«Keep smiling»

Unvergessen Zusammen mit Ehemann Mike gewann Brigitte Skrodzki acht Schweizer Meistertitel in Folge im Paartanz.

Brigitte und Mike Skrodzki tanzen an ihrer letzten Schweizermeisterschaft 1986. (Bilder: ZVG/FB)
Brigitte und Mike Skrodzki tanzen an ihrer letzten Schweizermeisterschaft 1986. (Bilder: ZVG/FB)

Brigitte Skrodzki kam 1966 als 27-Jährige zusammen mit Ehemann Mike und den gemeinsamen Kindern, einem Sohn und einer Tochter, aus Hannover nach ­Däniken.

«Ich und mein Ehemann haben relativ spät mit dem Tanzen angefangen. Wir suchten krampfhaft nach einem Hobby, um uns von einem schweren Schicksalsschlag in der Familie abzulenken. 1970 haben wir unseren Sohn verloren. Das war grauenhaft, da mussten wir irgendetwas machen. Mein Mann hatte etwas Ablenkung durch seinen Beruf, aber ich sass zuhause und das ging einfach nicht, ich wäre durchgedreht. Da haben wir überlegt, was wir zusammen machen könnten. Unser Motto war immer schon: Wir machen alles miteinander, keiner macht etwas alleine. Da kamen wir auf Paartanz. Das war die beste Medizin, wenn ich jetzt zurückdenke. Die körperliche Bewegung zur Musik hat dermassen abgelenkt, wie auch die Leute drumherum und die Reisen an die Turniere. Dadurch waren wir natürlich auch sehr angestachelt, wir wollten trainieren wie verrückt, um Erfolg zu haben. Denn umso besser war die Ablenkung. Und um auch einen Sport zu machen, der sich draussen abspielt, begannen wir mit Bergtouren. Da bekamen wir eine gute Kondition. Wenn ich danach ins Training auf die Tanzfläche kam, war alles federleicht.

Wir trainierten im Tanzklub in Baden. Unsere Tochter nahmen wir mit und sie machte dort ihre Hausaufgaben. Über die Jahre hatten wir immer Trainer aus London, Weltspitzentrainer. Die musste man haben. Nur mit Schweizer Trainern wäre man nicht weit gekommen. Man musste Trainer aus England haben, England war immer das A und O im Tanzsport. Dann kamen die einmal im Monat, das brachte viel.

Paartanz ist ein teurer Sport, man bezahlt ja alles selber. Da gibts keine Unterstützung oder Sponsoren. Und natürlich die Tanzkleidung. Den Frack für den Herrn, den bestellten wir in Österreich, da gab es eine spezialisierte Firma. Meine Kleider entwarf ich selber. Eine Schneiderin, auf Tanzkleider spezialisiert, nähte sie dann. Ich wusste immer genau, was ich schön finde. Die Stoffe, Pailletten und Spitzen kamen alle aus England. An einem Turnier in Bremen wurde mein Kleid mal zum besten Kleid des Turniers gewählt. Zu jeder Schweizer Meisterschaft war natürlich ein neues Kleid fällig, immer etwas Neues.

Zwei Jahre lang tanzten wir noch in der Juniorenklasse bis 35 Jahre und wurden gleich Vize-Schweizermeister und qualifizierten uns so für die Europa- und Weltmeisterschaften. Als es hiess, wir dürften an die Weltmeisterschaft nach Bremen 1974, war die Aufregung natürlich gross. Ich hatte einen riesigen schwarzen Plastikbeutel, etwa eineinhalb Meter Durchmesser. Darin transportierte ich meinen Tanzrock, einen Tüllrock. Der musste richtig herausstehen und durfte nicht zerknüllt sein. Das war damals halt einfach Mode.

An einem anderen Turnier in Düsseldorf fuhren wir mal vor und ich hatte da also diesen riesigen Plastiksack. Und dazumal hatten wir Damen auch noch eine Zweitfrisur, alles sass perfekt. Dann stiegen wir aus und es kam eine wahnsinnige Sturmböhe. Die wehte mir den Plastiksack aus der Hand, der landete an der anderen Strassenecke. Das ging an diesem Tag vielen so und danach sassen bei vielen Damen die Zweitfrisuren verkehrt auf dem Kopf.

Wenn man die grossen internationalen Turniere das erste Mal mitmacht, ist alles sehr aufregend. Das sind riesige Tanzflächen, da hat man das Gefühl, man sei verloren. Zuhause hat man ja nie diese Grösse im Trainingssaal, die Trainingsfläche in Baden war vielleicht achtzig Quadratmeter gross. Die an der WM sicher das dreifache. Dann muss man studieren, wo man mit der Kür beginnt und sich möglichst in der Mitte bewegt, denn dort schaut der Wertungsrichter hin.

Als bei der WM in Bremen im Halbfinal Schluss war, war ich erst mal traurig, dass es nicht ins Finale reichte. Aber dann wurde mir klar, dass es im Prinzip schon ein Wahnsinnserfolg war, im Halbfinale zu stehen. Wir hörten von vielen Seiten, wir hätten toll getanzt und toll ausgesehen. Die Optik spielt eine so enorme Rolle beim Paarsport.

