Irma Steiner – die Bundesratsgattin mit Wurzeln im Passdorf Trimbach

Briefgeschichten Irma Steiner wurde 1950 – als erste Frau mit diesem Titel – Professorin für Pharmazie an der Universität Basel. Zwei Jahre später heiratete sie den SP-Politiker Hans Peter Tschudi, der 1959 zum Bundesrat gewählt wurde. Irma Steiner hatte Wurzeln in Trimbach: Ihre Mutter Emilie, eine geborene Gubler, war dort an der Baslerstrasse aufgewachsen.

Brief des Präsidenten der Akademia Olten Hans Kunz vom 15. Oktober 1966 an Frau Professor Irma Tschudi. (Bild: Staatsarchiv Basel Stadt, PA 1098a)

Brief des Präsidenten der Akademia Olten Hans Kunz vom 15. Oktober 1966 an Frau Professor Irma Tschudi. (Bild: Staatsarchiv Basel Stadt, PA 1098a)

In ihrem Labor an der Uni Basel, verfolgt Professorin Irma Tschudi-Steiner (zweite von rechts) am Transistorradio die Bundesratswahl vom 17. Dezember 1959. (Bild: ZVG)

In ihrem Labor an der Uni Basel, verfolgt Professorin Irma Tschudi-Steiner (zweite von rechts) am Transistorradio die Bundesratswahl vom 17. Dezember 1959. (Bild: ZVG)

Professorin Irma Tschudi-Steiner an der Arbeit in ihrem Labor am Fluoreszenz-Mikroskop (1965). (Bild: ZVG)

Professorin Irma Tschudi-Steiner an der Arbeit in ihrem Labor am Fluoreszenz-Mikroskop (1965). (Bild: ZVG)

Irma Tschudi-Steiner.

Irma Tschudi-Steiner.

Irma Tschudi-Steiner war eine gefragte Rednerin. Die in Bern lehrende Pharmazie-Professorin wurde auf den 27. Oktober 1966 eingeladen, vor der Vortragsgesellschaft Akademia Olten ein Referat zu halten. Doktor Hans Kunz, der damalige Präsident der Akademia, nahm vorgängig nochmals Kontakt mit der «sehr geehrten Frau Professor» auf, um die letzten Details abzumachen. Am 15. Oktober schickte er ihr einem Brief und schrieb: «Der Zeitpunkt Ihres Referats über ‹Die Beziehung des Menschen zur Arznei› rückt näher, und so möchte ich an Sie gelangen mit der höflichen Bitte, mir rechtzeitig mitzuteilen, wann sie am Donnerstag, den 27. Oktober 1966 in Olten eintreffen werden. Da ich am Donnerstag jeweils an der Kantonsschule Solothurn unterrichte, treffe ich mit dem Zug kurz nach 18 Uhr in Olten ein, worauf ich Sie eventuell direkt von Ihrem Zug oder dann im Bahnhofbuffet 1. Kl. abholen bzw. treffen kann, damit wir uns zu dem von unserer Gesellschaft offerierten Abendessen begeben können. Was das Honorar anbelangt, […] möchte ich Sie höflich fragen, ob Sie sich mit Fr. 150.- einverstanden erklären können.»

Gemäss Irma Tschudis handschriftlichem Vermerk auf dem Brief verabredete sie sich dann mit Hans Kunz am Donnerstagabend um 18.15 Uhr auf dem Bahnhofplatz Olten. Einen ähnlichen Vortrag zum Thema «Mensch und Arznei» hielt sie übrigens vor der Töpfergesellschaft Solothurn. Und für die ‹Aktion Gesundes Volk› des Kantonalverbands solothurnischer Abstinentenvereine referierte sie 1969 erneut in Olten.

