Kein Brot ist hart

Unvergessen Stephan Fröhlicher lebte von der Musik. Dann brach die Coronapandemie aus und machte ihn zum Bäcker.

Stephan Fröhlicher in seiner Backstube im Lokal «Literatur&Bühne Olten». (Bild: FB)
Stephan Fröhlicher in seiner Backstube im Lokal «Literatur&Bühne Olten». (Bild: FB)

Stephan Fröhlicher ist professioneller Trompeter. Vor der Coronapandemie spielte der heute 34-jährige Oltner gegen hundert Konzerte im Jahr. Damit bestritt er seinen Lebensunterhalt. Daneben arbeitete er als Lehrer für Musiktheorie an der Oltner Agostini Drum School und leitete die Big Band Olten. Als zu Beginn des Jahres 2020 die Coronapandemie ausbrach, veränderte sich Fröhlichers Leben auf einen Schlag: Die Konzerte fielen weg, und wenigstens zu Beginn der Pandemie auch die Arbeit als Musiklehrer. So begann Fröhlicher Brot zu backen.

«Vor Corona war ich sehr viel unterwegs. Ich war zum Beispiel bei Musical-Produktionen in Zürich dabei, zuerst drei Wochen Proben, dann fünf Aufführungen pro Woche. Dann hast du schnell 40 bis 60 Aufführungen. Mit der einen Band «Molotow Brass Orkestar» hatten wir in guten Jahren 30 bis 40 Auftritte, schon nur mit dieser einen Band.

Dann fiel plötzlich alles weg. Das war recht krass, am Abend bist du einfach zuhause. Das war ich mir nicht gewohnt. In der Regel war ich nach fünf Uhr nicht mehr da und kam erst um elf oder zwölf Uhr zurück.

Das war schon recht strub, ich hatte einfach nichts mehr zu tun. Kein Ziel mehr. Wofür übte ich jetzt? Ich fragte mich: Will ich jetzt die Trompete in die Finger nehmen, nur dafür, dass ich dann eh keinen Auftritt habe? Und auch nicht weiss, wann ich wieder auftreten darf?

Kurz darauf zog ich zur Freundin in die Rötzmatt. Wir begannen zu kochen, was man so machte mit der vielen Zeit, lange Abendspaziergänge. Eines Tages fanden wir, komm, jetzt machen wir mal selber ein Brot. Brotrezept googeln, etwas Teig mischen, drei Stunden später war das Brot auf dem Tisch. So fing das an, mit wirklich einfachen Broten. Im ersten Moment war das Beschäftigungstherapie. Da war noch nicht viel Leidenschaft dabei.

Vorher hatte ich etwa alle Schaltjahre ein Brot gebacken. Eine Kollegin hatte mir vor Jahren ein Brotbackbuch geschenkt. Ich hatte das damals zur Kenntnis genommen: Ok, vielen Dank Dir – und dann ging das Buch in den Schrank.

Ich glaube das war ein Samstagmorgen im Mai 2020, als ich dieses Buch in die Finger nahm. Ich sass am Küchentisch, trank einen Kaffee. Und dann hatte ich einen Geistesblitz: Dieses Buch, jetzt muss ich es hervorholen. Ich hatte Zeit und begann zu blättern. Da hat es mich gepackt und ich begann nach den Anleitungen Brot zu backen. Die ersten Rezepte befolgte ich ganz strikt.

Dann begann ich im Internet zu sondieren und traf auf alle diese Hobbybäcker und Sauerteigfritzen. Ich wusste doch nicht, was Sauerteig ist. Ich hatte keine Ahnung.

Schon bald setzte auch ich meinen ersten Sauerteig an. Am Anfang backte ich nur so viel, dass wir es noch selber essen konnten. Aber dann willst du dieses und jenes Rezept ausprobieren. Dann verteilst du irgendwann Brot an Eltern, Schwiegereltern und den Nachbarn. Dann waren es vielleicht drei, vier Brote pro Woche. Damals backte ich noch einzelne Brote, nur ein Brot im Ofen, das kann ich mir inzwischen nicht mehr vorstellen. Also für ein einziges Brot heizt du doch den Ofen nicht auf! Da wusste ich aber noch nicht wirklich, wofür ich das eigentlich mache, einfach zum Spass, weil’s cool ist. Aber ich war immer noch im Corona-Wartemodus.

Dann ging in der Wohnung der Ofen kaputt und wurde ersetzt. Der neue Ofen brachte die Temperatur nicht mehr hin. Du brauchst so 250 Grad. Das gab den Ausschlag, dass ich mir einen neuen Ofen kaufte.