1978 wechselten wir in die Seniorenklasse und holten in St. Gallen den Schweizer Meistertitel. Ich war so stolz und freute mich sehr. Und gleichzeitig war es ein Ansporn. Wenn man einmal den Titel hat, möchte man ihn behalten. Jeder zweite Platz wäre ja ein Rückschritt. Also ging es danach richtig los mit dem Training. Fast jeden Abend drei Stunden. Und auf dem Level ist es dann einfach geblieben. Wir mussten ja jedes Jahr den Titel verteidigen. Also zogen wir das durch bis zur letzten Schweizer Meisterschaft. Man beobachtet ja auch die anderen Paare, die einem auf den Fersen sind.

Den letzten Schweizer Meistertitel, den achten in Folge, gewannen wir im Mai 1986 im Holiday Inn in Regensdorf. Wir sagten uns, das ist die letzte SM. Es war anzunehmen, dass im nächsten Jahr ein jüngeres Paar gewinnen würde. Und wir wollten unbedingt mit dem Meistertitel abgehen, weil wir danach Paare unterrichten wollten. Deshalb war ein Abgang als Schweizer Meister für uns beste Werbung.

An der Schweizer Meisterschaft tanzen immer sechs Paare und danach gibts eine Pause. Dann hängen Listen mit den Resultaten auf. Dann wird wieder zur nächsten Runde aufgerufen. So geht das bis zum Final. Dort ist der erste Tanz dann der langsame Walzer, der zweite ist der Tango, der dritte der Wiener Walzer, dann kommt der Slow Foxtrott und dann der Quickstep.

So ein Final hats in sich. Kräftemässig ist der enorm zehrend, vergleichbar mit einem 3-Kilometer-Lauf. Das braucht Kondition. Danach ist man durchgeschwitzt und ringt nach Luft. Aber das darf auf der Fläche nicht danach aussehen, sondern es gilt immer: «Keep smiling», immer «keep smiling». Und wenn der Fuss noch so weh tut, oder sich ein Krampf anmeldet, egal, «keep smiling», niemand darf das sehen.

Als wir als Schweizer Meister 1986 ausgerufen wurden, war das für mich eine Erlösung. Die Tanzwelt der Schweiz war an diesem Abend da. Als wir dann bekannt gaben, dass wir jetzt unterrichten, konnten wir uns vor Anmeldungen nicht mehr retten.

Dann mussten wir einen Trainingssaal suchen und fanden einen in Gretzenbach. Ich unterrichtete immer mit meinem Mann, wir als Paar, immer an Wochenenden, eigentlich jeden Samstag, den ganzen Tag. Da kamen die Paare von Zürich und Bern sowie Basel zu uns. Und manchmal gingen auch wir auswärts zu den Paaren und gaben Privatunterricht.

Unterrichten kostete mehr Kraft, als wenn wir nur für uns trainierten. Wenn das Paar an Turnieren gut abschnitt, dann war das unser Verdienst, aber wenns schlecht herauskam, dann waren eben auch wir schuld. Das war so schwierig, so nervenaufreibend. Wir litten fast mehr mit, als wenn wir selber tanzten. Es ist schön, und man ist stolz, wenn die eigenen Schüler erfolgreich sind, das war irrsinnig schön. Aber für jene, die es nicht schaffen, und immer wieder absausen, das ist richtig schlimm. Dann kommen die Fragen: Warum, wieso, wo waren die Fehler? Und dann muss man denen sagen, was passiert ist. Psychologe muss man da auch sein. Plötzlich kommt man an einen Punkt, da kann man das nicht mehr, dann ist fertig.

Wir unterrichteten während etwa zehn Jahren, bis Mitte der 90er-Jahre. Als wir 1995 nach Lostorf kamen, haben wir dann langsam reduziert. Bei meinem Mann ist es natürlich verständlich, er bekam es mit dem Rücken und musste plötzlich an Stöcken gehen. Ich hatte Glück, ich hatte nie körperliche Beschwerden, nie etwas gespürt, das ist Glück. Wir hatten eine schöne Zeit, wirklich.

Heute schaue ich mir Tanz oft im Fernsehen an, zum Beispiel die Sendung «Let’s Dance». Das ist schon interessant, wenn man selber mal so dabei war. Dann sieht man auch den Unterschied, von den Standardtänzen zu den Tänzen, bei denen das Paar auseinander tanzt. Da kann sich jeder mal einen Fehler leisten, das sieht man nicht. Ein Standardpaar hingegen ist wie aneinander modelliert, wie zusammengeklebt. Und wenn einer einen falschen Schritt macht, dann sieht das der Richter sofort. Deshalb ist Standardtanz so schwer, weil das Paar immer aneinander ist. Es kann sich absolut keinen Fehler leisten.»

Brigitte und Mike Skrodzki nahmen in ihrer Tanzkarriere zwischen 1975 und 1978 an drei Europa- und Weltmeisterschaften teil. Von 1978 bis 1986 wurden sie jedes Jahr Schweizer Meister. Inzwischen sind sie seit 63 Jahren verheiratet und wohnen in Lostorf.

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