Wirz-Burri – Kolonialwaren und Delikatessen am Bifangplatz
Briefgeschichten Am Bifangplatz befand sich vor rund hundert Jahren an prominenter Lage der Laden zum «Bifanghof» von Paul Wirz-Burri. Die ursprüngliche Kolonial-, Tuch- und Merceriewarenhandlung entwickelte er zum Verkaufsgeschäft von Kolonialwaren und Delikatessen.
Paul Wirz-Burri übernahm das Lädeli am Bifangplatz Anfang Oktober 1922. Zuvor hatte Witwe Marie Hagmann-Schlegel diese Handlung an der Aarauerstrasse 72 geführt. Bei der Geschäftsübergabe informierte die inzwischen 70-Jährige ihre Kundschaft mit einem Brief: «Aus Gesundheitsrücksichten werde ich in die Lage versetzt, mein seit 23 Jahren geführtes Geschäft abzutreten. Dasselbe geht mit 1. Oktober über an Herrn Paul Wirz-Burri, Kaufmann. Es freut mich aufrichtig, in meinem Nachfolger ein erfahrener, branchekundiger Kaufmann gefunden zu haben, der es versteht, das Geschäft auf bisheriger loyaler Basis weiterzuführen. Ich danke allen denjenigen, die während der langen Reihe von Jahren meine loyale Geschäftstendenz zu würdigen wussten, und bitte ich meine werte Kundschaft, das gleiche Zutrauen meinem Nachfolger übertragen zu wollen.»
Ende des 19. Jahrhunderts entstand die Häuserzeile östlich des Bifangplatzes. Der Landwirt Joseph Bleuel liess 1897/1898 entlang der Aarauerstrasse dreistöckige Mehrfamilienhäuser mit Ladenlokalen im Parterre errichten. Ende 1898 bezog die aus Däniken stammende Witwe Marie Hagmann-Schlegel den Kopfbau an der Aarauerstrasse 72. Im Erdgeschoss eröffnete sie eine «Spezerei-, Mercerie-, Bonneterie- und Stoffhandlung». Diesen Quartierladen führte sie zum Teil zusammen mit ihren zwei Töchtern, einer Schneiderin und einer Weissnäherin, sowie mit ihrem Sohn, einem Limonadier. Im selben Haus wohnte der Bähnler Eduard Bader in Untermiete. Zwischen ihm und der älteren Tochter Marie Hagmann funkte es; sie heirateten, und nach der Pensionierung der Mutter bezogen sie mit ihr ein Haus an der oberen Hardegg 4.
Wie der Vater so der Sohn
Schon Vater Emil Wirz hatte ein Lebensmittelgeschäft in Othmarsingen geführt. Logischerweise besuchte deshalb sein 1895 geborener Sohn Paul die Handelsschule und absolvierte eine kaufmännische Lehre. Anschliessend gründete Paul Wirz 1919 gemeinsam mit dem Obererlinsbacher Josef Pfister eine Firma mit einem Schuhladen in Solothurn und einer Fabrik für flexible «Bernina»-Sandalen in der Schälismühle Oberbuchsiten. Doch bereits drei Jahre später wurde die Firma liquidiert.
Anfang Oktober desselben Jahres 1922 kaufte Wirz-Burri – er hatte sich inzwischen mit Margrith Burri verheiratet – die Spezerei-, Mercerie-, Bonneterie- und Stoffhandlung von Witwe Hagmann am Bifangplatz. Selbstverständlich arbeitete Margrith Wirz-Burri von Anfang an im Laden tüchtig mit. Gleichzeitig mit der Übernahme des Ladens wurde Wirz-Burri Mitglied der Einkaufsgesellschaft Usego und erwarb vier Anteilscheine im Gesamtbetrag von 1000 Franken. Von dort bezog Wirz-Burri beispielsweise Schokolade, Zigarren, Lenzburg-Konserven, Maggi Nahrungsmittel, Sunlight-Seifenflocken, Zündhölzchen und Merceriewaren. Daneben betrieb Wirz-Burri eine eigene Kaffeerösterei und verkaufte die Bohnen unter der Hausmarke «Drei-Tannen-Kaffee».
