst mussten wir die Module Stück für Stück präzise anfertigen. Je besser wir die Teile vorbereitet hatten, desto weniger oft mussten wir hin- und herlaufen. Vor allem mein Bruder Heinz bereitete sie in der Bauwerkstatt vor Ort vor. Da gab es verschiedene Arbeitsgänge zu machen, damit aus einem geraden Blech ein fertiges Modul entstand, das dann in Millimeterarbeit durch die Falzen eingeschoben werden konnte und am Schluss mit Haften und Nägeln befestigt wurde. Mein Bruder Heinz rannte immer rauf und runter, ich montierte oben die Elemente.

Mir gefiel die Arbeit im Freien schon immer – vor allem aber das Handwerk an sich. Das ist eine Herausforderung. Wenn man das Kupferblech überbiegt, kann man es nicht mehr verwenden. In einer Rundung drin eine Wölbung so zuzuschneiden und den Zuschlag des Falzes so zu berechnen, damit es am Ende passt – das ist eine Riesenkunst und eine enorme Herausforderung! Wer ein solches Projekt mal umgesetzt hat, darf von sich behaupten, richtig spenglern zu können.

Wir hatten in diesen drei Wochen viel Wetterglück, konnten praktisch ohne Unterbruch arbeiten. Auf Gewitter wären wir vorbereitet gewesen. Wäre ein Unwetter angesagt worden, hätten wir über die gesamte Fläche eine Blache gespannt. Aber wir mussten sie nie anwenden. Gewisse Differenzen ergaben sich mit der Bauherrschaft. Wir hätten uns gewünscht, dass die gesamte Unterholzkonstruktion ausgewechselt worden wäre. Aber ersetzt wurden dann bloss einzelne Holzlatten, die wirklich morsch waren. Und zu Beginn der Arbeiten attackierten uns immer wieder Turmfalken, weil sie uns als Eindringlinge empfanden.

Im Austausch mit Bruno Kunz, der uns unterstützte, kam die Idee auf, unsere Arbeit zu dokumentieren. So fotografierte ich immer mal wieder und beschrieb unsere Arbeiten. Eines Tages fuhr ich nach dem Feierabend um etwa 17.30 Uhr nochmals nach Niedergösgen, um Fotos zu schiessen. Das Wetter an jenem Tag war wunderbar, und ich hatte Zeit. Vor Ort sprach ich kurz mit dem Schlosswart und informierte ihn darüber, dass ich nochmals aufs Dach steigen und dort oben fotografieren würde. Ich sagte ihm, er solle bitte die Türe oberhalb des Kirchenschiffs noch nicht verschliessen, bis ich wieder unten sei. ‹Kein Problem, melde dich dann einfach, wenn du fertig bist›, entgegnete er mir.

Ich bestieg das Dach und machte vielleicht 20 Minuten lang Fotos. Kurz vor 18 Uhr muss der Schlosswart die Türe versperrt haben und nach Hause gegangen sein. Jedenfalls war die Türe plötzlich verschlossen. Ich polterte an die Türe, rief, schrie. Doch kein Mensch öffnete. Ich rannte wieder hoch in der Hoffnung, den Schlosswart vielleicht noch zu sehen. Vergeblich. Andere Menschen, die sich auf dem Platz vor der Kirche aufhielten, machten keine Regung. Sie hörten mein Rufen nicht.

Was also tun? Das Natel zücken konnte ich damals noch nicht, und den Abend dort oben verbringen wollte ich auch nicht. So ging ich wieder hoch aufs Dach und hinüber zum Glockenturm. An dem war eine einfache Gerüsteinheit angebracht, die einen elektrischen Lastenaufzug umfasste. Eine Treppe aber gab es nicht. Die einzige Möglichkeit bestand darin, mich wie ein Äffchen an diesem Gerüst hinunterzuhangeln. Ich schätze, ich musste rund 50 Meter runter. Da ich früher als Kunstturner beim TV Obergösgen aktiv gewesen war, konnte ich in etwa einschätzen, ob ich es schaffen würde oder nicht. Was ich wusste: Zuhause würde ich es sicher nicht sagen. Denn Suva-konform war diese Aktion bestimmt nicht…

Wenn man so etwas macht, ist man enorm konzentriert. Ich vergesse nicht mehr, wie ich das Gerüst jeweils anfasste, die Kälte des Metalls wahrnahm und meinen Griff spürte. Ich wusste: Ein einziger Fehlgriff – und ich falle hinunter. Nach etwa zwei Dritteln des Abstiegs verfing sich meine Jeanshose an einer Schraube. Einige Tage später sprach mich meine Frau auf die kaputte Hose an. Erst da erzählte ich ihr von der Aktion. Die Fotoreportage übrigens war dann einige Jahre in den Suissetec-Gebäuden ausgestellt.

Ganz zum Schluss der Arbeiten wurde per Helikopter das grosse Metallkreuz und die vergoldete Kuppel aufgesetzt. Darin liegen Dokumente der Kirche, eine Kopie des Auftrages und Angaben zu meinem Bruder und mir. Das ist Usus. Wer einen solchen Auftrag machen darf, kann sich vor Ort verewigen. Auch darum ist es zweifellos ein Highlight der Berufskarriere. Der Auftrag ‹Schlosskirche Niedergösgen› ist bis heute eine der grössten Spenglerarbeiten, die wir je gemacht haben. Auch heute, fast 32 Jahre danach, sind mein Bruder und ich noch immer sehr stolz auf die damalige Dachsanierung. Bis heute sprechen wir manchmal davon. Wenn es um neue Herausforderungen geht und wir am Werweissen sind, ob wir diese meistern können, sagen wir nach einer Weile jeweils: ‹Klar schaffen wir das, wir haben mal einen Kirchturm saniert.›»

 

1995 schloss Peter Thut die höhere Fachausbildung als diplomierter Sanitärinstallateur ab. Ein Jahr zuvor, bei ansonsten tadellosen Leistungen, war er noch durch die Prüfung gerasselt wegen eines Blackouts beim «Fall-Fach» Gas. In diesem Jahr, 1994/95, schaute er seinem Vater über die Schulter und übernahm dann 1995 von ihm die Leitung der Wülser Lostorf AG. Seither hat sich der Personalbestand von zehn auf 32 erhöht. Mehr als die Hälfte der Mitarbeiter wurde betriebsintern ausgebildet.

Mit Mitte 20 hatte Peter Thut seine langjährige Freundin geheiratet. Er hat einen Sohn (30) und eine Tochter (28) und wohnt in Lostorf. Der 57-Jährige ist seit bald 28 Jahren Geschäftsführer der Wülser Lostorf AG. Deren Mutterhaus, die Wülser AG mit Sitz in Zofingen, wurde am 1. März 1933 gegründet, wird also demnächst 90 Jahre alt. Die Firma bietet unter einem Dach Expertise in Sachen Sanitärtechnik, Heizungstechnik, Lüftungstechnik, Bedachungen, Spenglerei und Solaranlagen.

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