Jeden Tag fehlen ihm Stunden

Was macht eigentlich? Er war vieles: Gemeindepräsident, Kantonsrat, Direktor der Handelskammer, Regierungsrat. Nur zuhause, das war er fast nie. Nun ist es umgekehrt: Ämter hat der Gunzger Alt-Regierungsrat Roland Fürst fast keine mehr inne, dafür verbringt er viel Zeit in Haus und Garten.

Ohne seine Fotokamera geht Alt-Regierungsrat Roland Fürst selten aus dem Haus. Auch am Teich in seinem Garten entdeckt er immer wieder lohnende Motive. (Bild: Achim Günter)
Ohne seine Fotokamera geht Alt-Regierungsrat Roland Fürst selten aus dem Haus. Auch am Teich in seinem Garten entdeckt er immer wieder lohnende Motive. (Bild: Achim Günter)

Seine Worte wählt er mit Bedacht. Unüberlegte Äusserungen kommen ihm nicht über die Lippen. Authentisch, offen und zugänglich wirkt Roland Fürst dennoch. Und auch ganz zufrieden mit sich und der Welt, wie er an einem freundlichen Frühlingstag so dasitzt in seinem Wintergarten.
Nur etwas bereitet ihm Kummer. Dasselbe, das ihn im Sommer 2021 von seinem Amt als Bau- und Justizdirektor des Kantons Solothurn zurücktreten liess: körperliche Beschwerden. Waren es damals beide Knie, sind es nun beide Hüften, die schmerzen. Fürst, der im Mai seinen 62. Geburtstag feiern kann, war in seiner Jugend ein vielseitig interessierter ambitionierter Amateursportler. Volleyball, Faustball, Tennis und vor allem Fussball hatten es ihm angetan. Allesamt Stop-and-go-Sportarten. Und er übte sie mit Ehrgeiz aus. «Ich gewann gerne, setzte mich voll ein.» Talent besass er auch. Bereits mit 13 Jahren (!) gelangte er als Fussballer zu ersten Einsätzen in der 3. Liga. Die Auswirkungen zeigen sich Jahrzehnte später. Knie- und Hüftgelenke sind abgenutzt.
Einige Monate nach seinem Ausscheiden aus dem Regierungsrat liess er sich deshalb in beiden Knien Prothesen einsetzen. Da die Regenerationsphase bei einem solchen Eingriff mehrere Monate in Anspruch nimmt, entschied sich Fürst bereits im Sommer 2020 gegen die eigentlich angestrebte dritte Amtszeit als Regierungsrat. «Davor hatte ich mich durchgeseucht. Aber die Lebensqualität hatte stark nachgelassen.» Längere Spaziergänge oder Wanderungen waren nicht mehr möglich. Die Operationen im Amt vornehmen zu lassen, war keine wirkliche Option. Als Regierungsrat, gibt er zu bedenken, habe man keinen Stellvertreter. «So zog ich die Konsequenzen und trat zurück.»
In einigen Monaten wird er sich nun auch in den beiden Hüften künstliche Gelenke einbauen lassen. Er lehnt sich zurück in seinem Stuhl und sagt: «Mir geht’s gut – bis auf die beiden Hüften.» Erfahrung mit Operationen besitzt Fürst reichlich: Insgesamt musste er sich als Teenager und in seinen 20ern nicht weniger als zehn Operationen infolge von Sportunfällen unterziehen. Bänder, Rücken, Schulter, Kopf – all das war ein- oder sogar mehrmals betroffen.