Ausser den Lebensmitteln waren Stoffe und Wolle nach wie vor im Sortiment. Deshalb organisierten Margrith und Paul Wirz-Burri Gratis-Webkurse im Hotel «Merkur» an der Tannwaldstrasse. In einem Inserat kündeten sie «eine Sensation für Olten» an, «eine Walliserin in ihrer Tracht spinnt im Schaufenster der Wollabteilung von Paul Wirz-Burri am Bifangplatz Olten». Im Herbst 1932 veranstaltete er einen Wettbewerb für Strickarbeiten, an dem sich 698 Personen im Alter von 5 bis 76 Jahren beteiligten. Die Arbeiten wurden ebenfalls im Hotel «Merkur» ausgestellt, wobei «ein 13jähriger Knabe einen Pullover gestrickt hat, dessen Schönheit und Farbenzusammenstellung allgemein bewundert» wurde.
Jubiläumsfest im Bifanghof
Im Herbst 1937 liess Paul Wirz-Burri sein Ladenlokal an der Aarauerstrasse 72 umbauen und vergrössern. Die breiten Tafeln mit der neuen Firmenanschrift «Bifanghof» wurden zum Blickfang. «Die modernen Schaufenster und die Innen-Ausstellung zeugen von neuem Geist», und «der ‹Bifanghof› ist zugleich eine Zierde des beliebten Platzes auf dem rechten Aareufer geworden», berichteten die Zeitungen. Auch der Vorplatz erhielt ein neues Gesicht. Die plakatgeschmückte Telephonkabine vor dem Haus kam weg und an deren Stelle stellte die Stadt einen neuen Brunnen auf. Während des Umbaus war der Laden geschlossen. Wirz-Burri nahm aber Bestellungen per Telephon entgegen und verstärkte seinen gewohnten Hauslieferdienst.
Am Samstag, den 18. September 1937, feierte der Besitzer mit seiner Kundschaft die Neueröffnung des Bifanghof-Ladens und zugleich ein Jubiläum: 15 Jahre bestand nun der Laden an diesem Ort unter Paul Wirz-Burris Führung. Ohnehin pflegte Wirz ein gutes Verhältnis zum Quartier. Er war an der MIO präsent. Und am Vorabend zum Nikolaustag zirkulierte er als Bifanghof-Samichlaus in den Strassen der rechten Stadtseite und verteilte den Kindern frische selbstgeröstete Spanische Nüssli.
Paul Wirz-Burri engagierte sich im Verband schweizerischer Spezereihändler, zuerst als Präsident der Bildungskommission und Vizepräsident, von 1941 bis 1958 als Zentralpräsident. Er setzte sich stark für die Berufsbildung ein: Er gründete 1926 die Verkäuferinnenschulen von Olten, Aarau und Zofingen und initiierte die Meisterprüfung als Detailhandelskaufmann ab 1938. Der Verband schuf ein Berufsbildungszentrum «La Mouette» am Genfersee, dessen Leitung Wirz-Burri für sieben Jahre übernahm. Anschliessend eröffnete er in Dornach ein Spezialgeschäft für gesunde Ernährung.
Nachdem sein Sohn Peter 1945 ins Geschäft eingestiegen war, übergab Paul Wirz-Burri die Firma 1957 an seinen Nachkommen Peter Wirz-Horlacher, der das Kolonialwaren- und Delikatessengeschäft an der Aarauerstrasse 72 bis ins Jahr 1974 weiterführte. Heute befindet sich dort das Quartierzentrum Cultibo.
Quellen: 100 Jahre Usego, eine Spurensuche. Olten 2007. Der Autor dankt Martin Wirz-Wyss, Trimbach, für die freundlichen Auskünfte.