Mit ihren Vortragsreisen nach Olten kam Irma Tschudi-Steiner mindestens in die Nähe ihrer familiären Ursprünge. Ihre Mutter Emilie Gubler wuchs nämlich als Jüngste von sechs Geschwistern in Trimbach auf. Emilie war die Tochter der an der Baslerstrasse 206 wohnenden Bauernfamilie Wilhelm und Amalia Gubler-Strub. Sie konnte nach der obligatorischen Schulzeit in Solothurn das Patent als Arbeitslehrerin erwerben. Sie verheiratete sich schliesslich mit dem Oberlehrer Emil Steiner von Hersiwil (heute Gemeinde Drei Höfe im Wasseramt) und lebte mit ihm in der Stadt Solothurn. Hier wurde Irma Steiner am 11. Februar 1912 geboren.

Pionierhafte Uni-Karriere

Irma Steiner besuchte das gemischte Gymnasium in Solothurn. Anschliessend studierte sie Pharmazie an der Uni Basel, erwarb das eidgenössische Apothekerdiplom und schloss 1938 ihr Studium mit einer Dissertation ab. Anschliessend arbeitete sie als wissenschaftliche Assistentin am Pharmazeutischen Institut der Uni Basel und hielt Vorlesungen zur Herstellung, Wirkung und Nebenwirkungen von Arzneimitteln. 1949 verfasste sie eine zweite Dissertation und erwarb auch noch den Doktortitel in Medizin; ihre Doktorarbeit widmete sie dem Mutterkorn. Mutterkorn ist ein Pilz, der Getreide befallen kann. Je nach Dosis ist er Gift oder Heilmittel. Wird er unbemerkt mit dem Essen aufgenommen, ist er tödlich; in geringer Menge diente das Mutterkorn als Wehenmittel und nach der Geburt als Mittel zum Blutstillen. 1950, ein Jahr nach diesem Doktorat, wurde Irma Steiner in Basel zur ersten Professorin habilitiert und hielt Vorlesungen als Privatdozentin (PD).

Zwei Jahre später heiratete Irma Steiner den Juristen und Basler SP-Politiker Hans Peter Tschudi. Von diesem Moment an erhielt sie mit dem Argument, ihr Mann sei der Ernährer, keinen Lohn mehr. Als Hans Peter Tschudi 1959 zum Bundesrat gewählt wurde, folgte sie ihm nach Bern, wo sie an der Uni vorerst als PD, ab 1969 bis 1982 als a.o. Professorin über pharmazeutische Spezialgebiete dozierte. 1972 erhielt sie einen zweiten Lehrauftrag in Basel.

Nicht nur beruflich war Irma Tschudi-Steiner eine aussergewöhnliche Frau. So pflegte sie Zigarren zu rauchen. Auch war sie eine begeisterte Autofahrerin und besass stets ganz spezielle Sportwagen mit Sonderkarosserien. Ihr Gatte hingegen, als Vorsteher des Departements des Innern immerhin zuständig für den Nationalstrassenbau, besass nicht einmal den Führerausweis.

Irma Tschudi Steiner weilte nicht nur im Rahmen ihrer Vortragstätigkeit in der Region Olten. Sie hielt auch sonst noch den Kontakt mit der Heimat ihrer Mutter aufrecht. Beispielweise gab es im Frühjahr 1960 (nach der Bundesratswahl) ein Familientreffen im Restaurant «zum Rössli» in Trimbach, zu welchem sie und ihr Gatte Hans Peter Tschudi ebenfalls anreisten. Und ein Neffe, Martin von Arx, erinnert sich noch, dass er dem Bundesrat «Onkel Hans Peter» und «Du» sagen durfte.

Im August 1970 erschien in der Oltner Wochenzeitschrift «Der Sonntag» eine grosse Bildreportage mit dem Titel «Die Bundesratsgattin mit den zwei Doktortiteln». Irma Tschudi-Steiner war zwar eine Pionierin als hervorragende Wissenschafterin, zudem eine gefragte Dozentin und machte eine brillante Universitäts-Karriere – wahrgenommen wurde sie aber immer auch als Partnerin Tschudis.

Quellen: Gosteli-Stiftung, Archiv zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung, Worblaufen, Signatur 6031.

Staatsarchiv Basel Stadt: Signatur StABS PA 1098a D 2-4-2 (8) – «Berufliche Korrespondenz 1947–1991», Auskünfte von Hans Wolf und Martin von Arx.

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