«Nicht wirklicher als eine Flocke Schnee»
Olten Im Tee- und Kunstladen «links & rechts» wird heute Donnerstag von 16.30 bis 19 Uhr eine neue Ausstellung eröffnet.
In Olten kennt man die Solothurner Künstlerin Sonya Friedrich nur im kleinen Kreis, nicht so eines ihrer Hauptwerke, die Lindenblüten-Installation am Rand der Empfangszone des Kantonsspitals Olten. Jeden Tag werfen Hunderte von Spitalbesuchern ihren Blick – fast immer mit Wohlgefallen – auf die 118 im Lichthof schwebenden, vergoldeten Lindenblüten. Das vor zehn Jahren geschaffene Werk ist ein seltenes Beispiel für ein zeitgenössisches Kunstwerk, das eine breite Akzeptanz erreicht, ohne Kompromisse an einen oberflächlichen Kunstgeschmack zu machen. In einem Ranking über Oltens beliebteste Kunstwerke dürfte Sonya Friedrich obenauf schwingen.
Wer aber nur die Lindenblüten-Installation kennt, kennt Sonya Friedrich schlecht. Es gibt nur wenige Kunstschaffende, die ein ähnlich breites technisches Spektrum beherrschen. Sonya Friedrich wuchs in Grossaffoltern auf (im Sägemehl, wie sie gern betont). Ihr Vater war Schreiner und weckte in ihr das Interesse für alles Handwerkliche. Ein schönes Zeugnis ihrer Vielseitigkeit war die Raben-Installation, die sie 2020 im vom Kunstmuseum Olten bespielten «Dienstraum» auf Perron 7 des Oltner Hauptbahnhofs zeigen konnte. Selbst gefertigte Möbel schwebten im von lebensgrossen Krähen bevölkerten Raum, die sie aus den verschiedensten Materialien gefertigt hatte.
Nach der Ausbildung zur Werklehrerin am Lehrerseminar Thun begann sie ihre Lehrtätigkeit. Prägend wurde ausserdem eine einjährige Reise durch Indonesien, Thailand, Nepal. Hier lernte sie eine den heutigen westlichen Werten entgegengesetzte Mentalität kennen, die sie bis heute tief beeindruckt.
In den neunziger Jahren beschäftigte sich Sonya Friedrich mit mandelförmigen Keramikhohlkörpern, deren Dünnwandigkeit und Leichtigkeit sie bis an die Grenzen des Möglichen entwickelte. Später schuf sie ungegenständliche Zeichnungen, die schwerelosen Bewegungsspuren gleichen. Dann wandte sie sich dem Glasbild zu, wobei sie Scheiben transparent bedruckte, mit Folien hinterlegte oder lasierend bemalte. Parallel zu diesen Arbeiten, bei denen sie oft eigene Fotos benutzte, entstanden verschiedene dreidimensionale Installationskunstwerke.
Wichtige Stichworte zum Schaffen der Solothurner Künstlerin sind Leichtigkeit, Transparenz, Fragilität und Schweben. Immer wieder kommt ihr tiefes Interesse für die Botanik zum Ausdruck. Ihre Bildsprache bewegt sich zwischen handwerklicher Perfektion und einem verspielt-spontanen Ausdruck. Bezüge zu Schriftstellern und Dichtern wie E.T.A. Hoffmann, Lewis Carroll, Italo Calvino, Antoine de Saint-Exupéry und Wolfgang Hildesheimer haben in Friedrichs Schaffen einen wichtigen Stellenwert. Neben dreidimensionalen Arbeiten wie den jüngst im Schlösschen Vorder-Bleichenberg gezeigten drei Meter hohen «Riesinnen» entstehen fast täglich kleine Zeichnungen. Die Zeichnungen können geheimnisvolle Tagebuchnotizen, Ausdruck einer Stimmung oder Randnotizen zu ihrer Lektüre sein.
Im Tee- & Kunstladen «links & rechts» in Olten stellt sie zum ersten Mal ausschliesslich Zeichnungen aus, 70 an der Zahl, Kleinodien. Klein sind sie tatsächlich. Und Odien ebenfalls: Sie spiegeln auf souverän formulierte Weise Persönlichstes, Wertvollstes. Es lohnt sich, sich in ihre Bilderrätsel unter dem Titel «Nicht wirklicher als eine Flocke Schnee» einzulassen.