«Stress ist Gift für uns Menschen»
Was macht eigentlich? Der Herzspezialist Hugo Saner prägte die Herzmedizin. Nun widmet er sich der Mission, älteren Menschen ein möglichst langes Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen.
Fragt man Hugo Saner, was ihn all die Jahre über antreibt, so hat er gleich eine Antwort parat: «Herausforderungen angehen, diese meistern und dabei Neues erfinden. Das erfüllt mich.» Denn Saner hat einiges erlebt und vieles neu erfunden: Der 74-Jährige lächelt, wenn er in Erinnerung an seine Arbeit schwelgt. In einem Restaurant auf der rechten Stadtseite erzählt er über seine über 25 Jahre Arbeit am Kantonsspital Olten, über die von ihm gegründete Herzstiftung, sein neues Projekt «Strong Age» und seine Zeit am Lehrstuhl an der staatlich medizinischen Universität «IM Sechenov» in Moskau. Erst kürzlich hat er den Lehrstuhl aufgrund des Ukraine-Krieges schweren Herzens aufgegeben, gut drei Wochen ist es her.
Zu Putin durchgedrungen
Als er seine Arbeit in Moskau vor über 20 Jahren aufgenommen hatte, waren die Umstände in Russland noch schwieriger als heute. Denn der Zusammenbruch der Sowjetunion, der Wechsel von Gorbatschow zu Jelzin und der holprige Weg in eine Demokratie, die schlussendlich mit Putin scheiterte, hinterliess Spuren und Löcher im gesellschaftlichen Leben. «Es gab damals keine Sicherheit mehr im alltäglichen Leben, Bürgerinnen und Bürger hatten keinen Zugang zu einer funktionierenden Krankenkasse, die Arztpraxen waren überfüllt, und es fehlte an medizinischer Ausrüstung.» In vielen Landesteilen sei die Zahl der depressiven Frauen und Männer auf Rekordniveau gestiegen, gleich habe es sich mit der Zahl von Alkohol- und Nikotinabhängigen verhalten. Er fügt an: «Man kann sich fast nicht vorstellen, welches Leid da zu dieser Zeit herrschte.» Die durchschnittliche Lebenserwartung sank innert dreier Jahre um mehr als zwölf Jahre.
Die Umstände störten den auf Prävention spezialisierten Herzspezialisten so sehr, dass er sich prompt an den russischen Präsidenten Wladimir Putin wandte. «Ich schrieb in meiner Funktion als Präsident der Europäischen Fachgesellschaft Putin, dass es der Bevölkerung an der wichtigsten medizinischen Infrastruktur und dem nötigsten Wissen über die Gesundheit fehlt und dass grosse Anstrengungen in der Prävention nötig sind», fasst der Starrkirch-Wiler zusammen. Das Schreiben hat gemäss Saner Wirkung gezeigt. Medizinische Fernsehsendungen seien plötzlich gefördert worden und Saner selbst mehrere Male im russischen Fernsehen aufgetreten. Wie es denn möglich war, dass ein Autokrat wie Putin einen Brief eines fremden, ja gar ausländischen Professoren überhaupt öffnete? Saner lacht und erklärt: «Das geht natürlich nicht einfach so. Ich hatte zu einer Person aus dem engeren Kreis der russischen Regierung Kontakt, die den Brief für mich an Putin übergab.»
Ein Macher auf vielen Ebenen
Dass er die Zeit in Moskau nun hinter sich lassen muss, schmerzt ihn. Er habe in Moskau viele Leute kennen gelernt, die sich nach Fortschritt und Demokratie sehnten und mit Putins Handeln nicht einverstanden seien, ihre Meinung aber nicht öffentlich äussern dürften. «Diese Repressionen sind zum einen antidemokratisch, gleichzeitig hat das auch negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger», findet Saner. Sein Wirken in Russland war aber nicht umsonst. Im Gegenteil, Saner leistete Pionierarbeit, wie er selbst sagt. Etwa für Sibirien, wo er zusammen mit besonders talentierten Studierenden Lösungsmöglichkeiten für eine telemedizinische Betreuung suchte und gleichzeitig mit Spezialisten einfache, auf einem Smartphone basierende Geräte entwickelte. Das Tele-System soll es Menschen in abgeschiedenen Landesteilen der Russischen Föderation erlauben, trotz der weiten Distanz zum nächstgelegenen Krankenhaus medizinische Beratung zu erhalten. «Mittels eines Video-Calls können Ärztinnen und Ärzte ihre Patienten untersuchen und sie von extern behandeln», führt Saner aus.
