Komme, was Wolle!

Lalita Wild Anfang März eröffnete Lalita Wild am Klosterplatz in Olten ihren zweiten Wollladen. Die ­Wolle ist in der «Nadel­wärkstatt» aber Neben­sache.

Lalita Wild in der «Nadelwärkstatt», ihrem neuen Wollladen am Klosterplatz 7 in Olten. (Bild: Franz Beidler)
Lalita Wild in der «Nadelwärkstatt», ihrem neuen Wollladen am Klosterplatz 7 in Olten. (Bild: Franz Beidler)

Ihr Laden sei eigentlich ein Umschlagplatz, sagt Lalita Wild. «Deshalb ist dieser Tisch so wichtig», sagt sie und tippt auf die Tischplatte vor sich. Der hölzerne Tisch steht in der hinteren Ecke in Wilds «Nadelwärkstatt» am Klosterplatz 7 in Olten. Anfang März eröffnete die 48-Jährige hier einen Wollladen. Ein weisses Regal voller bunter Wollknäuel trennt den Raum. Dahinter ist der Tisch von Blicken durch das grosse Schaufenster geschützt.

An diesem Tisch will sie Stricktreffs und -kurse durchführen, sobald das die Coronamassnahmen wieder zulassen. «Dann sitzen wir zusammen und stricken und daneben geht es zu und her wie in einer Beiz», sprudelt es aus Wild heraus. «Die Wolle ist nebensächlich», winkt sie ab. Wie eine Beiz sei ihr Laden eben auch ein Umschlagplatz für Ideen. «Zum Beispiel wenn jemand auf der Suche ist nach einem Auto, dann weiss jemand anderes vielleicht etwas.» Natürlich würden auch Strickmuster ausgetauscht und sich gegenseitig geholfen. Ausserdem mime sie gerne den Barkeeper: «Die Leute kommen und laden ab.» Wild mag Lebensgeschichten.

So, wie es sich Wild in der Oltner «Nadelwärkstatt» wünscht, geht es schon im Aargauischen Unterentfelden zu und her. Dort nämlich steht der erste ihrer inzwischen eben zwei Wollläden. «Jenen in Unterentfelden übernahm ich im Januar 2020», erzählt Wild, die zuvor bereits drei Jahre dort tätig gewesen war. «Und zwei Monate später kam der Lockdown», hängt sie an und klatscht die Hand an die Stirn. Sie wolle sich gar nicht vorstellen, wie viel sie wegen Corona verloren habe. «All die Stunden mit Treffen, Kursen und Begegnungen.» Sie liebe, was sie tue, sagt Wild. «Ich bin einer jener Menschen, die sich auf den Montag freuen.»

Vom Kurs zum Treffpunkt

Nach Unterentfelden kam Wild wegen eines Inserats. «Die damalige Ladenbesitzerin suchte eine Kursleiterin für Strickkurse», erzählt Wild. «Im Herz stimmts», seien die Worte der Ladenbesitzerin beim ersten Treffen gewesen. «Dazu legte sie ihre Hand auf die Brust», erzählt Wild. Diese Geste habe sie überzeugt. So begann sie, einmal pro Woche einen abendlichen Strickkurs zu geben. Und jeden Monat organisierte Wild einen Stricktreff. Bald wurden es mehr. «Wir wurden zu einem Treffpunkt in Unterentfelden.»

Längst hatte da Stricken Wilds Leben geprägt. «Als Kind strickte ich meiner Puppe Hüte», erinnert sie sich. Den ersten Teil ihrer Kindheit verbrachte Wild in Ecuador. Ihrem Vater, einem Appenzeller, und ihrer Mutter, einer Thailänderin, wurde das Appenzellerland zu eng. Als Wild mit neun Jahren in die Schweiz kam, verstand sie kein Wort Deutsch. «Ich lernte die Sprache innerhalb eines halben Jahres», erzählt sie in breitem St. Gallerdialekt.​

In der Primarschule in Goldach, wo Wild nun aufwuchs, traf sie auf Fräulein Gubser, ihre Handarbeitslehrerin. Wild liebte das Fach: Nähen, Stricken und Häkeln, «einfach alles, was mit Wolle und Nadel zu tun hat.» Fräulein Gubser aber war sehr streng. «Wenn etwas nicht perfekt war, machte sie es wieder auf», erinnert sich Wild. Da habe sie richtig zu stricken gelernt. «Jede Masche, die ich stricke, kann ich wegen ihr», ist sie überzeugt.

In die USA und zurück

«In der Oberstufe nahm mir die Handarbeitslehrerin die Freude an der Handarbeit», berichtet Wild. So entschied sie sich für das Gymnasium. «In jugendlichem Leichtsinn schmiss ich dann die Matura hin.» Stattdessen ging Wild in die USA. Nach wenigen Jahren kehrte sie in die Schweiz zurück, geschieden und als alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Söhnen. Da war sie knapp Mitte Zwanzig. «Ich brauchte einen Job», erzählt Wild achselzuckend. Schliesslich begann sie an der Migros Klubschule Deutsch zu unterrichten.

Vor zehn Jahren krempelte Wild ihr Leben erneut um. Sie war nochmals Mutter geworden. «Ich sass auf meinem Schaukelstuhl und strickte», erinnert sie sich. Da kam ihr der Gedanke: «Ein Wollladen, das wärs.» Sie kündigte ihren Job und reiste mit ihrer kleinen Tochter durch Ecuador und die USA. «Das war ein Wendepunkt.» Auch Fräulein Gubser besuchte Wild. «Sie trug noch immer die gleiche Frisur und unterrichtete im gleichen Schulzimmer, nach 28 Jahren.» Wild zeigte ihrer Handarbeitslehrerin eine Decke, die sie für ihre Tochter gestrickt hatte. «Fräulein Gubser meinte, ich hätte in der Mitte die Nadel wechseln müssen, damit das Muster nicht schräg geworden wäre.» Wild lacht herzhaft. Den erträumten Wollladen sollte sie schliesslich eben per Inserat in Unterentfelden finden.

Den Laden in Olten eröffnete Wild wegen ihrer Mitarbeiterin in Unterentfelden. «Sie wollte kündigen, weil sie mit der wenigen Arbeit nicht über die Runden kam. Mit zwei Läden haben wir nun genug zu tun.» Ausserdem sei ihr der Oltner Vermieter von Beginn weg sympathisch gewesen. Schlaflose Nächte bereite ihr einzig die Befürchtung, jemandem die falsche Wolle verkauft oder das falsche Muster empfohlen zu haben. «Ich will etwas verkaufen, von dem die Leute etwas haben.»

Nun freue sie sich darauf, in Olten Fuss zu fassen und sich zu vernetzen. Sobald sie darf, will sie am Tisch in der Ecke mit Kursen und Treffs starten. «Und vielleicht bringe ich mal ein Buch heraus, mit all den Geschichten aus der «Nadelwärkstatt».»

www.nadelwaerkstatt.ch

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