Melancholisches Schlitzohr am Kontrabass

Philipp Galizia Am Mittwoch, 1. März folgt die Fortsetzung der Künstlerstafette im Schwager Theater. Dieses Mal wird der Stab an den Aargauer Musiker, Kabarettisten und Schauspieler Philipp Galizia weitergereicht.

Philipp Galizia versteht es als echter Freiämter mit schwarzem Humor, viel Melancholie und Herz die Zuschauer zu berühren. (Bild: mim)
Philipp Galizia versteht es als echter Freiämter mit schwarzem Humor, viel Melancholie und Herz die Zuschauer zu berühren. (Bild: mim)

Nicht nur in Olten steht die Fasnacht vor der Tür, auch im aargauischen Muri, der Heimat von Philipp Galizia, weisen Plakate auf die eine oder andere Sause hin. Früher, da sei er aktiver Fasnächtler gewesen und auch die ersten Auftritte hätten in fasnächtlichem Rahmen statt-gefunden. Heute überlasse er die fünfte Jahreszeit aber seiner Ehefrau und kümmere sich währenddessen um die beiden Söhne, erzählt der Musiker, Kabarettist und Schauspieler. Ansonsten gebe es aber kaum Parallelen zu Olten. Im Laufe des Gesprächs wird jedoch klar,
dies stimmt nicht wirklich. Schliesslich wurden Galizias CD’s allesamt im Oltner Knapp Verlag produziert, mit seinen Solo-Stücken war er regelmässig im Theaterstudio Olten zu Gast und sein neustes Musik-Erzähltheater «Nachtschatte» erarbeitete er gemeinsam mit dem Oltner Musiker Roman Wyss.

Ein Herz für Clowns

Auf der Bühne zu stehen sei bereits als Kind sein Wunsch gewesen. «Als ich einst den Clown Grock gesehen habe, war es um mich geschehen. Ich wollte Clown werden», erzählt Galizia schmunzelnd, dessen Familie mit italienischen Wurzeln die Schauspielerei und die handwerkliche Tätigkeit im Blut liegt. Clown wurde der Junge aus Muri, der als Kind Geige sowie später E-Gitarre spielte und sich der Punk-Szene zugehörig fühlte, nicht. Galizia erlernte den Beruf des Foto- fachangestellten. Den Kontrabass entdeckte er, als er Bruno Brandenberger in der Ur-Band- formation «Mad Dodo» der Schweizer Sängerin und Schauspielerin Dodo Hug, auf der Bühne spielen sah. «Genau das wollte ich machen», erinnert sich Galizia.

Schwerer Motorradunfall

Galizia steckte noch Mitten in der Ausbildung am Kontrabass bei Brandenberger in Basel, als er 1986 mit dem Motorrad schwer verunglückte. Zuerst im Koma und von einem Schädel- und Kieferbruch gezeichnet, benötigte er ein Jahr für die vollständige Genesung. Aufgrund der nicht mehr vollständig funktionierenden Nervenbahnen wich Galizia kurzfristig auf den E-Bass aus, bis er schliesslich nach einiger Zeit seine beiden Zeigefinger wieder uneingeschränkt benutzen und zum Kontrabass zurückkehren konnte.

Grosses Wirken auf kleinen Bühnen

Im selben Jahr schloss sich Galizia dem Trio «Les Schapoo» an, mit welchem er einige Jahre auf der Bühne stand. 1993 folgte ein Engagement bei der Gruppe «Familie Trüeb» und Auftritte in unzähligen Kleintheatern. «Durch Dodo Hug lernte ich zudem den Regisseur Christoph Marthaler kennen und kam in Kontakt mit dem Theaterschaffen», erzählt der 51-Jährige. Neben zahlreichen kleineren und grösseren Engagements folgte im Jahr 2000 die Zusammenarbeit mit dem «Pfanne- stil Chammer Sexdeet». 2002 erhielt Galizia nach zahlreichen Nominierungen schliesslich mit «Pfannestil» den Kleinkunstpreis «Salzburger Stier» und 2004 den Oltner Kabarett-Preis «Cornichon».

