Kein Kaffee aus dem Plastikbecher

Peter Flückiger ist gerne nachts unterwegs und erlebt die Dunkelheit als Gegenwelt zum Tag. Im Interview spricht er über die Heimatverbundenheit mit der Stadt Olten und verrät, wieso ihn sein Lebensweg via Brockenstube ins Museum geführt hat.

Er ist Jäger, Sammler, Biologe, Wanderer und Familienmensch. Peter Flückiger hat seine Faszination für die Natur zum Beruf gemacht. (Bild: S. Furter)
Er ist Jäger, Sammler, Biologe, Wanderer und Familienmensch. Peter Flückiger hat seine Faszination für die Natur zum Beruf gemacht. (Bild: S. Furter)

Den Moment X gab es im Leben von Peter Flückiger nicht. «Ich interessiere mich für Tiere und Pflanzen, seit ich denken kann», sagt der heutige Leiter des Naturmuseums Olten. Als kleiner Bube hat er den bekannten Vogelkundler Ernst Heim auf eine Exkursion begleiten dürfen. Wiedehopfe sollten an ihrer Bruthöhle in einem Kirschbaum fotografisch festgehalten werden.
«Ich habe jeden Vogel gezählt, der an unserem Versteck vorbeigeflogen ist. Zwei, drei vier, fünf. Bis der Ornithologe mir erklärt hat, dass es immer die beiden gleichen Vögel sind, die hin und her fliegen», erzählt Flückiger lachend. Als Bub verbrachte er seine Freizeit am liebsten im Bannwald, wo er Tiere beobachtete oder als Indianer «flinkes Wiesel» durch die Wälder streifte. Wenn er als Sprössling gefragt worden sei, was er später einmal werden wolle, habe er ohne zu zögern mit «Förster» geantwortet. «Ich war gerne im Wald und Förster schien mir dafür der richtige Beruf zu sein.»

Pädagoge im Brocki

Nach der obligatorischen Schulzeit absolvierte Flückiger dann aber die Ausbildung zum Primarlehrer. «Ich komme aus einer Lehrerfamilie und bin genetisch vielleicht vorbelastet», erzählt der 59-Jährige schmunzelnd. Das Vermitteln von Wissen und die «didaktische Reduktion auf das Wesentliche» gefallen ihm auch heute noch. Nach der Ausbildung zum Pädagogen führte ihn sein Lebensweg aber nicht ins Schulzimmer, sondern in die Brockenstube. Als Angestellter der «Brocki» kurvte er mit einem Opel Blitz durch die Strassen der Region Olten, holte Gegenstände ab oder räumte Wohnungen. Dabei kam er mit verschiedenen Menschen in Kontakt und wurde mit zum Teil tragischen Lebensumständen konfrontiert. In einer völlig überstellten Wohnung standen auf dem WC-Deckel Schnapsflaschen herum. Leere, halbvolle und volle. «Es war das erste Mal, dass ich den Haushalt eines Messies gesehen habe. Das hat mir die Augen geöffnet für Realitäten in unserer Gesellschaft.» Nach dem Abstecher in die Brockenstube wurde aus Flückigers Faszination für die Natur dann doch noch der Beruf. An der Universität Zürich studierte er Biologie, an der Universität Basel erlangte er später den Doktortitel. Als freischaffender Biologe war er unter anderem als Fledermausschutzexperte des Kantons Solothurn tätig, bevor er vor 21 Jahren Leiter des Naturmuseums Olten wurde.

Ein guter Kompromiss

«Hier bin ich geboren, aufgewachsen und geblieben», sagt Flückiger über die Dreitannenstadt, in der er als Jüngster von vier Kindern das Licht der Welt erblickt hat. Es möge vielleicht etwas antiquiert klingen, aber er fühle sich mit der Stadt Olten und dem Kanton Solothurn «heimatverbunden.» «Als Zwanzigjähriger bin ich zwar von der linken auf die rechte Aareseite umgezogen. Aber Olten bleibt Olten, ob rechts oder links der Aare.» Olten sei landschaftlich reizvoll durch die Aare, den Jura und das Mittelland in unmittelbarer Nähe. Durch seine Grösse sei Olten nicht so anonym wie eine Grossstadt, anderseits lebe es sich hier privater als in einem Dorf und man könne von der guten Infrastruktur profitieren. «Ein guter Kompromiss und eine gute Mischung. Ich lebe gerne hier.»

Der Wandel im Kleinen

Sich selbst beschreibt der Biologe als offen und kommunikativ. Gerne wechselt er auch mit Unbekannten spontan ein paar Worte. Mit seiner Ehefrau, die er seit fast dreissig Jahren kennt, hat er eine gemeinsame Tochter. «Die Familie ist mir sehr wichtig, sie hat einen hohen Stellenwert.» Nebst seiner Tätigkeit im Museum präsidiert Flückiger die Naturforschende Gesellschaft des Kantons Solothurn. Zum Thema Klimawandel, Umweltverschmutzung und Artensterben sagt er: «Als Einzelner kann man die Welt zwar nicht retten, aber durch persönliches Handeln lässt sich im Kleinen doch etwas bewirken. Die Alternative wäre Resignation.» Flückiger nimmt einen Schluck Kaffee aus dem «naturesse»-Becher. Ein Geschirr der Natur. Darauf angesprochen meint er: «Natürlich habe ich keine Plastikbecher in meinem Büro. Wie gesagt muss der Wandel im Kleinen anfangen.» Darum sei er auch überzeugt, dass Kindern die Möglichkeit geboten werden solle, die Natur durch Anschauen und Staunen zu entdecken. «Ich weiss von mir selber, wie bedeutsam Erlebnisse und Beobachtungen für das spätere Leben sein können.»

Die Gegenwelt zum Tag

«Ich bin ein passionierter Jäger und habe Freude an Hege und Jagd sowie an den vielen Beobachtungsmöglichkeiten in Feld, Wald und Flur. Als Jäger und Biologe bin ich manchmal auch nachts draussen unterwegs.» Die Anpassungsfähigkeit verschiedener Tierarten an die Dunkelheit fasziniere ihn. «Die Nacht ist eine Gegenwelt zum Tag. Sie ist frei von der Hektik des Alltags. Vieles ist reduziert. Auf den für uns so wichtigen Sehsinn können wir Menschen uns plötzlich nicht mehr primär verlassen.» Feinheiten bekämen dadurch eine andere Bedeutung. «Im Schein des Mondlichts kann ich dem Schreien der Waldkäuze lauschen oder das Wintersternbild des Orion bewundern.»

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