Pendler zwischen vielen Welten
Was macht eigentlich? Bruno Colpi sass 33 Jahre lang in der Schulleitung der Kanti Olten. Seit 14 Jahren ist der Edelfan des EHC Olten pensioniert. Aber noch weit entfernt von einem wirklichen Ruhestand.
Mit kurzen, schnellen Schritten eilt er durch die dunklen Gänge, pendelnd zwischen Rektorat und Schulzimmer. Ein wacher Blick, fast immer eine heitere Miene, viel Gelassenheit und Ruhe ausstrahlend. Ganze Schülergenerationen der Kanti Olten kennen ihn so. Bruno Colpi war von 1975 bis 1994 Prorektor, dann bis 2002 Rektor des Gymnasiums, anschliessend bis zur Pensionierung Schuldirektor. Der Mann, das lässt sich guten Gewissens sagen, hat die Kanti geprägt. Vielleicht so sehr wie kein anderer.
2008 ging er in den Ruhestand. Vorzeitig, mit 62 Jahren. Eine Leere im Alltag, das wusste er mit Bestimmtheit, würde sich bei ihm nicht einstellen. Verschiedene Engagements im Bildungsbereich behielt er bei. Er bildet sich weiter, liest und schreibt viel, etwa Tagebücher oder Korrespondenz; 2020 verfasste er das Buch «Mein liebes Griechenland». Mit seiner Frau Edith kann er nun auch endlich wieder einem gemeinsamen Hobby frönen: Opern- und Konzertbesuche. Und zwar längst nicht nur in der Schweiz. «Paris, Berlin, München, Wien, Mailand. Überall dort, wo man mit dem Zug gut hinkommt.» Auch Ausstellungen besuchen die Colpis gerne und oft. Gesundheitlich geht es ihm und seiner Frau noch sehr gut.
Der bald 76-jährige Hägendörfer verbringt seit jeher viel Zeit auf Reisen - mit reichlich Vor- und Nachbereitung. Im Kleinen zieht er gerne mal allein mit einer SBB-Tageskarte los, hängt auf einer ausgedehnten Fahrt durch verschiedene Landesgegenden seinen Gedanken nach und entwirft dabei vielleicht neue Projekte. Und im Grossen unternimmt er –begleitet von seiner Frau – regelmässig Auslandreisen. In «normalen Zeiten», wie er sagt, rund zehn pro Jahr.
Nicht das Reisen allein, sondern auch das Leiten von Reisen ist eine Leidenschaft von ihm. Bis heute führt er regelmässig stattliche Gruppen vornehmlich mit Lehrern, Altphilologen oder Ärzten in verschiedene Länder. So war er nicht nur in Italien oder Griechenland schon als Reiseleiter unterwegs, sondern auch im Libanon, in Syrien oder zweimal im Iran. «Wir haben uns zum Ziel gesetzt, alle Länder rund ums Mittelmeer zu bereisen. Mit Ausnahme Algeriens habe ich das auch geschafft.» Der Altphilologe will primär jene Gegenden besuchen, die einst durch die Römer oder Griechen geprägt wurden.
Da die Schwester seiner Frau seit Jahrzehnten in Kanada lebt, stehen auch immer mal wieder Flüge über den grossen Teich an. Überhaupt ist ihm das Pflegen von Beziehungen zu Verwandten und Bekannten sehr wichtig. Bald wird deswegen auch Washington auf der To-Do-Liste auftauchen – obwohl er nach Trumps Amtsantritt eigentlich nie mehr in die USA reisen wollte. Seine Tochter Barbara Colpi tritt bald die Stelle als USA-Korrespondentin von Radio SRF an.
Colpi, in Trimbach aufgewachsen und bis zur Matura acht Jahre lang im Internat in Sarnen, studierte in Basel und Wien Altgriechisch, Latein, Alte Geschichte und Archäologie. In Basel startete er nach Studienabschluss seine Lehrerlaufbahn. «Wäre ich dortgeblieben, hätte ich mit 40 wahrscheinlich ein Magengeschwür gehabt», blickt er auf die Zeit am Rheinknie zurück. Disziplinarisch hätten zwischen Basel und Olten grosse Unterschiede bestanden. So kehrte er 1974 in die Region Olten zurück und nahm als Latein- und Altgriechischlehrer seinen Schuldienst an der gerade eben fertig gestellten Kanti im Hardwald auf.
