Lustvoll verschiedene Leben leben

Carina Bührer empfindet die Schauspielerei als Spannungsfeld mit besonderem Reiz. Im Gespräch verrät die Primarlehrerin, warum sie in Olten nur selten unter einer Nebel- decke steckt.

«Was wir fürs Menschsein brauchen, lernen wir beim Theater spielen», ist Carina Bührer überzeugt. (Bild: Sonja Furter)
«Was wir fürs Menschsein brauchen, lernen wir beim Theater spielen», ist Carina Bührer überzeugt. (Bild: Sonja Furter)

Manchmal ist Carina Bührer ein Velo, eine Autobahnvignette oder ein Kühlschrank. «Als Laien- schauspielerin stelle ich im Improvisationstheater auch mal Gegenstände dar», sagt die Primar- lehrerin, die vor 18 Jahren aus der Ostschweiz nach Olten gezogen ist. Wenn sie einen Kühl- schrank verkörpere, öffne ihn vielleicht einer der Mitspieler. Dann teile sie ihre Kühlschrank-Gedanken dem Publikum laut mit: «Mann, es wird mega heiss hier drinnen, mach mal die Türe zu.» In andere Rollen zu schlüpfen ist eine Leidenschaft, die Carina Bührer wie keine andere prägt. «Im Leben ist man die Person, die man ist. Im Theater hingegen kann ich verschiedene Leben leben.» Die Schauspielerei sei darum ein Spannungsfeld mit einem besonderen Reiz. Während sie im echten Leben eher zurückhaltend sei, möchte sie auf der Bühne gerne mal die richtig Böse spielen. «Wenn die Leute auf der Strasse nachher denken würden, dass ich eine arrogante Kuh sei, hätte ich meine Rolle gut gespielt», sagt sie lachend und fügt an: «Auf der Bühne sehen die Zuschauer ja nicht mich als Carina, sondern die Figur, die ich verkörpere.»

Impulse aufnehmen

«Selbst wenn nur ein einziger Zuschauer kommt, hat er es verdient, dass ich mein Bestes gebe», erläutert Bührer ihre Haltung beim Auftritt. Da in vielen Stücken vor allem Männerrollen besetzt werden müssen, sagt sie im Scherz: «Im nächsten Leben werde ich als Mann geboren und werde professioneller Schauspieler.» Carina Bührer spielt in verschiedenen Theatergruppen mit. Das Improvisationstheater jedoch bezeichnet sie als ihr Lieblingskind. «Jede Aufführung ist einmalig und damit eine Première und eine Dernière gleichzeitig.» Je nach Szene komme ihr ganzer Körper in Bewegung und sie werde schon einmal laut. «Manchmal halte ich aber auch nur den Kopf mit drei Mitspielern zusammen und setze Mimik und Blicke ein.» Wie der Name «Impro» vermuten lässt, entwickelt sich der Verlauf des Theaters spontan. Regie führt das Publikum mit Themenvor- schlägen. Das biete Impulse, die man aufnehmen und etwas daraus entwickeln könne. Es bedinge aber genauso, eigene Ideen wieder loszulassen und aufzugeben. «Es ist ein Raum nehmen und ein Raum geben.»

Der Postschalter

Sich selbst beschreibt Carina Bührer als optimistischen Menschen, der den Fokus auf das Positive setzt. «Ich bin aufgeschlossen, herzlich, spontan und humorvoll», sagt die Wahl-Oltnerin, der die braunen Haare mit blonder Mèche in gestuften Strähnen ins Gesicht fallen. Für die 58-Jährige ist der Aufenthalt in der Natur Erholung pur, Lesen und Theater spielen Hobbies. Aufgewachsen ist Bührer mit einer dreieinhalb Jahre älteren Schwester im Appenzellerland, wo Mutter und Vater eine Poststelle in Innerrhoden führten. «Meine Eltern waren immer erreichbar für mich. Ich musste nur warten, bis ein Schalter frei war und konnte ihnen dann meine Frage stellen», erinnert sich Büh- rer. Wegen Lebensereignissen wie diesem sagt sie von sich: «Ich bin ein Glückskind. Ich hatte eine behütete Kindheit und habe auf meinem Weg viele tolle Menschen kennen gelernt. Alles in meinem Leben hat einen tieferen Sinn.»

Selbst- und Sozialkompetenz

«Ich habe Kinder, aber die kann ich als Primarlehrerin um 16.00 Uhr wieder abgeben», sagt Bührer lachend über ihren Beruf. Natürlich gebe es als Lehrerin Tage, an denen sie nach der Arbeit fix und fertig sei. «Aber es ist wirklich ein Beruf, den ich gern habe. Ich mochte die Schule damals als Schülerin und auch jetzt als Lehrerin.» Pädagogik sei vielseitig, erfordere Flexibilität und biete ihr die Möglichkeit, Kinder auf ihrem Lebensweg ein Stück weit zu begleiten. «Ich möchte sie anregen, etwas zu entdecken. Und umgekehrt geben die Kinder ja auch mir Gedan- kenanstösse.» Ihr Ziel ist es, mit jeder Klasse theatermässig etwas zu machen, denn: «Was wir fürs Menschsein brauchen, lernen wir beim Theater spielen. Durch den Rollenwechsel werde ich mir bewusst, dass jeder von seinem Standpunkt aus gesehen recht hat.»

Mein Aarestädtchen

Nach Olten ist Bührer der Liebe wegen gekommen. Heute fühlt sie sich in der Dreitannenstadt zu Hause und verwurzelt. «Vor meinem Wegzug hat mir der Schulleiter von Toggenburg einen Bildband geschenkt, den ich im Oltner Nebel dann anschauen könne», erinnert sie sich schmun- zelnd. Doch als sie in der Dreitannenstadt angekommen sei, habe es gar nicht so viel Nebel gehabt. «Und wenn mir doch mal die Nebeldecke auf den Kopf fällt, muss ich halt etwas dagegen machen und einen Ausflug unternehmen.» Gegenüber kritischen Stimmen verteidige sie die Dreitannenstadt auch. «Und ich sage: Hey, Olten gehört zum Kanton Solothurn und nicht zum Aargau.» Hier in Olten wohne sie quasi auf dem Land mitten in der Stadt. «Immer, wenn ich im Schöngrund bin, spüre ich innerlich: Hier gehöre ich hin.» Olten war auch der Ort, wo ein Inserat sie ins Schwager Theater und in die Ausbildung zur Laienschauspielerin führte. «Olten verdanke ich viel. Es ist eine herzige Stadt mit vielen Möglichkeiten. Es ist mein kleines Städtchen an der Aare.»

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