Vom Kinematographen in der Bierhalle zum Kino «Cinéma Palace»

Briefgeschichten 1896 kam das bewegte Bild nach Olten: Erstmals installierte ein Schausteller einen Projektor im Saal einer Gastwirtschaft und schuf damit ein Pop-Up-Kino.

Kinobetreiber Bruno Schibli, der Inhaber des «Cinéma Palace», für einmal hinter der Kamera. (Bild: ZVG Konrad Schibli)

Kinobetreiber Bruno Schibli, der Inhaber des «Cinéma Palace», für einmal hinter der Kamera. (Bild: ZVG Konrad Schibli)

Das Kino Palace, in welchem gerade der Film «Die klugen Frauen» lief, befand sich ganz rechts im Haus Aarauerstrasse 75, Aufnahme von 1936. (Bild: ZVG)

Das Kino Palace, in welchem gerade der Film «Die klugen Frauen» lief, befand sich ganz rechts im Haus Aarauerstrasse 75, Aufnahme von 1936. (Bild: ZVG)

Das Publikum strömte 1930 in das hellerleuchtete Kino «Cinema Palace». Briefumschlag an Mina Benkert in Les Verrières. (Bild: ZVG)

Das Publikum strömte 1930 in das hellerleuchtete Kino «Cinema Palace». Briefumschlag an Mina Benkert in Les Verrières. (Bild: ZVG)

Die ersten Filme in Olten wurden in Pop-Up-Kinos vorgeführt. Jeweils für ein Wochenende installierte ein Schausteller seinen Projektor – «Kinematograph» genannt – im Saal einer Gastwirtschaft und spielte Kurzfilme ab. Im November 1896 machte erstmals ein solches ambulantes Kino in Olten Halt, und zwar in Heinrich Hempeles Bierhalle bei der Krone (siehe Stadtanzeiger vom 29. September 2022).

Ein regelmässiger Betrieb von Filmvorführungen wurde erst Ende 1909 im Saal des Hotels Gotthard aufgenommen. In diesem provisorischen Kinotheater fanden unter dem Namen «Kinematograph Helvetia» an Samstagen abends um 8 Uhr und sonntags um 3 und 8 Uhr Vorstellungen statt. Ein Jahr später, am 2. Oktober 1910, eröffnete Julian Borner-Dätwyler eine neues Kino im Säli zwischen dem Kornhaus und dem Hotel Löwen an der Hauptgasse Nr. 8 (heute «Rabo de Toro»). Borner, ursprünglich ein Arbeiter bei der SBB-Werkstätte, firmierte unter «Volks-Lichtspiel-Theater Helvetia Olten». Er gab 1927 sein Kino einem Jakob Bolleter weiter und arbeitete als Kino-Operateur für Kurt Schibli. In den 1930er Jahren führten die Gebrüder Berger das «Helvetia». 1943 wurde es in einen Laden umgebaut.

Das erste Kino, das eigens als solches gebaut wurde, entstand in Olten-Tripolis, dem Barackendorf beim Hauenstein-Basistunnel. Im Februar 1913 nahm das Lichtspieltheater dort den Betrieb auf, allerdings bewilligte der Gemeinderat nur Vorstellungen an maximal drei Tagen pro Woche. Über dieses Kino ist praktisch nichts bekannt, ausser dass es aus roten Backsteinen bestand. Hingegen sind von seinem Zwilling am Nordportal des Hauensteintunnels, dem ebenfalls 1913 errichteten Kino «Radium» bei Tecknau, sowohl Baupläne als auch Programme der gezeigten Stummfilme erhalten geblieben.

