Rita Ledermann, ein besonderer Gast

Was macht eigentlich? Mehr als vier Jahrzehnte war Rita Ledermann untrennbar mit der Oltner Waadtländerhalle verbunden. Als Gastgeberin stand sie für die traditionelle Beizenkultur. Nun ist sie in Pension und geniesst ihre freie Zeit.

Im Café Grogg kehrt Rita Ledermann gern als Gast ein. (Bild: CAR)
Im Café Grogg kehrt Rita Ledermann gern als Gast ein. (Bild: CAR)

Für das Interview hat sich Rita Ledermann das Café Grogg in der Oltner Altstadt ausgesucht: «Hier darf man noch jassen», sagt die 66-Jährige mit einem etwas nostalgischen Lächeln auf dem Gesicht. In drei Jassgruppen ist sie aktiv, nimmt regelmässig an Jassturnieren teil, und einmal die Woche sitzt sie zusammen mit Jassfreunden im Café Grogg, um die alte Tradition des gemeinsamen Jassens zu bewahren. «Es gibt kaum noch Lokale, wo gejasst werden darf. Die meisten Wirte denken wohl, man verdiene mit Jassern nichts», sagt sie.

Ledermann, von 2002 bis 2022 Gastgeberin und Inhaberin der Waadtländerhalle an der Marktgasse, blickt auf ganz andere Erfahrungen zurück, denn das Jassen gehörte in ihrem «Beizli», wie sie die Waadtländerhalle manchmal nannte, während Jahrzehnten zur Beizenkultur. «Als Wirtin jasste und sang ich auch mit meinen Gästen. Die Waadtländerhalle war schliesslich mein Zuhause und wie eine Familie.»

Bekanntes Gesicht

Bis im vergangenen Herbst war Ledermann das Gesicht des Oltner Traditionslokals, eine Art Mutter und Garantin der heimatlichen Beizenkultur. Nun hat sie ihr Restaurant an den neuen Gastgeber, den «Terminus»-Gründer Kayhan Sabo, übergeben. Auf die Frage, ob sie der neuen Waadtländerhalle ab und an einen Besuch abstatte, lacht sie laut und sagt: «Nein, das wäre keine gute Idee.»

In der Oltner Innerstadt ist Ledermann nach wie vor ein bekanntes Gesicht, und auch im Cefé Grogg ist sie nicht einfach ein gewöhnlicher Gast. Kaum einer, der am Tisch vorbeischlendert, grüsst nicht freundlich oder wechselt ein paar Worte mit ihr.

Ein Leben für die Waadtländerhalle

Ein Inserat in der Glückspost, in dem eine «Serviertochter» gesucht wurde, brachte Ledermann 1978 in die Waadtländerhalle. «Man sagte mir, ich könne sofort anfangen», erinnert sie sich. Anfangs sei das Lokal mehr ein «Spunten» gewesen, ein Ort, wo man sich kannte, sich gegenseitig das Herz ausschüttete, jasste oder auch mal über den Durst trank. «Es war wie eine Familie, und mit der Zeit kannte ich alle Gäste beim Namen. Man war schliesslich mit den meisten per Du.»

In Vordemwald aufgewachsen, machte Ledermann in Zofingen im Restaurant Schwert die Lehre zur Köchin, doch von da an war ihr Leben mit Olten und der Waadtländerhalle verbunden. Der «Spunten» entwickelte sich über die Jahre zu einem begehrten Oltner Restaurant, das aber immer den Charakter einer Beiz beibehielt. «Als der frühere Besitzer aufhörte, hatten alle Angst, dass aus dem Lokal etwas ganz anderes wird, der ursprüngliche Charme verloren geht», erzählt Ledermann. Sie beriet sich mit ihrem Partner und entschied, die Waadtländerhalle zu übernehmen. Während sie als Unternehmerin und Wirtin anpackte, machte ihr Partner die Buchhaltung. Spätestens als Wirtin konnte sie ihr volles Talent beweisen: «Wir waren ja nicht nur Serviceleute, sondern auch Psychiater, Eltern und Freunde, denen man zuhören konnte.»

Dieser Kontakt mit den Menschen, die Geselligkeit, sei ihr Herzblut gewesen, und gerade dies sei etwas, das sie in der heutigen Gastronomie vermisse: «So richtig urchige, traditionelle Beizen gibt es nur noch wenige. Dabei sind gerade sie sehr wertvoll für den sozialen Zusammenhalt.»

Endlich Freizeit

Nach der Coronazeit war für Ledermann aber klar, dass sie aufhören wollte: «Wir hatten während der Zeit, als wir vom Staat Hilfsgelder erhielten, extrem viel gearbeitet. Ich war einfach müde.» Die Botschaft von ihrer Pensionierung hat in der Oltner Beizen-Gemeinschaft für Bedauern gesorgt: «Ich habe unzählige Briefe, Telefonanrufe und Blumen erhalten. Natürlich tut einem das gut, und auch bei mir sind Tränen geflossen.»

Der Entscheid war für sie klar und sie bereut ihn keine Sekunde: «Ich kann jetzt endlich Dinge tun, für die ich vorher schlicht keine Zeit hatte.» Wenn sie nicht gerade mit Freundinnen und Freunden jasst, liest sie gerne Bücher, macht Ausflüge mit ihrem Partner oder geht Tochter und Enkelin besuchen. «Meine Schwester wohnt in Österreich. Ich war jetzt schon zweimal bei ihr. Als ich für die Waadtländerhalle arbeitete, war das kaum möglich.»

Obwohl Ledermann stark in Olten verwurzelt ist, die traditionellen, lokalen Gepflogenheiten schätzt, zieht es sie auch in die Ferne: «Mein grösstes Ziel ist Madagaskar. Dieses Land, seine Fauna und Flora, hat mich immer fasziniert.»

Doch noch einmal...

Auf die Frage, was sie an ihrer Arbeit vermisse, sagt sie: «Die Menschen. Aber zum Glück ist es ja nicht so, dass ich sie nicht mehr sehen darf. Nur kamen früher die Leute zu mir, heute muss ich zu ihnen gehen.» Wenn sie in Olten unterwegs ist, trifft sie immer Menschen, mit denen sie ein Schwätzchen halten kann.

Und an der kommenden Fasnacht wird Rita Ledermmann noch einmal in einem Restaurant anpacken und mithelfen, «aber nicht in der Waadtländerhalle», wie sie lachend sagt. Die «Säli-Zunft» habe sie angefragt, ob sie in der «Spittelschüür» aushelfen möge: «Ich werde dort kochen und am Buffet helfen. Aber nicht die ganze Fasnacht. Ich wüsste gar nicht, ob ich eine volle Arbeitswoche überhaupt noch schaffe.»

 

kurz und knapp

Dieses Buch kann ich wärmstens empfehlen

Krimis von David Baldacci. Das sind Bücher, die ich am liebsten in einem Stück lesen würde. Sackstark.

Auf diesen Gegenstand kann ich nicht verzichten

Meine Jasskarten natürlich. Die brauche ich jede Woche.

An diesem Ort gefällt es mir ausgezeichnet

Auf der Frohburg. Ich geniesse die Ruhe und die Landschaft. Dort kann ich richtig abschalten.

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