Sie war «Cathrin die Erste»

Was macht eigentlich? Am 16. September wird die neue Fasnachtssaison mit dem alljährlichen Naarendonner der Gesellschaft ehemaliger Obernaaren Olten (GEO) eingeläutet. Mit dabei ist auch Cathrin Zysset. Als Gründerin der Rätschwyber-Zunft und erste Frau Obernaar prägte sie die Rolle der Frau in der Oltner Fasnachtsszene.

Cathrin Zysset geht es heute ruhiger an. Doch die Oltner Fasnacht besucht sie immer noch kostümiert. (Bild: Cyrill Pürro)

Cathrin Zysset geht es heute ruhiger an. Doch die Oltner Fasnacht besucht sie immer noch kostümiert. (Bild: Cyrill Pürro)

2005 erfüllte sich der Traum, Cathrin Zysset wurde Frau Obernaar. (Bild: ZVG)

2005 erfüllte sich der Traum, Cathrin Zysset wurde Frau Obernaar. (Bild: ZVG)

Fragt man Cathrin Zysset, was sie momentan so macht, lacht sie kurz und sagt: «Ich bin berufslos, aber nicht arbeitslos.» Denn die ehemalige Frau Obernaar im Jahr 2005 ist viel beschäftigt und hat trotz ihrer Pensionierung vor knapp zwei Jahren einen ziemlich vollen Terminkalender. Da wäre beispielsweise der Kunstmarkt auf der Holzbrücke in Olten vom 9. und 10. September, an dem sie ihre Kunstwerke präsentiert. Oder der Weihnachtsmäret in Walterswil Ende November, auf den sie sich bereits vorbereitet. Da verkauft sie ihre durch Handarbeit gefertigten Produkte.

Und auch die Fasnacht nimmt bei Cathrin Zysset noch immer viel Platz in der Agenda ein, auch wenn sie schon seit langem nicht mehr aktiv mitwirkt. Dazu sagt sie: «Ich habe auch in diesem Jahr einen Entwurf für die Oltner Plakettenwettbewerb 2023 abgegeben.» Den hat sie bereits vier Mal gewonnen.

Die Fasnacht im Herzen

So voll wie Zyssets Terminkalender ist auch ihr Lebenslauf. Nach einer abgeschlossenen Lehre zur Damenschneiderin besuchte sie die Kunstgewerbeschule in Basel und übte sich da im Modeentwurf. Nur wenige Jahre später machte sie die Meisterprüfung und eröffnete anschliessend ihr eigenes Atelier. Die Oltnerin befasste sich beruflich nicht nur mit Stoff und Faden, sondern war auch in Gastgewerbe, Verkauf und Büro tätig. Die letzten 20 Jahre ihres Arbeitslebens verbrachte sie in der Beschäftigung «Textil und Ton» mit geistig Schwer- und Mehrfachbehinderten. Beruflich hat Zysset also einiges erlebt. Daneben war die Fasnacht eine grosse Konstante.

Seit Kindesbeinen ist sie dabei, das «Fasnachtsgen» wurde ihr in die Wiege gelegt. «Meine Mutter war eine Aktiv-Fasnächtlerin. So kam es, dass ich schon als junge Frau in eine Guggenmusik aufgenommen wurde und da im Rhythmus, von der Pauke übers Schlagzeug bis zu den Tschinellen, mitspielte», erzählt die Fasnachtsverliebte mit leuchtenden Augen. Und sie wusste schon während ihrer Zeit in der Guggenmusik: «Irgendwann will ich in den Oltner Beizen Schnitzelbänke singen.»

So kam es, dass Cathrin Zysset zusammen mit zwei Freundinnen aus der Guggenmusik im Jahr 1987 den Entschluss fasste, die Rätschwyber-Zunft zu gründen. Ein Jahr später kam es dann auch schon zur Gründung des Vereins. Es war die erste reine Frauenzunft in Olten. Den Entscheid zu treffen, eine eigene Fasnachtsgruppe aufleben zu lassen, sei nicht schwierig gewesen – trotz all der Arbeit, die mit einer Neugründung einhergegangen war. «Ich hatte eben schon da die Fasnacht im Herzen und wollte unbedingt etwas neues für Frauen aufziehen», sagt Zysset dazu.