1994, nach 19 Jahren in der Schulleitung, reichte er seine Demission ein. Doch statt sich wieder ausschliesslich aufs Unterrichten fokussieren zu können, beknieten ihn seine Lehrerkolleginnen und -kollegen, den Posten als Rektor über die Typen A und B anzutreten. 2002, als im Zuge einer Schulreform ein Schuldirektor gesucht wurde mit Verantwortung über sämtliche Abteilungen der Kanti, wollte er sich erneut zurückziehen. Doch das Lehrerkollegium machte sich wiederum für ihn stark. Ihm scheint das beim Erzählen fast ein wenig peinlich zu sein. «Ich bin an sich kein Sesselkleber. Für mich ist diese Schilderung die Rechtfertigung, wieso ich 33 Jahre in der Schulleitung sass.»
Kritik an jüngsten Entwicklungen
Erste Priorität für ihn hatte stets das Unterrichten. So liess er es sich nicht nehmen, auch als Schuldirektor weiterhin je einer Klasse Latein und Altgriechisch beizubringen, obwohl er das in diesem Amt nicht mehr gemusst hätte. Nur im letzten Amtsjahr beschränkte er sich auf die Schulleitung. Mit einem gewissen Stolz blickt er insbesondere auf die 90er-Jahre zurück, in denen die Kanti Olten schweizweit eine gewisse Pionierrolle gehabt habe. Beispielsweise hätten er und sein Team die Maturaarbeit eingeführt, Evaluationen oder einen «lehrertauglichen» Leistungslohn implementiert. Den jüngsten Entwicklungen im Bildungsbereich kann Colpi hingegen wenig abgewinnen. Er geisselt die grassierende «Expertokratie» im Bildungsbereich und die «Entmündigung» der Lehrpersonen.
Die Bande zu den heutigen Verantwortungsträgern an der Kanti Olten ist nach wie vor eng. «Ich dränge mich nicht auf. Aber wenn ich gefragt werde, bin ich immer dabei», sagt Colpi. Aktuell wirkt er zum Beispiel an der «Kanti-Bau-Geschichte» mit, die im kommenden September erscheinen soll. Die Kontakte zu seinen Nachfolgern wurden in den letzten Jahren wieder intensiviert. Nach seinem Abgang 2008 hatte er zuerst bewusst Distanz gesucht. Das Lehrerzimmer hat er seither kein einziges Mal mehr betreten.
Eishockey- und Fussballfan
Was auch viel Raum einnimmt im Leben des Bruno Colpi: der EHC Olten. Seit 1974 besitzt er eine Saisonkarte auf der Tribüne im Kleinholzstadion. Seine Frau sitzt jeweils neben ihm. Schmunzelnd sagt er: «Ich gehöre dort zum Inventar.» Im Spätsommer kann das Ehepaar Colpi den Saisonstart jeweils kaum erwarten. 48 Jahre lang schon sehen sie Trainer und Spieler kommen und gehen. Und nicht nur das: Die eine oder andere Persönlichkeit lernten die Colpis näher kennen. So sind sie bis heute befreundet mit dem ehemaligen EHCO-Trainer Kent Ruhnke, den sie sogar zweimal in dessen kanadischer Heimat besucht haben. Auch Paul Gagné – einer der Top-Ausländer in den 90er-Jahren – haben sie einmal einen Besuch abgestattet, im Niemandsland 1000 Kilometer nördlich von Toronto.
Überhaupt widerlegt Colpi gleich einige Klischées die man vielleicht von einem Altphilologen hat. Nach der Matura wirkte er zum Beispiel neun Jahre lang als Schiedsrichter auf Solothurner Fussballplätzen. «Das gab einen breiten Rücken.» Und mit seinen beiden Töchtern besuchte er jahrelang jeden Schweizer Cupfinal, oder er reiste mit ihnen auch mal nach Mailand, um im San Siro ein Spiel zu sehen. Und 2013 und 2015 diente er seiner Tochter Barbara als Chauffeur, als diese fürs Schweizer Radio die Tour de France kommentierte.
Und jetzt? Was soll noch kommen im Leben des Bruno Colpi? Spezielle Pläne habe er nicht. Er wolle, sagt er, «den zweiten Teil der Pensionierung ruhiger angehen». Ob es ihm gelingen wird? Im Mai leitet er eine Reise durch Nordgriechenland, im Herbst führt er eine Reisegruppe in der Ägais.
kurz und knapp
Dieses Buch kann ich wärmstens empfehlen
«Der Geruch des Paradieses» der türkischen Autorin Elif Shafak. Shafak beschreibt den Wandel der heutigen Türkei unter Diktator Erdogan von einem multikulturellen Land in die Einseitigkeit Anatoliens sehr treffend.
Auf diesen Gegenstand kann ich nicht verzichten
Ich verbringe oft zehn Stunden pro Tag am Laptop…
An diesem Ort gefällt es mir ausgezeichnet
Auf der Insel Syros in der Ägais. Sie besitzt eine herrliche Kombination von griechischen und italienischen Einflüssen, da sie lange unter venezianischer Herrschaft stand.