«Wenn eine tannigi Hose hätt»

Anja Schaffner ist überzeugt, dass Bohnen und Kichererbsen unterschätzt werden. Im Gespräch verrät sie, warum ihre Velotasche nebst Zelt und Gaskocher auch Platz für ein Abenteuer bietet.

Anja Schaffner ist seit sechs Jahren in der Dreitannenstadt zu Hause. «Es gibt in Olten viele innovative, mutige Leute, die etwas wagen.» (Bild: S. Furter)
Anja Schaffner ist seit sechs Jahren in der Dreitannenstadt zu Hause. «Es gibt in Olten viele innovative, mutige Leute, die etwas wagen.» (Bild: S. Furter)

Startup, Fair Trade, Upcycling, Second Hand. Anja Schaffners Leben ist voller Anglizismen, also sprachlicher Ausdrücke, die aus dem Englischen in die deutsche Sprache eingeflossen sind. Trotzdem steht die Schweizerin mit beiden Füssen auf Oltner Boden, wo sie zusammen mit ihrem Partner Jens Hinkelmann ihr eigenes Ladenlokal, den «Märetegge» eröffnen will. «Das Startup-Unternehmen soll die ganze Woche über «Wochenmarkt» bieten.» Schaffner kauft ihre Kleider mehrheitlich auf dem Flohmarkt Second Hand, also aus zweiter Hand und schneidert schon mal aus einem XXL-T-Shirt ein Röckchen. «Dies ist bis heute eines der Lieblingsstücke in meiner Garderobe. Andere Nähversuche hingegen sind leider weniger gut geglückt, so waren die Resultate nicht tragbar.» Indem sie aus dem alten Stoff ein neues Produkt schafft, betreibt sie «Upcycling.» Und obwohl es klischeemässig passen würde, sei sie nicht Mitglied bei der grünen Partei, verrät die aufgeweckte 23-Jährige.

Kanon beim Abwaschen

In Lostorf ist Schaffner aufgewachsen, in Olten ist die gelernte Fachfrau Betreuung seit sechs Jahren zu Hause. An der Dreitannenstadt «mitten im Mittelland» schätzt sie, dass das Alpen- panorama direkt vor der Haustüre liegt. «Es gibt in Olten viele innovative, mutige Leute, die etwas wagen. Das steckt an.» Schaffner hat eine ältere Schwester. Als Kind habe sie sich sehr auf das Erwachsensein gefreut und ein Tagebuch geführt: «Was ich alles will und werde, wenn ich gross bin.» Mit ihrer Familie habe sie zu Hause beim Abwasch jeweils alte Schweizer Volkslieder im Kanon gesungen. Zum Beispiel «wenn eine tannigi Hose hätt». «Später mit den Klienten im Wohnheim habe ich oft Lieder angestimmt und auch viel gelacht.» Zum Beispiel, wenn ein eher stämmiger Bewohner sie beim Wecken am Morgen verschmitzt «Dicki» genannt habe, erzählt Schaffner, die ihre Ausbildung in einer Kindertagesstätte absolvierte. Ihr Interesse für Menschen gab den Ausschlag für die Berufswahl und weckte das Anliegen für nachhaltiges Handeln. «Hinter jedem Produkt stehen Menschen. Diese Schicksale und Lebensgeschichten finde ich spannend.» Aktuell arbeitet Schaffner als Serviceangestellte bei der Fachhochschule und betreut privat Kinder. «Es ist ein berufliches Jonglieren, aber es gefällt mir.»

Velotasche statt Handtasche

Mit der fleischlosen Ernährung hat Schaffner bereits im Kindergarten begonnen, nachdem ihr jemand erzählt hatte, dass das Poulet auf dem Teller mal ein lebendiges Huhn gewesen sei. «Typisch «Chindsgi-Kind» hat mich mein Mitgefühl mit dem Huhn zum Vegi gemacht.» In ihrer Jugend hin-gegen wurde Schaffner dann wieder zur Fleischesserin und flog im Alter von 16 Jahren für ein Auslandjahr nach Neuseeland. «Damit habe ich wohl meine Flugmeilen für das ganze Leben bereits aufgebraucht», schmunzelt die 23-Jährige, die ihre Haare zu zwei Zöpfen geflochten hat und im einen Ohr einen holzfarbenen Stecker und im anderen Ohr einen perlmuttfarbenen Schmuck trägt. Heute ernährt sich Schaffner vegan. «Anfangs war ich skeptisch, doch dann hat mein Freund vegan für mich gekocht und es war lecker.» Sie habe den Eindruck, dass sie sogar vielfältiger esse als früher. «Bohnen und Kichererbsen werden völlig unterschätzt. Dabei lassen sich daraus Saucen, «Tätschli» oder sogar Desserts zubereiten.» Und was für andere Frauen ihre Handtasche ist, ist für Anja Schaffner ihre Velotasche. «Darin findet vieles Platz und kann von A nach B transportiert werden. Auch alles Nötige für ein Abenteuer wie Zelt und Gaskocher kann ich darin verstauen.»

Frei von Beigeschmack

Trotz momentan knappem Budget will auch sie selbst nicht auf nach-haltige Produkte verzichten. «Genuss mit gutem Gewissen hat für mich eine ganz andere Qualität.» Die Herkunftsangabe hinten auf den Produkten lese sie immer. «Das ist schon anstrengend.» Sie wolle darum im «Märetegge» lokale und fair gehandelte Produkte bieten, bei denen kein Beipackzettel gelesen werden muss und die frei von «Beigeschmack» seien. «Nachhaltig soll nicht mühsam, sondern genussvoll sein.» Auf dem Flohmarkt stöbert Schaffner regelmässig nach Trouvaillen. Auch dort gilt ihr Interesse den Menschen. Wenn sie sich einen Gegenstand ansehe, frage sie sich: «Was hat dieser seinem früheren Besitzer wohl bedeutet? Welche Emotionen verband er damit?» Immer wieder entdeckt sie an Ständen auch schrille Objekte oder erwirbt alte Zeitschriften, um daraus Karten zu basteln. «Das Schlendern über den Flohmarkt ist für mich immer Inspiration, auch wenn ich nichts kaufe.»

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