Mit dem Wind unterwegs

Thomas Lack beschäftigt sich mit Bildung und Multikulturalität. Im Gespräch verrät der Sekundarlehrer, wie er über Umwege in seine Geburtsstadt zurückgekommen ist.

Der Oltner Thomas Lack unterrichtet heute in jenem Schulzimmer, in dem er selber einst den Unterricht besucht hat. (Bild: S. Furter)
Der Oltner Thomas Lack unterrichtet heute in jenem Schulzimmer, in dem er selber einst den Unterricht besucht hat. (Bild: S. Furter)

Olten hat zwar keinen See, aber den Vorteil, dass es zentral gelegen ist. «Von der Dreitannenstadt aus erreiche ich fünf bis sechs verschiedene Seen in der Region», sagt der passionierte Hobbysegler Thomas Lack. Der 54-Jährige Oltner ist Vater von zwei Söhnen und unterrichtet als Sekundarlehrer Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund.

Liebe im Tessin

In Thomas Lacks Leben gibt es einige Wege und Umwege, die ihn wie ein geschlossener Kreislauf wieder an den Ausgangspunkt zurückgeführt haben. Er ist in einem typischen Oltner Reiheneinfamilienhaus gross geworden. Seit siebzehn Jahren lebt Lack, nach Abstechern ins Tessin sowie in die Gemeinden Oberflachs im Aargau und Niedergösgen, wieder in seiner Heimatstadt. Seine beiden Söhne wurden wie er selbst in der Dreitannenstadt geboren. «Ich schätze extrem an Olten, dass ich zu Fuss zur Arbeit gehen kann. Olten hat einen Dorf-Charakter. Hier fühle ich mich zu Hause und verwurzelt», sagt Lack. Der Stadtkern und die Altstadt böten schöne Plätze wie die Kirche oder die verkehrsfreie Fussgängerzone. Auch die Anbindung an den öffentlichen Verkehr sei ein grosses Plus. «In Olten sein Lebenszentrum zu haben ist ein Privileg.» Lacks Ehefrau ist in Härkingen aufgewachsen, nicht weit von der Dreitannenstadt entfernt. Kennen gelernt haben sich die beiden aber fernab der Deutschschweiz im Tessin. Sie lebte damals als Au-pair in Locarno, er war nach der Lehre als Tiefbauzeichner und anschliessendem Studium als Bauingenieur tätig. Heute hat das Paar den Lebensmittelpunkt wieder bei seinen Wurzeln im Herzen des Mittellandes. Ein weiterer Kreislauf in Lacks Leben ist die Schule. «Ich unterrichte heute als Sekundarlehrer meine Schüler in jenem Schulzimmer, in dem mein Klassenlehrer einst mich unterrichtet hat», schmunzelt er.

Koranverse auf Arabisch

Die Ausbildung zum Pädagogen hat Lack vor über zwanzig Jahren auf dem zweiten Bildungsweg gemacht. Die Tätigkeit als Bauingenieur habe ihm zwar gut gefallen, so der Oltner. «Allerdings hat mir der Umgang mit Menschen und das Kreative gefehlt. Als Lehrer begleite ich nun junge Menschen auf ihrem Lebensweg. Das empfinde ich als sehr sinnstiftend.» Heute wird seine Arbeit um den Faktor Multikulturalität ergänzt. «80 Prozent der Kinder in meiner Klasse sind fremdsprachig.» Herkunftsländer seiner Schüler seien zum Beispiel Afghanistan oder Irak. Die Kinder sind entweder mit ihren Eltern geflüchtet oder als «UMAs», sogenannte unbegleitete minderjährige Asylsuchende, allein in die Schweiz gekommen. «Diese Kinder haben möglicherweise eine Koranschule besucht und gelernt, Verse auf Arabisch zu lesen. Eine klassische Schulbildung fehlt jedoch häufig», stellt Lack fest. Auch seien viele bei ihrer Ankunft in der Schweiz schon jahrelang nicht mehr beschult worden. Chancengleichheit bestünde vielleicht auf dem Papier, aber nicht in der Realität, sagt Lack deshalb und erzählt das Beispiel einer seiner Schülerinnen. «Ihre Devise war immer: Ich muss doppelt so viel machen wie ein Schweizer, um das Gleiche zu erreichen.» Das sei leider eine Realität, die er als Lehrer so bestätigen müsse. «Umso mehr freut es mich, dass sie eine Lehrstelle gefunden hat.»

«Ich bin nichts»

Kulturelle Unterschiede erschienen manchmal banal und seien doch von grosser Wichtigkeit. So sei zum Beispiel gerade das Verständnis von Pünktlichkeit in vielen Kulturen sehr viel flexibler als in der Schweiz. «Zu Hause leben die Kinder in einer anderen Kultur mit einer anderen Sprache, anderen Umgangsformen und Werten und einer anderen Religion.» Wenn die Schülerinnen und Schüler bei Thomas Lack in die Klasse kommen, haben sie schon einige Monate in der «KfF», der Klasse für Fremdsprachige hinter sich und bringen minimale Deutschkenntnisse mit. «Ich staune immer wieder, wie gut gewisse Schüler den Sprung ins kalte Wasser meistern und wie schnell sie die neue Sprache erlernen», sagt Lack anerkennend. Nebst dem Beziehungsaufbau zwischen Lehrer und Schülern sei es besonders wichtig, dem Gefühl «Ich bin nichts» zu begegnen. «Diese Kinder haben oft alles verloren und sind sehr stark entwurzelt. Ich kann ihre Situation zwar nicht ändern, aber ich kann ein Verständnis dafür entwickeln.» Die Migranten würden sich auch gegenseitig unterstützen und helfen, so Lacks Erfahrung. «Sie können besser als ich einschätzen, was es bedeutet, aus dem gewohnten Lebensumfeld gerissen zu werden und in ein fremdes Land zu ziehen.» Die Zeit in der Schule sei deshalb ganz besonders prägend und stelle Weichen für die Integration. Viele Schüler kommen später wieder in der Schule vorbei, um ihrem einstigen Lehrer strahlend den Badge vom Lehrbetrieb zu zeigen. «Sie sind stolz, haben Freude. Diese Erfüllung zu sehen ist schön.» Mit den oft schwierigen Lebensumständen, in welchen sich seine Schülerinnen und Schüler befänden, könne er gut umgehen, so Lack. «Ich empfinde das auch nicht als Belastung, sondern betrachte es als Teil der beruflichen Anforderung.»

Ein Boot übers Handy mieten

Sich selbst beschreibt der Lehrer als Menschen mit einem ruhigen Charakter, als gewissenhaft und pragmatisch. «Ich versuche, Dinge auf einfache Weise anzugehen.» In seiner Freizeit unternimmt Lack Touren mit dem Rennvelo und spielt gerne Volleyball. «Beim Ballspiel treffe ich Freunde aus der Jugend. Durch das Training ist der Freitag ein gesetzter Tag. Wenn der Abend ausfällt, ist das für mich ein Drama», sagt er mit einem Augenzwinkern. Die dritte Leidenschaft ist das Segeln, ein Familienhobby: «Am Sonntag sind meine Frau, meine Söhne und ich oft mit dem Wind unterwegs. Dazu mieten wir ein Boot übers Handy wie andere ein Mobility Auto.»

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