Sterbende Dörfer wieder beleben

VLP-ASPAN Am 2. September fand im Stadttheater Olten eine Tagung der Schweizerischen Vereinigung für Landesplanung (VLP-ASPAN) mit dem Titel «Raumplanung ins Dorf bringen» statt. Verdichtung und nachhaltige Entwicklung angesichts des demografischen und klimatischen Wandels wurden als leitende Themen diskutiert.

Am vergangenen Freitag fand im Stadttheater Olten eine Tagung der Schweizerischen Vereinigung für Landesplanung (VLP-ASPAN) mit dem Titel «Raumplanung ins Dorf bringen» statt. (Bild: ZVG)
Am vergangenen Freitag fand im Stadttheater Olten eine Tagung der Schweizerischen Vereinigung für Landesplanung (VLP-ASPAN) mit dem Titel «Raumplanung ins Dorf bringen» statt. (Bild: ZVG)

Die vorgestellten Beispiele ländlicher Siedlungsentwicklung waren sehr divers: Nebst VertreterInnen mittelländischer Gemeinden in Autobahnnähe stellte auch die Gemeindepräsidentin von Hasliberg ihr Konzept für die künftige Gestaltung des wirtschaftlichen, touristischen und sozialen Dorflebens vor.

Ortsbildschutz als Chance erkannt

Ziel der Tagung war es, den dossierverantwortlichen Gemeinderätinnen und Gemeinderäten kleinerer und mittlerer Orte Wege zu einer zukunftsweisenden Siedlungsplanung (vor dem Hintergrund einer dank RPG und Zweitwohnungsinitiative veränderten rechtlichen Landschaft) aufzuzeigen. Entsprechend gemischt war das Publikum, das sich aus zahlreichen Fachpersonen (Architekt/innen, Raumplaner/innen, Ingenieur/innen) und Angehörigen von Politik und Verwaltung zusammensetzte. In ihrem Referat hob die Soziologin Colette Peter (Hochschule Luzern HSLU), mit Blick auf die politische Dimension öffentlicher Bauvorhaben, die Bedeutung partizipativer Prozesse in raumplanerischen Projekten hervor.

«Dorfstrassen wurden ursprünglich nicht für Autos gebaut!»

Als ausländischer Gast war die Wiener Ingenieurin Gerlind Weber, Professorin an der Universität für Bodenkultur Wien, zugegen. In ihrem informativen Vortrag präsentierte sie praktikable Strategien für den Erhalt lebendiger Ortskerne. Insbesondere empfahl sie Massnahmen zur Verkehrsberuhigung und finanzielle Anreize zur gezielten baulichen Verdichtung in Dorfzentren. Eindringlich appellierte sie an die Gemeinden, sogenannte Frequenzbringer wie Schulen, Altersheime und Gesundheitseinrichtungen - entgegen einer die Zersiedelung begünstigende Campus-Idee - wieder in die Ortszentren einzubinden. Auch Freizeitangebote gehörten laut Weber unbedingt in die Mitte des Dorfs und keinesfalls an die Peripherie. Als Beispiele nannte sie autofreie «Spielstrassen» und Gemeinschaftsgärten. Sympathischerweise traten in ihrem Referat vor allem Kinder als Motor einer lebens- und umweltfreundlichen Innenentwicklung dörflicher Gemeinden auf. Mit weiteren innovativen Modellen, die sie «Pixellösungen» nennt (dabei werden zwei an sich branchenfremde Betriebe miteinander verbunden), warb sie dafür, den zentralen öffentlichen Raum gleichzeitig gewerblich und soziokulturell zu bespielen. So erwähnte sie ein siedlungsplanerisches Projekt, bei dem eine Apotheke in einem leerstehenden Gebäudeteil einen Bäcker einquartierte und so dem Dorf die Bäckerei als Begegnungsort erhalten blieb. Klar identifizierte sie früher und zum Teil noch heute begangene Fehler in der Raumplanung: Man müsse endlich vom Bauen auf der «grünen Wiese» wegkommen; Einzonungen seien zu begrenzen, das Bauland zu reduzieren (wie es auch das RPG vorsieht). Die Innenentwicklung mittels bestehender Bauten dürfe nicht länger zugunsten einer (landschafts- und ortsbildschädigenden) Aussenentwicklung vernachlässigt werden. Ein spezielles Gewicht kommt dabei der Verkehrsberuhigung und der Förderung intergenerationeller und nicht-kommerzieller Umnutzungen des vorhandenen Gebäudebestands zu. Zeitgenössische Wohnformen müssten, so Weber, gerade in ländlichen Regionen die veränderten Arbeitsbedingungen (erhöhte Mobilität, Trend zur Selbstständigkeit) berücksichtigen. Ziel sei es daher, Leerstände im Zentrum so umzunutzen, dass «Wohnen und Arbeiten unter einem Dach» mit integrierter Kinderbetreuung und Pflege von Senior/innen kombiniert ermöglicht werde. So könne wieder ein stärkerer sozialer Austausch entstehen. Weber trat mit ihren Forderungen also gleichzeitig als Advokatin kinderfreundlicher Zonen im Dorfkern, einer Orientierung weg vom motorisierten Individualverkehr und einer zentrumsnahen Förderung generationenübergreifender, energiesparender Wohnexperimente auf – und erntete viel Beifall.

Fallbeispiel: «Zukunft Hasliberg»

Ein besonderes Fallbeispiel präsentierte die aus Zürich stammende Gemeindepräsidentin von Hasliberg Sandra Weber (wer sich auf den Haslidialekt gefreut hatte, wurde also enttäuscht, dafür überzeugte Weber mit ihrer zupackenden Art und spannenden Ideen): Am laufenden Projekt «Zukunft Hasliberg» wirkt das ganze Dorf inklusive Schulkinder mit und steuert Anregungen zur Verbesserung der Lebensqualität und zur Unterstützung des lokalen Gewerbes bei. So initiierte die Dorfjugend einen «Meeresstrand» am Hasliberger Baggersee und eine örtliche Holzbaufirma entwickelt ein Generationenhaus, an dem sich auch die regionale Spitex beteiligt. Entstanden ist «Zukunft Hasliberg» als Reaktion auf die Zweitwohnungsinitiative; unterstützt wird das Vorhaben von Expert/innen der HSLU. Etwas kurios nahm sich in diesem vielfältigen und niveauvollen Tagungsprogramm der «Werbeblock» des Volg-Vorsitzenden Ferdinand Hirsig aus, der sein Unternehmen (Teil des Grosskonzerns Fenaco) leutselig als volksnahen Retter des Dorfladens propagierte und in diesem Zusammenhang kräftig Werbung für mehr Parkplätze machte. Dem ansonsten höchst gelungenen, fachlich fundierten Anlass im Stadttheater Olten konnte dieses mit reichlich PR-Folklore durchsetzte Marketing-Intermezzo jedoch glücklicherweise nicht viel anhaben.

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