Saner prägte die Medizin nicht nur in fernen Ländern, sondern auch in seiner Heimat. Nach seiner Ausbildung zum Internisten und Kardiologen arbeitete Saner über 20 Jahre lang im Kantonsspital Olten am «Motor des Menschen und des Lebens», wie er das Herz gerne betitelt. Bald darauf gründete er zusammen mit seiner Frau die eigene Praxis an der Florastrasse. Neben der Arbeit in der Praxis baute der in seiner Freizeit leidenschaftliche Fahrradfahrer die erste ambulante Herzrehabilitation der Schweiz in Olten auf. Später folgte der Aufbau der ersten Abteilung für kardiale Prävention und Rehabilitation an einem Universitätsspital in Europa, welche er am Inselspital Bern eröffnete. Damit erlangte Saner weltweite Bekanntheit. Die Gründung der Herzstiftung Olten ermöglichte die Förderung der regionalen Herz-Forschung über 30 Jahre und die Realisierung von laufenden Verbesserungen in der Behandlung von Herzpatienten in der Region.
Stress als Problem unserer Zeit
Auch dass die Feuerwehr in der Region mit Defibrillatoren ausgestattet ist, war vor Saners Intervention nicht selbstverständlich. Auf dieses Problem wurde er aufmerksam, als er in den USA das Gegenteil sah: Feuerwehrleute mit Defibrillatoren ausgerüstet. «Ich trug meine Beobachtungen mit zurück in die Schweiz und begann mich dafür einzusetzen, dass ein Defibrillator unbedingt zu der Ausrüstung einer Feuerwehr gehören sollte. Er ist schliesslich überlebenswichtig», erzählt Saner. So kam es also, dass sämtliche Feuerwehren in der Region mit einer Herznotfallgruppe mit Defibrillator erweitert wurden.
Das wichtigste Projekt, an dem der Herzspezialist trotz seiner Emeritierung weiterhin arbeitet, ist «Strong Age». Saner ist Gründer und Motor dieser Non-Profit-Organisation. 2018 brachte er zusammen mit einer Start-up Firma der EPFL Lausanne ein einfaches Sensorsystem für ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger auf den Markt. Das System durfte er mittlerweile auch schon in der Sendung «10vor10» des Schweizer Fernsehens präsentieren. Einmal im Zuhause einer Seniorin oder eines Senioren installiert, erkennt das System gesundheitliche Probleme frühzeitig und kann dadurch Stürze oder schwere Erkrankungen verhindern. «Bei Unregelmässigkeiten werden auf Wunsch der Nutzer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Spitex, die mit uns zusammenarbeitet, informiert. Sie kontaktieren die betroffene Person unmittelbar und fragen nach, ob Hilfe benötigt wird.» Ins Leben gerufen hat Saner die Idee, um es älter werdenden Menschen zu ermöglichen, länger zuhause zu bleiben. Denn: «Ich beobachte, dass dieser Wunsch immer grösser wird.
Hugo Saner selbst, der seit dem Beginn seiner Karriere viele Ideen kreiert und diverse Visionen umgesetzt hat, wird es mit all seinen Projekten nicht zu viel. Auch nicht in seinem Alter. Stress ist für ihn aber trotzdem ein wichtiges Thema. Denn er beschreibt den Stress als eine der schlimmsten und gefährlichsten Erscheinungen des 21. Jahrhunderts, ja gar als Auslöser für viele Herzprobleme. Aus diesem Grund will er die Menschen mehr auf das Thema sensibilisieren, gibt Vorträge und hilft Strategien zu entwickeln, wie Stress vermieden werden kann. «Dass heute alle ständig erreichbar sein müssen, halte ich für unsinnig», führt er weiter aus. Der Mensch brauche seine Auszeit. Saners Standpunkt ist klar: «Zu viel Stress ist Gift für uns Menschen.»
kurz und knapp
Dieses Buch kann ich wärmstens empfehlen
«Sorge dich nicht – lebe!» von Dale Carnegie. Ich kann den Titel allen empfehlen, die hin und wieder mit stressigen Lebenssituationen zu kämpfen haben.
Auf diesen Gegenstand kann ich nicht verzichten
Das ist definitiv mein Fahrrad. Meine Frau und ich unternehmen regelmässig Reisen mit unseren Fahrrädern. Durch die Bewegung halten wir uns den Stress soweit es geht vom Leib und haben gleichzeitig eine schöne Zeit. Das bringt Ausgleich ins Leben.
An diesem Ort gefällt es mir ausgezeichnet
Es gibt so viele Orte, an denen ich mich gerne aufhalte. Generell überall da, wo ich mich mit Familienangehörigen oder guten Freunden auf ein gutes Bier Glas Wein und ein tolles Gespräch treffe. Es sind mehr die Augenblicke, die mir am Herzen liegen.