Ich suchte nach Öfen mit 230-Volt-Anschluss, damit ich nicht noch Starkstrom brauche. Ich fand dann einen, das muss wohl nach dem Sommer gewesen sein. Wir wohnten im Parterre und ich stellte meinen Ofen in den Keller, dort hatte es Platz. Eigentlich war das ein Pizzaofen. Da gehen vier Brote rein. Dann machte ich jeweils einen Teig, vier Brote, und dann ging eines an den Nachbarn, eines zu den Schwiegereltern, eines an die Eltern und eines war für uns. So in dem Stil.

Bald wussten Kollegen und Nachbarn, dass ich ab und zu backe und sie dann jeweils ein Brot kriegen. Irgendwann drückte mir jemand einen Fünfliber in die Finger mit der Begründung, das sei ja auch Aufwand, was ich da betreibe.

Im Dezember 2020 machte ich dann eine erste Aktion: Adventsbrote auf Bestellung. Da konnte man sich anmelden und ich machte jeden Adventssonntag ein Überraschungsbrot. Die Leute bezahlten so viel, wie sie mochten.

Ich wollte maximal zwölf Brote pro Sonntag machen, denn im Ofen ist nur Platz für vier Laibe. Einfach drei Backgänge, gibt zwölf Brote. Ich stand jeweils am Sonntagmorgen um etwa fünf Uhr auf und backte. Da merkte ich, dass mir das schon gut gefiel. Dann bestellte ein Kollege eines Sonntags sieben Brote, um sie bei Bekannten zu verteilen. Da war ich erst einmal völlig überrumpelt. Ich musste nun zwanzig Brote machen anstatt nur zwölf. Das war dann eigentlich das erste Mal, dass ich meine Brote auch unter mehr Leute brachte.

Im neuen Jahr liess ich das Brotbacken dann lange vor sich hinserbeln. Ich wartete. Ich hoffte halt immer noch, dass es mit der Musik weitergeht, und backte einfach weiter.

Im April bewarb ich mich dann bei einer Bäckerin, die Quereinsteiger suchte. Ich dachte, das wäre cool, dann wäre ich dort angestellt und hätte wieder ein konkretes Ziel. Für das Bewerbungsgespräch hatte ich extra Brote gebacken, schön vorbereitet, alles parat. Dann sagte sie mir ab. Da war ich zuerst richtig stinksauer. Also sagte ich mir: Wenn du mich nicht willst, dann mache ich das jetzt selber. Das war der Moment, als ich entschied, es zu wagen und einfach wirklich mal jeden Freitag auf Bestellung Brote zu backen. Das war der Beginn vom «Füfibrot» – eigentlich eine Trotzreaktion. «Füfibrot» heisst es, weil es um fünf Uhr abends ofenfrisches Brot gibt. Morgens um drei Uhr aufstehen, um dann um sieben Uhr frisches Brot anbieten zu können, das geht nicht für mich.

Ich liess ein Logo machen von einem Kollegen. Und meine Freundin half mir mit der Homepage. Da war das dann zum ersten Mal so, dass die Leute bestellten, und dann machte ich Brot. Ich machte mich auf die Suche nach einem neuen Ofen, denn mir war klar, dass ich mit dem Pizzaofen bald nicht mehr zurechtkommen würde.

Ende April zogen wir gemeinsam um, ins Bornfeld. Im Parterre in der Rötzmatt hatte ich das Brot zum Fenster hinaus verkaufen können. Im Bornfeld sind wir jetzt im dritten Stock. Da mussten die Leute hoch in die Wohnung kommen. Nach zwei Wochen war mir das zu viel. Daraufhin konnte ich das Brot vor der Schützi verkaufen, manchmal grad aus dem Auto heraus.

Im Sommer erzählte mir Thomas Knapp, er plane da was an der Leberngasse, «Literatur&Bühne Olten». Er fragte mich, ob ich denn meine Backstube nicht dahin verlegen möchte. Da fand ich, das machen wir so. Für mich ist das natürlich der Hammer.

Jetzt backe ich zweimal die Woche. Immer dienstags und freitags verkaufe ich mein Brot, jeweils zwischen vierzig und fünfzig Stück. Seit Ende Oktober gibt es meine Brote auch im Oltner Laden «Marktecke». Jetzt will ich die Kapazität erhöhen. Mit dem neuen Ofen bringe ich achtzehn Brote aufs Mal rein. Dann dürfen es von mir aus auch gegen hundert Brote pro Backtag werden. Jetzt habe ich schon die Idee, dass das grösser werden darf. Ich überlege mir, eine Einzelfirma zu gründen, einfach damit alles geregelt ist. Inzwischen kam auch der Lebensmittelkontrolleur vorbei, um mich zu beraten. Es nimmt langsam Formen an, wo man sagen muss, dass es wohl nicht mehr nur ein Hobby ist.

Die Musik wird bestimmt wieder zurückkommen. Bis dahin bin ich mal Bäcker. Wer weiss, wo das noch alles hinführt.»

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