Siku-Autos im Holzofen geschmolzen

Caspar Klein feiert am längsten Tag des Jahres Geburtstag. Im Gespräch verrät er, warum er seine Möbel selber baut und was die perfekte Konsistenz einer St. Galler Bratwurst ausmacht.

Kinderzeichnungen machen sichtbar, dass er bereits von klein auf gestalterisch tätig ist. Der Dekorationsgestalter und wissenschaftliche Zeichner Caspar Klein schafft mit Details ein Ambiente, mit dem er seine Kunden inspirieren will. (Bild: Sonja F
Kinderzeichnungen machen sichtbar, dass er bereits von klein auf gestalterisch tätig ist. Der Dekorationsgestalter und wissenschaftliche Zeichner Caspar Klein schafft mit Details ein Ambiente, mit dem er seine Kunden inspirieren will. (Bild: Sonja Furter)

Leichtfüssig hüpft das Eichhörnchen von Ast zu Ast. Die Krallen seiner Pfötchen halten eine Haselnuss umklammert. Dann verschwindet das flinke Tier in der hohen Baumkrone. Abgespielt hatte sich diese Szene in den Gedanken von Caspar Klein, während er die ausgestopften Präparate des Naturmuseums Winterthur in seinen Händen hin und her drehte. Der Dekorationsgestalter und wissenschaftliche Zeichner wollte den perfekten Winkel zum Abzeichnen finden. «Im Gegensatz zu einer Fotografie konnte ich beim Zeichnen das Resultat meiner Vorstellung anpassen. Einem grimmig dreinschauenden Eichhörnchen habe ich mit Ölkreide und Aquarell ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.»

Fliegen als Spinnenfutter

Geboren worden ist Klein am längsten Tag des Jahres, dem 21. Juni. Als Kind eines Tiefbautechnikers und einer Sozialpädagogin ist er in der Ostschweiz auf einem alten Bauernhof aufgewachsen. Zwischen den Fenstern des Appenzellerhauses habe er bereits als kleiner Junge Kreuzspinnen gezüchtet. «Für die Fütterung habe ich fette Fliegen eingefangen. Dadurch, dass die Spinne ihre Nahrung nicht selber beschaffen musste, ist sie schnell gross und dick geworden.» Auch sein Sinn für Genauigkeit, Funktionalität und Ästhetik habe sich bereits als kleiner Junge gezeigt. «Wenn das Rad eines meiner blechernen Siku-Autos nicht mehr sauber lief, habe ich das ganze Spielzeug im Holzofen eingeschmolzen.» Wenn einer seiner Klassenkameraden gehänselt worden sei, sei ihm dies immer «wie ein Fehler der Natur» erschienen. «Bis ich eines Tages erkannt habe, dass auch die vermeintlich «Starken» ihre Probleme haben.»

Sauce auf dem Teller

Nach dem Ende der obligatorischen Schulzeit besuchte Klein zuerst den gestalterischen Vorkurs und machte dann ein Praktikum in einer Tagesschule für geistig behinderte Kinder. «Durch diese Arbeitserfahrung habe ich eine gewisse Autorität entwickelt und gelernt, wie wichtig Kommunikation ist.» So habe sich eines der Kinder immer möglichst viel Sauce geschöpft, bis sie über den Tellerrand hinaus überlaufen ist. «Die Problematik hat sich erst gelöst, als ich dem Mädchen angeboten habe, auch den anderen Kindern am Tisch zu schöpfen.» Seine Lehre bei der Migros hat Klein als Zwanzigjähriger angefangen. Mit dem Blick für Details könne ein Dekorationsgestalter ein Ambiente schaffen, auch wenn der Kunde dies nicht bewusst wahrnehme. «Ich möchte die Menschen inspirieren.»

Gebote und Verbote

In seiner Freizeit unternimmt Klein gerne Reisen. Nach Neuseeland, in die USA oder nach Singapur. Viel öfter als in die weite Welt hinaus führen ihn seine Reisen aber nach Europa. «Was die USA in der Landschaft haben, haben wir Europäer in der Kultur. In Griechenland legen sie den Fisch auf den Grill und es schmeckt einfach nur gut.» Er bewahre alle seine Tickets auf, dokumentiere die Tankfüllungen und skizziere jedes Hotelzimmer, erzählt Klein. In Singapur hat er als Reiseerinnerung die Verpackung für einen Einweg-Kaffebecher zeichnerisch festgehalten. «Im Inselstaat gibt es unglaublich viele Regeln, Gebote und Verbote. Mit dem Kaffee in der Hand durfte ich nicht durch die U-Bahn laufen und musste ihn in der Plastiktüte mit mir tragen.»

Schwarze Haut

«Die gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr waren sicherlich ein Grund, warum Olten für meine Partnerin und mich in die engere Auswahl kam», sagt Klein über die Stadt, in der er seit gut zehn Jahren lebt. Allein aus praktischen Gründen wäre er jedoch nicht in die Dreitannenstadt gezogen. «Die Ästhetik der Altstadt hat mich schon beim ersten Besuch angesprochen. Auch das Naturmuseum hat von Anfang an eine Verbindung geschaffen.» An der Dreitannenstadt gefalle ihm besonders, dass die meisten Geschäfte in Fuss- oder zumindest in Fahrradnähe lägen. «Olten macht auf eine gute Art bequem. Wer hier lebt, braucht kein Auto.» Genau wie seine Heimatstadt St. Gallen werde auch Olten oftmals unterschätzt. «Dabei ist wahrscheinlich fast jeder Schweizer schon einmal in seinem Leben durch den Oltner Bahnhof gefahren oder dort umgestiegen.» In der Dreitannenstadt habe er alles, was er brauche, sagt Klein. Einzig die legendäre St.-Galler Bratwurst vermisse er manchmal. «Wenn sie überall ein bisschen schwarz und die Haut an mehreren Stellen aufgeplatzt ist, dann ist die Konsistenz perfekt.»

Der göttliche Kuss

«Ich möchte vieles selber machen», sagt Klein. Die Schnelllebigkeit von Ikea-Möbeln überzeugt ihn nicht. Das Bett, das Sofa, die Tische und das Bücherregal für seine Wohnung habe er darum selber gemacht. «Ein Möbel muss ein Leben lang halten, sonst taugt es nichts». Ein Blick in sein Atelier «kleinillustration» verrät, dass drei Ikea-Lampen über dem Schreibtisch hängen. Darauf angesprochen versichert Klein lachend: «Diese Lichtquellen sind die einzige Ausnahme.» In seiner Wirkungsstätte verbindet er die Fachgebiete Illustration und Dekoration. Sei er in eines seiner Projekte vertieft, entwickle sich oftmals eine Eigendynamik. Feinheiten wie der Aufbau eines Schmetterlingsflügels oder die Schwimmhäute zwischen den Zehen eines Zwergkrallenfrosches übten eine besondere Faszination auf ihn aus. Wenn Klein das fertige Resultat vor sich sehe, könne er oft nicht mehr sagen, wie die Farbe auf das Papier gekommen sei. «Das nenne ich den göttlichen Kuss.» Aber auch das Gegenteil brauche es für den Schaffensprozess. «Diese Verzweiflung, dieses Nicht-weiter-kommen setzt Energien frei.»

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