Schon als «Schwarzer» geboren worden
Politisiert hat Fürst zeitlebens bei den «Schwarzen». Die CVP-Mitgliedschaft hat er quasi ab Geburt besessen. Lachend sagt er: «Das ist bei uns fast genetisch.» Politisch aktiv wurde er mit Erlangung der politischen Rechte im Wahlbüro in seiner Wohngemeinde Gunzgen. Mit Ende 20 – er wohnte nun in Rickenbach – übernahm er das Ortspräsidium der CVP. Nach der Rückkehr nach Gunzgen wurde er 1993 zum Gemeindepräsidenten berufen, 2005 folgte der Schritt in den Kantonsrat, und dann – eher unverhofft – 2013 die Wahl zum Regierungsrat. Seit dem Abschied aus jenem Amt gibt es den Politiker Fürst nicht mehr. Mühe damit, seine Meinung für sich zu behalten, bekundet er nicht. «Ich hätte es in meiner Position auch nicht geschätzt, wenn mir mein Vorgänger dreingeredet hätte. Servir et disparaître.»
Zweimal strebte der studierte Biologe einen Sitz im nationalen Parlament an: 2007 kandidierte er als Nationalrat, 2010 als Ständerat. Die Wahl schaffte er beide Male knapp nicht. Dass er sich zweimal auf die CVP-Liste setzen liess, um damit seine Bekanntheit im Hinblick auf eine mögliche Regierungsratskandidatur zu steigern, stellt er entschieden in Abrede. «Noch 2012 habe ich gesagt: Dieses Amt will ich sicher nicht haben. Meine Absicht war das nie.» Aber als dann aufgrund einer Doppelvakanz Fürsts Name – damals Direktor der Solothurner Handelskammer – herumgereicht wurde, liess er sich schliesslich zu einer Kandidatur bewegen. Nach der Wahl hätten ihm drei Amtsperioden vorgeschwebt. «Das wäre optimal gewesen. Mit 64 hätte ich dann abtreten können.» Seine Gesundheit durchkreuzte diese Pläne.
Die exekutiven Ämter hätten ihm deutlich mehr entsprochen als die legislativen. «Am liebsten von allen Ämtern war mir wohl das Gemeindepräsidium.» 14 Jahre lang bekleidete er dieses Amt. «Da ist man nahe an den Leuten. Und wenn man heute etwas entscheidet, gilt das beinahe von heute an.» Im Kanton seien die Vorgänge träger. Und auf kommunaler Ebene gebe es auch weniger anonyme Heckenschützen.
Heute hat sich der Vater zweier erwachsener Töchter weitgehend aus der Öffentlichkeit und aus dem Erwerbsleben zurückgezogen. Allerdings hat er nach dem Ausscheiden aus dem Regierungsrat erneut das Verwaltungsratspräsidium der Elektra Untergäu übernommen; vor der Zeit im Regierungsrat hatte er dieses bereits während acht Jahren ausgeführt. Und in dieser Funktion habe er in den vergangenen anderthalb Jahren reichlich zu tun gehabt. «Ich bin froh, musste sich nicht jemand darum kümmern, der daneben zu 100 Prozent berufstätig ist.» Daneben nimmt Fürst noch drei weitere kleine Mandate wahr. Dass es dereinst wieder mehr werden könnten, schliesst er nicht aus. «Ich habe Luft gegen oben. Aber ich suche nicht aktiv. Sicher werde ich nicht mehr Ja sagen zu Tätigkeiten, zu denen sonst keiner Ja sagt.»


Leidenschaftlicher Fotograf
Längst ist ihm das deutliche Mehr an Freizeit ans Herz gewachsen. Langeweile stellt sich nicht ein. «Jetzt habe ich Zeit für den Garten, zum Kochen, fürs Haus.» Mit einem Lachen sagt er: «Jeden Tag fehlen mir Stunden.» Zwei Hunde halten das Ehepaar Fürst zum Beispiel auf Trab. Und, welch zeitlicher Zufall, exakt einen Tag vor seinem Weggang aus dem Regierungsgebäude in Solothurn kam sein erster Enkel zur Welt. Heute kümmern sich Fürst und seine Frau gerne um den kleinen Nilo. «Das ist eine schöne Arbeit», meint Fürst.
Sehr gerne und oft ist er auch auf dem Bike in den nahen Jurahügeln unterwegs. «Von Oensingen bis Lostorf war ich wohl schon auf jedem Weg.» Fast immer dabei: seine Fotokamera. Fürst fotografiert leidenschaftlich gerne. Vor allem die Landschaftsfotografie hat es ihm angetan, insbesondere Motive aus unserer Gegend. In die Ferne hingegen zieht es Roland Fürst gar nicht so sehr. «Ich war jahrelang nie zuhause. Jetzt bin ich sehr gerne daheim.»

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