Eigene Ideen umsetzen

«Über eine längere Zeit spielte ich mit dem Gedanken, mein eigenes Solo-Stück auf die Bühne zu bringen. Als ich diese Idee dem Regisseur Adrian Meyer mitteilte, zeigte er sich sogleich dazu bereit, mich im Bereich Text und Regie zu unterstützen. Dies sorgte für Selbstvertrauen und den nötigen Anschub», erinnert sich Galizia. 2002 konnte er mit «Am Seil abelo - eine Totengräber- ballade» Premiere feiern. Darin erzählte der Kabarettist auch ein wenig seine eigene Geschichte, denn schliesslich ist Galizia die Arbeit auf dem Friedhof nicht fremd. «Mein Onkel war Bildhauer und ich ging ihm bereits als Kind regelmässig beim Platzieren der Grabsteine zur Hand, dann musste ich nicht zur Schule», erzählt der 51-Jährige spitzbübisch. Auf «Am Seil abelo» folgte
2005 «Jakob Engel - eine Erscheinung». «Ich hatte die Idee für eine Trilogie. So sollte auf den Toten- gräber und den Engel, der Teufel folgen. Nachdem wir ein halbes Jahr am Stück gearbeitet hatten, mussten wir uns jedoch eingestehen, dass wir mit dem Stoff feststeckten», so Galizia. Aus der Not heraus entstand das Stück «Läufig - ein Hundejahr». «Der Hund heisst Satan, das ist das Einzige, was wir von der Teufel-Geschichte mitgenommen haben», erzählt Galizia schmunzelnd. Auf «Läufig» folgte 2010 «Roti Rösli». Mit dem neusten Musik-Erzähltheater «Nachtschatte» mit Roman Wyss ist Philipp Galizia aktuell noch unterwegs.

Positiver Melancholiker

Wie ein roter Faden zieht sich Galizias unverwechselbarer Erzählstil durch seine Solo-Projekte. Er spielt mit der Langsam- und erzählt mit viel Liebenswürdigkeit sowie schwarzem Humor von meist gescheiterten Existenzen. «Ich bin ein positiver Melancholiker, der traurige Momente sehr zelebrieren kann», schmunzelt Galizia und fügt an: «Dies ist auch bei Clowns zu beobachten. Einerseits sind sie lustig, aber tragen auch eine unheimliche Traurigkeit in sich. Ich denke, es hat vieles mit meinem Motorradunfall zu tun. Danach beschäftigte ich mich stark mit dem Leben, dem Tod und der Vergänglichkeit.»

Gedanken fliegen lassen

Über all die Jahre war Galizia neben seinen verschiedenen Bühnenprojekten zusätzlich hand- werklich tätig. «Ich habe beim Aufbauen von Zelten, als Handlanger in der Kunstschmiede oder bei meinem Onkel als Steinhauer mitgeholfen. Heute bin ich bei zwei verschiedenen Gartenbauern tätig und helfe beim Aufbau von Trockenmauern», erzählt Galizia und fügt an: «Ich bin gerne handwerklich tätig. Die meist rhythmischen Arbeiten helfen dabei, die Gedanken fliegen zu lassen.» So macht er sich im Moment Überlegungen zu einem neuen Solo-Stück. «Ich möchte nicht mehr Erzähler sein, sondern eine Figur spielen. Es schwebt mir ein Stück über die Evolution vor», erzählt Galizia, der kürzlich im SRF-Film «Lotto» zu sehen war. «Im Vergleich zur Bühne ist die Arbeit an einem Spielfilm ein völlig anderes Handwerk. Sehr viel Zeit verbringt man mit Warten und plötzlich muss man auf die Sekunde bereit sein», zeigt Galizia auf. Parat sein, muss er auch am Mittwoch, 1. März wenn er im Schwager Theater zuerst Ausschnitte seines Schaffens zeigt und ihm im Anschluss Slam-Poet Simon Chen auf den Zahn fühlt. Am Samstag, 13. Mai stehen Galizia und Wyss zudem mit «Nachtschatte» auf der Oltner Kabarett-Tage-Bühne.

<link http: www.galizia.ch>www.galizia.ch

 

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