Doch damit nicht genug. «Für uns war von Anfang an klar, dass wir in das Fasnachts-Umzugskomitee Olten (FUKO) aufgenommen werden wollen», erklärt die gelernte Damenschneiderin. Der Antrag an die FUKO, als Frauenzunft aufgenommen zu werden, habe zu reden gegeben. «Eine reine Frauenclique in der FUKO bedeutet, dass irgendwann auch eine Frau im FUKO-Rat sitzen und es eine Frau Obernaar geben wird», erklärt Zysset. Das war eine Neuheit. Den Posten im FUKO-Rat nahm sie dann schliesslich von 1997 bis 2006 wahr, nachdem sie von 1988 bis 1997 als Zunftmeisterin der Rätschwyber-Zunft fungiert hatte.

Die einzige Frau im FUKO-Rat zu sein – das brauche einen «starken Rücken». Man müsse Sprüche abfedern und sich auch verbal wehren können. Für eine kreative und wortgewandte Fasnächtlerin wie Cathrin Zysset war das aber nie ein Problem. «Ich habe immer gesagt: ‹Ihr könnt gerne Witze reissen, müsst aber damit rechnen, dass ich die gröberen kenne›», sagt sie mit einem Augenzwinkern. Im FUKO-Rat war sie für die Organisation der Fasnachtsanlässe in der Stadt zuständig. Später wechselte sie in den Bereich Presse.

Im Jahr 2005 folgte Zyssets Höhepunkt in ihrer Fasnachtskarriere. Sie wurde zur ersten Frau Obernaar gekürt. «Für mich ging damals ein Traum in Erfüllung. Ich war enorm stolz», beschreibt sie die Gefühle, die sie hatte, als sie auf dem Ildefdonsturm stand und die Proklamation hielt. Ob sie nervös war? «Klar war ich aufgeregt. Es ist schon speziell, wenn man da oben steht und auf die Menschenmasse auf dem Ildefonsplatz blickt. Da sind schliesslich begeisterte Fasnächtlerinnen und Fasnächtler, die etwas von einem erwarten.» Doch nach ein paar gesprochenen Wörtern war die Nervosität verflogen. «Als Obernaar darfst du eben nicht zu grosse Hemmungen haben», fügt Zysset an und lacht.

Nur eine negative Erinnerung nimmt sie aus ihrer Zeit als Frau Obernaar mit. «Ich habe damals schon am vierten Fasnachtstag meine Stimme verloren», erklärt die Pensionierte und lacht verlegen. Also musste sie von da an mit Gebärdensprache kommunizieren. «Das ist schwierig in dieser Position, wenn alle etwas von dir wollen.»

Der Naarenzeit treu geblieben

Als langjähriges Aktivmitglied in der Fasnachtsszene war und ist Cathrin Zysset bis heute eng vernetzt – auch mit anderen Fasnachten in der Schweiz. So reichen ihre fasnächtlichen Verbindungen bis in den Kanton Bern, genauer nach Biel und Lyss und auch bis in die Stadt Basel. Sie stattete auch schon dem Karneval in Venedig einen Besuch ab. «Eine Freundin und ich wollten unbedingt wissen, wie die Fasnacht in Venedig so ist», führt Zysset aus. Also packte sie ihren Koffer mit einem selbstgeschneiderten venezianischen Kleid und reiste mit ihrer Freundin in die «Serenissima». Ihr gefiel sehr gut, wie sehr sich das bunte Treiben in Venedig von dem in der Schweiz unterscheidet. Es sei viel ruhiger und gemässigter. Sie findet: «Die Erfahrung war wunderschön, vor allem wegen der eleganten und prunkvollen Verkleidungen.»

Doch auch für Cathrin Zysset hiess es irgendwann von ihrer Fasnachtskarriere Abschied zu nehmen, die Tage geht sie seit ihrer Pensionierung ruhiger an. An der Fasnacht ist sie nur noch Besucherin, aber immer kostümiert. «Manchmal gehe ich mit Freunden, vielmals aber allein. Nach all den Jahren als Aktive treffe ich schliesslich immer Leute auf der Gasse, die ich kenne», schildert Zysset. Und auch am diesjährigen Naarendonner wird Cathrin wieder anwesend sein – dann, wenn die Saison wieder beginnt, der neue Obernaar seinen ersten offiziellen Auftritt hat und die GEO-Fahne entgegen nehmen kann.

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kurz und knapp

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Ich gehe gerne nach Triest. Ich liebe es an der Adria zu flanieren. Ausserdem ist die Stadt sehr spannend.

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