«Ich war immer gerne dort, wo ich grad war»

Rebekka Häfeli Zwei ­Berufe, eine Berufung und ein Wünschlein: ­Rebekka Häfeli erzählt von langen Arbeitstagen im Oltner Quartierladen «Chlyformat» und Genusstagen mit ihren Nichten und Neffen.

Rebekka Häfeli, Betriebsleiterin, vor dem Quartierladen «Chlyformat» im Oltner Kleinholz. (Bild: Franz Beidler)
Rebekka Häfeli, Betriebsleiterin, vor dem Quartierladen «Chlyformat» im Oltner Kleinholz. (Bild: Franz Beidler)

Sie versuche sich zu bessern, sagt Rebekka Häfeli, lächelt und rollt die Augen. Sie sitzt an ihrem Schreibtisch, eine Holzplatte mit einem Computerbildschirm darauf, darüber ein Regal gefüllt mit Ordnern. Zu ihrer Rechten öffnet sich ein kleiner Raum mit einer Kühltruhe, einem blauen Lift und einer Türe, die zur Ladenfläche führt. Häfelis Schreibtisch steht hinten im «Chlyformat», dem Quartierladen im Oltner Kleinholz. Sie ist die Betriebsleiterin, seit der Laden vor einem Jahr eröffnet wurde. Bessern will sie sich darin, abends das Geschäft ruhen zu lassen.

«Wenn ich durch den Laden gehe, fallen mir immer wieder Dinge auf, die ich noch schnell erledigen könnte», erzählt sie. Noch kurz Waren anschreiben, noch schnell einen Lieferschein einordnen oder noch rasch ein Mail beantworten. «Ich werde mich jetzt bessern», wiederholt Häfeli bestimmt, als würde sie es sich selbst versichern wollen. Ihre Tage im «Chlyformat» beginnen zwischen acht und neun Uhr morgens und enden meist erst zwölf Stunden später. «Jedenfalls die guten», hängt Häfeli achselzuckend an, legt den Kopf zur Seite und lächelt.

Neben Bestellungen, Warenempfang oder Abrechnung begleitet Häfeli im «Chlyformat» auch Personen auf dem Weg zurück in den ersten Arbeitsmarkt. Der Laden bietet Plätze in einem Arbeitsintegrationsprogramm der Invalidenversicherung. «Das benötigt viel Zeit, denn es sind viele Leute involviert.» Häfeli muss sich mit der IV-Stelle, den Klienten und deren Coaches absprechen. «Ich habe viele Sitzungen», sagt sie schmunzelnd. Ausserdem muss sie pro Person wöchentlich einen Bericht verfassen. Ein bis zwei Leute stehen für üblicherweise drei Monate im Einsatz. «Kaum habe ich sie kennen gelernt, sind sie auch schon wieder weg», meint Häfeli.

Immer wieder neue Leute

Sie sei es sich aber gewohnt, sich immer wieder auf neue Leute einzulassen. «Ich wuchs in einer sozialen Familie auf.» Ihre Eltern hätten viele Pflege- oder Tageskinder aufgenommen. «Da hatte ich immer wieder eine Zeit lang neue Zimmernachbarn», erinnert sie sich an ihre Kindheit in Lostorf. Dort wohnte sie zusammen mit ihren Eltern und ihren zehn leiblichen und den wechselnden Pflegegeschwistern in einem ehemaligen Bauernhaus.

«Ich bin die Nummer fünf», sagt Häfeli bestimmt und lacht. Als wievieltes der zehn Kinder sie zur Welt kam, muss sie oft erzählen. «Wegen dem grossen Altersunterschied habe ich nicht zu allen das gleiche Verhältnis», gibt sie dann Einblick. Ihre jüngste Schwester zum Beispiel, heute achtzehn Jahre alt, war gerade Zweijährig, als Häfeli schon aus dem Elternhaus auszog. «Anstatt einer gemeinsamen Kindheit sahen wir uns, wenn ich auf Besuch zur Familie oder sie zu mir in die Ferien kam.»

Sie sei ein sehr familiärer Mensch, sagt Häfeli. Zusammen mit ihrer Mutter leitete sie über Jahre die Lager der Jungschar Olten. «Da konnte ich meine Planungswut ausleben», erzählt sie schmunzelnd davon, wie sie für die Sprösslinge Programme zusammenstellte. Und ihre freien Sonntage, «die Genusstage», widmet sie am liebsten Spielnachmittagen mit ihren Nichten und Neffen.

Ihre Erfahrungen in der Familie hätten sie geprägt, ist sich Häfeli sicher. «Ich denke, es fällt mir leicht, für die Klienten im Laden, die oft schwierige Zeiten durchleben, Verständnis aufzubringen.»

Augenoptikerin und Betriebsleiterin

Dass sie dereinst den Quartierladen einer Sozialinstitution führen würde, hatte sich Häfeli nie erträumt. «Ich wollte zuerst Kleinkindererzieherin werden», erinnert sie sich. Als sie beim Schnuppern den Beruf jedoch erlebte, gefiel er ihr nicht. «Der Umgang mit den Kindern war mir zu unpersönlich und zu wenig herzlich.» Nach einem Vorstellungsgespräch wurde ihr eine Lehrstelle als Augenoptikerin angeboten. Häfeli sagte zu. «Ich wusste eigentlich gar nicht so recht, was das war», erinnert sie sich und muss darüber lachen. Der Beruf gefällt ihr bis heute.

Der Reiz, mit Menschen zu arbeiten, blieb. So engagierte sich Häfeli 2011 im damals neu eröffneten Jugendhaus Trimbach des Sozialunternehmens «WG Treffpunkt». «Ich wollte herausfinden, ob das was für mich ist», erzählt sie. Sie verbrachte die Abende und die Samstage dort, denn daneben arbeitete sie weiter zu hundert Prozent als Augenoptikerin. Auch nachdem sie sich 2013 vom Jugendhaus zurückzog, blieb sie eng mit «WG Treffpunkt» verbunden. «Bei Anlässen half ich immer mit.»

Vor zwei Jahren bat der Geschäftsführer von «WG Treffpunkt» Häfeli, ihn zur Besichtigung des heutigen Ladenlokals zu begleiten. «Als zukünftige Chefin solltest du von Anfang an dabei sein», habe er ihr beiläufig gesagt. «Ich war zuerst irritiert, dann interessiert und schliesslich sah ich darin eine Chance», erinnert sich Häfeli. Nach der Besichtigung schmiedete sie im Kopf schon Pläne für eine Kaffee-Ecke. Nach einjährigen Planungs- und Umbauarbeiten öffnete der Laden eben im vergangenen Frühling seine Türen. «Bis jetzt gefällt’s mir sehr», sagt Häfeli verschmitzt und lacht.

Klare Vorstellungen oder grosse Träume für die Zukunft habe sie eigentlich noch nie gehabt. «Ich hatte bisher immer Glück und war immer gerne dort, wo ich grad war.» Vielleicht ein Wünschlein habe sie doch, meint sie nach kurzer Denkpause. «Einmal die Nordlichter sehen. Das stelle ich mir magisch vor.»

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