Das Lichtspieltheater

«Auf dem Klosterplatz soll der Bau eines modern eingerichteten Lichtspieltheaters begonnen werden, das für 400 Plätze Raum bietet», berichtete 1916 die Schweizer Filmzeitschrift. «Der Bau des Lichtspielhauses wird auf dem jetzigen Gartenareal hinter der Eisenhandlung Scheuermann und der Spenglerei Simon Kully errichtet und auf 70- bis 80000 Franken zu stehen kommen. Die nötigen Landkäufe sind bereits erfolgt.» Ein Konsortium um Constantin von Arx, Simon Kully und Joseph Lang vom Monopol-Film-Vertrieb in Zürich baute am Klosterplatz 20 tatsächlich ein grosses Kinematographentheater, das «sich äusserst schmuck präsentiert». Es war Georg Eberhardt, der das neue «Lichtspieltheater» übernahm. Eberhardt war ein Pionier der schweizerischen Kinematographie und der Gründer eines Kino-Imperiums in Aarau. Das Lichtspieltheater «ist seit dem 30. Dezember 1916 eröffnet und erfreut sich besten Zuspruchs. Es ist erfreulich, dass die Programms [!] gleich von Anfang an erstklassig zusammengestellt waren. Im Eröffnungsprogramm wurde [der deutsche Stummfilm von Max Mack] ‹Der Katzensteg› gegeben, und in der zweiten Woche ‹Die Waffen nieder› [nach dem Roman] von Bertha von Suttner. Kein Wunder, dass auch das Theater, wie uns mitgeteilt wurde, stets ausverkauft war», schrieb die Filmzeitschrift. 1924 erwarben Bruno und Kurt Schibli das Cinema Lichtspiel. Kurt Schibli war ursprünglich SBB-Beamter. 1927 stieg Bruno zugunsten von Kurts Gattin Frieda Schibli-Hermann wieder aus.

Das Cinéma Palace

Mit dem Bau der Unterführungstrasse war beim Bifangschulhaus nämlich ein neuer Platz entstanden. Hier baute Constantin von Arx an der Aarauerstrasse 73–75 eine markante Häuserreihe mit dem Restaurant «Drei Tannen» an der Ecke zur Florastrasse, einem Laden und dem Kino «Palace».

Im Mai 1924 war der gelernte Bäcker-Konditor Bruno Schibli von einem Welschlandaufenthalt in Genf nach Olten zurückgekehrt und arbeitete vorerst als Kino-Operateur. Als das neue «Cinéma Palace» Mitte Oktober 1926 eröffnet wurde, konnte es der erst 25-jährige Bruno Schibli mit Hilfe seines Vaters, dem Möbelhändler Alexander Konrad Schibli-Büttiker, übernehmen. Er führte das Kino zusammen mit seiner Gattin Emma Schibli-Wildi während knapp 50 Jahren. Am 3. Februar 1930 brachten die Schiblis einen Brief mit ihrem topmodernen Logo zur Post. Er war adressiert an Frl. Mina Benker, die zusammen mit ihren Schwestern Maria und Marguerite das Mercerie- und Papeterie-Geschäft Au Bon Marché in Les Verrières führte (siehe Abbildung). Der Inhalt des Schreibens ist nicht bekannt. Über Weihnachten 1930 wurde das Kino zum «Tonfilm-Theater Cinéma Palace» umgerüstet: am Freitag, den 26. Dezember 1930, abends Punkt 8 Uhr, war Tonfilm-Première mit der weltberühmten «Tobis»-Apparatur; zur Aufführung gelangte «Der Korvettenkapitän» und die Fox-Wochenschau. «100% Sprache, Gesang und Musik» waren laut Inserat garantiert. Gelegentlich diente das Kino als Variété-Theater, im November1931 gastierten die beiden Wiener Musiker Bob und Berty für einen Jazz- und Schlagerabend.

Bruno Schiblis Söhne Alexander und Peter halfen schon als Jugendliche im Kino mit. Der jüngere von beiden, Peter Schibli-Jäggi, übernahm 1974 das «Palace». 1998 stieg dann dessen ältester Sohn Konrad «Kino-Koni» Schibli in die Firma ein. Anfang 2022 trennte sich Konrad Schibli vom Stammkino, im «Palace» laufen nun indische Filme.

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