Julian Kümin ist der Retter in der Not

Im Gespräch Julian Kümin ist Rettungssanitäter mit 13 Jahren Berufserfahrung. Mit dem Stadtanzeiger hat er über Herausforderungen, die sein Beruf mit sich bringt, gesprochen.

Auch als stellvertretender Standortleiter rückt Julian Kümin mit dem Rettungsfahrzeug aus. (Bild: Caspar Reimer)
Auch als stellvertretender Standortleiter rückt Julian Kümin mit dem Rettungsfahrzeug aus. (Bild: Caspar Reimer)

Wer den Rettungsdienst ruft, befindet sich in einer Notsituation, braucht Hilfe, hofft, irgendwie wieder aus der misslichen Lage zu kommen. Mit seiner ruhigen Art, seinem offenen, empathischen Blick und einer sehr kompetenten Ausstrahlung traut man Julian Kümin zu, die Dinge – soweit wie möglich – wieder ins Lot zu bringen. Ein Rettungssanitäter, wie der 35-Jährige einer ist, muss physisch und mental belastbar sein, Rückhalt bekommen bei Freunden oder in der Familie. «Man braucht den Ausgleich, Vertraute, mit denen man über das Erlebte reden kann», sagt der Ehemann und Vater eines zweijährigen Sohnes, «ansonsten macht man das nicht lange». Julian Kümin ist stellvertretender Standortleiter Rettungsdienst der Solothurner Spitäler in Olten und rückt mit seinem Team aus, wenn es medizinisch brennt. «Auch für den Standortleiter und mich ist wichtig zu wissen, was an der Front geht, wo der Schuh drückt und was sich vielleicht verbessern lässt. Zudem bilden wir alle zusammen ein Team.» Teamwork – für Rettungssanitäter ist das entscheidend, um in der Not eingespielt und professionell zu reagieren.

Auf die Frage, aus welchen Gründen er am häufigsten gerufen werde, sagt er: «Das ist sehr unterschiedlich. Gerade im Sommer sind es häufig ältere Personen, die wegen der Hitze Kreislaufprobleme bekommen.» Über das ganze Jahr kämen Unfälle, Herzinfarkte, Hirnschläge und Stürze dazu. «Wir spüren auch das zunehmende Alter der Bevölkerung, da gibt es viele Menschen, deren Allgemeinzustand nicht mehr so gut ist.» Dabei sei es nicht so, dass er immer mit Horn und Signal unterwegs sei: «Oft fahren wir auch ohne Sondersignal in ganz normalem Tempo.» Schwierig seien Einsätze, bei denen Gewalt im Spiel ist – sei es im Nachtleben oder bei häuslicher Gewalt. «Das kommt zum Glück relativ selten vor.»

Anspruchsvolle Patienten

Kümin, der nach der Grundschule eine kaufmännische Ausbildung und eine Berufsmatur gemacht hat, blickt auf bald 13 Jahre als Rettungssanitäter zurück, ganze zehn Jahre davon im Kanton Luzern, wo er auch heute mit seiner Familie wohnt. Seit bald drei Jahren ist er in Olten im Dienst. «Für mich stand und steht der Kontakt zu den Menschen, die Hilfe benötigen, an erster Stelle. Wir haben das Los, Leuten in Notsituationen zur Seite zu stehen. Neben dem medizinischen Aspekt spielt hier das Zwischenmenschliche eine grosse Rolle.» Es erfülle ihn mit Genugtuung, wenn Patienten sich nach dem Einsatz – den Umständen entsprechend – zufrieden zeigten. «Zwar hat man nach so vielen Jahren eine gewisse Routine, muss sich aber immer im Klaren darüber sein, dass der Patient eine einmalige Situation durchlebt. Das muss man ernst nehmen.»

Ob es ihm immer und bei jedem Patienten gelingt, empathisch und angemessen zu handeln? «Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, ich hätte immer ein gleich dickes Fell. Jeder Patient ist anders – es gibt welche, die sehr fordernd unterwegs sind, andere haben ein schlechtes Gewissen, dass sie uns gerufen haben. In jedem Fall muss ich versuchen, die Professionalität zu wahren. Sicher ist das nicht immer gleich einfach.» Dabei beobachtet Kümin die Tendenz, dass Patientinnen und Patienten anspruchsvoller werden, ab und an komme es auch zu Ausfälligkeiten seitens der Patienten. «Man muss sich auch als Rettungssanitäter nicht alles gefallen lassen, darf Anstand erwarten. Meine Erfahrung ist aber, dass es meistens gut läuft, wenn man mit dem nötigen Feingefühl unterwegs ist.» Unpassende, überschiessende Reaktionen von Patienten hätten meistens einen tieferen Grund, seien der schwierigen Situation geschuldet. «Manche haben ein Bild vom Rettungssanitäter, der kommt und aller regelt, sie heilt. Das ist natürlich falsch. In der Regel leisten wir erste medizinische Hilfe, stabilisieren den Patienten, nehmen ihm die Schmerzen und bringen ihn ins Spital.»

Das Steuern des Rettungsfahrzeuges, die sichere, aber doch schnelle Fahrt zum Ort des Geschehens, ist Teil der Ausbildung von Rettungssanitätern. «Jede Fahrt ist unberechenbar, da man nie wissen kann, wie Automobilisten auf das Signal reagieren, ob sie es überhaupt rechtzeitig hören. Das höchste Ziel ist dabei, sicher an den Ort zu kommen. Dabei lohnt es sich, ein paar Stundenkilometer weniger schnell zu fahren.» Zeit gewinne man mit einem flüssigen Fahrstil, nicht primär mit Tempo. Jährlich absolviert das Team in Zusammenarbeit mit dem TCS ein Fahrsicherheitstraining, bei dem auch Dinge wie eine Vollbremsung oder Manövrierfähigkeit geübt werden.

Familie als Ausgleich

Einsätze, bei denen Hilfe nicht mehr möglich ist, der Patient verstirbt, gehören für Kümin zum beruflichen Alltag. «Ein Stück weit lernt man, damit umzugehen. Und nicht jeder Einsatz, bei dem jemand stirbt, hat dieselbe Tragik, auch wenn für die Angehörigen der Verlust immer schmerzlich ist.» Wenn er eine betagte Person abhole, deren letzte Stunde geschlagen hat, sei das etwas anderes, als wenn ein junger Mensch einen Unfall mit dem Leben zahlt. «Auch da ist es für die Psychohygiene absolut wichtig, ein gutes soziales Umfeld zu haben, dem man sich anvertrauen kann, wenn etwas Schlimmes passiert ist.»

Überhaupt sei ihm die Familie wichtigster Ausgleich: «Auch sie fordert mich», sagt er lachend. Manchmal geht er auch mit seinem Mountainbike auf Tour, um den Kopf frisch zu machen und sich zu erholen.

...und ausserdem

Diese Person möchte ich gerne mal treffen

(Überlegt lange). Ich habe keine speziellen Idole. Aber vielleicht wäre es interessant mit einem grossen Sportler zu sprechen. Da kommt mir Mark Streit, der ehemalige Eishockeyspieler, in den Sinn.

So entspanne ich mich am besten

Mit meiner Familie im VW-Bus an den See fahren.

Dieses Verhalten ärgert mich

Menschen, die Intrigen spinnen, hinterhältig, unehrlich und unaufrichtig sind. Das stört mich sehr.

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