«Ich war das Tigerli»

Monica Zorzin ist die Tochter vom legendären «Tiger»-Wirt und lebt seit ihrer Geburt in Olten. Als Kind war die Beiz ihr Wohnzimmer, die Altstadt ihr Garten und der Stadtturm ihr Spielplatz. Kam sie von der Schule nach Hause, halfen Gäste vom Restaurant bei den Hausaufgaben.

Viele Erinnerungen: Monica Zorzin vor dem Eingang zum «Tiger», wo sie ihre Kindheit und Jugend verbracht hat. (Bild: Sonja Furter)
Viele Erinnerungen: Monica Zorzin vor dem Eingang zum «Tiger», wo sie ihre Kindheit und Jugend verbracht hat. (Bild: Sonja Furter)

Ihren Vater nannte man Tiger, den Bruder kleiner Tiger und sie Tigerli, erzählt Monica Zorzin über ihre Kindheit. Geboren und aufgewachsen ist sie in Olten, im Lokal «Waadtländerhalle», umgangs- sprachlich «Tiger» genannt. «Mein Vater war ein Original in Olten, jeder kannte ihn. Bis zu seinem 70. Lebensjahr hat er die Beiz geführt. Im Schwimmclub trug er jeweils gestreifte Tiger-Bade- hosen», erzählt die 64-Jährige. So kam das Lokal zu seinem Namen und die Kinder zu ihren Spitznamen. «Wir sind in einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Das Haus hatte zu Beginn keine Zentralheizung und auch kein warmes Wasser. Die Toilette stand in der Mitte des Hauses, wie dies bei Altbauten üblich war». Als Kind sei die Beiz ihr Wohnzimmer gewesen, die Altstadt ihr Garten und der Stadtturm der Spielplatz. «Um den Stadtturm sind wir mit den Nachbarskindern viel herumgeklettert. Leider gab es dabei auch immer wieder Unfälle. Eines der Nachbarskinder hat sich einmal den Arm gebrochen».

Hausaufgaben-Hilfe

Wenn sie von der Schule nach Hause kam, sei immer jemand da gewesen, erzählt Zorzin.
«Das war das Positive am Beruf meiner Eltern, die beide Wirte waren». Die Schattenseite hingegen, dass Wochenend-Ausflüge oder Ferien meist entweder nur mit dem Vater oder nur der Mutter stattfanden, weil der andere Elternteil im Restaurant arbeiten musste. Dafür hätten ihr bei den Hausaufgaben jeweils Gäste aus dem Lokal geholfen. «Ich habe gute Erinnerungen an meine Jugend. Das Haus war immer voll, wir lebten als erweiterte Grossfamilie. Weihnachten haben wir mit bis zu 25 Menschen gefeiert». Ihr Vater war Schweizer, die Mutter Österreicherin. «Geheiratet habe ich dann einen Italiener», lacht Zorzin, die ledig Grolimund hiess. Das Paar hat einen
31-jährigen Sohn, der in der IT-Branche tätig ist. «Als Kind ging er jeweils in den Tiger zum «Nonno». Er hat seinen Grossvater gerne besucht.» Monica Zorzin ist selbst nicht Wirtin geworden. Dennoch ist es ihr ein Anliegen, dass der «Tiger» weitergeführt und noch lange ein Restaurant bleiben wird. Aus diesem Grund haben ihr Mann und sie das Lokal verpachtet.
«Als ich im Alter von 20 Jahren von zu Hause ausgezogen bin und in einer Treuhandgesellschaft gearbeitet habe – ich absolvierte eine kaufmännische Ausbildung – ging ich jeweils zum Mittagessen nach Hause und habe so jeden Tag im «Tiger» vorbeigeschaut.» Zuletzt war sie
15 Jahre in der Administration im Unternehmen ihres Mannes, einer Handelsfirma für Luftfilter für Lackierereien, tätig. Den «Tiger» zu übernehmen sei kurz ein Thema gewesen, so Monica Zorzin, die das Wirte-Patent besitzt. Als dann aber der Sohn zur Welt kam, sei diese Idee schnell vom Tisch gewesen. «Mit einem kleinen Kind ist es nicht praktisch, ein Lokal zu führen».

Immer etwas zu tun

Sich selbst beschreibt Monica Zorzin als aufgestellte und tolerante Person, die Freude am Leben hat. «Ich feiere gerne grosse Feste und mag die Fasnacht.» Danach geniesse sie aber auch wieder ruhige Zeiten und lese zum Beispiel gerne einen Krimi auf der Terrasse. Ausserdem mag sie das Golf-Spiel, pflegt einen grossen Freundes- und Verwandtenkreis und besucht den Stepp-Tanz-Unterricht. «Das habe ich bereits als zwanzigjährige Frau gemacht und jetzt wieder aktiviert». Zwar spüre sie schon den Altersunterschied zu damals, Spass mache es aber allemal. Mit ihrem Mann teilt sie die Leidenschaft für Golf und unterschiedliche Aufgaben im und ums Haus. «Mein Mann ist eher fürs Handwerkliche und ich für den Haushalt zuständig, welchen ich gerne erledige.» Sie seien beide Genussmenschen. Guter Wein sei ein Hobby ihres Mannes sowie das Sammeln von alten Reklame-Schildern, die im «Tiger» die Wand schmücken. Dort sitzt sie, an einem Tisch, trink ein Glas Mineral und sinniert: «Ich verbinde viele Erinnerungen mit diesem Gebäude, in dem ich meine Kindheit verbracht habe. Noch immer ist es ein spezielles Gefühl durch die Türe hinein zu kommen».

«Hier bleibe ich»

Olten sei ein kleines, überschaubares Städtchen, findet Zorzin. «Ich lebe gerne hier. Die Leute kennen sich und die Stadt hat kulinarisch und kulturell viel zu bieten». Auch habe Olten nicht mehr Probleme als andere Städte. Überall müssten Finanzprobleme gelöst und Projekte deshalb zurückgestellt werden. Der Oltner sei nicht besser als andere Städter, aber eben auch nicht schlechter, sagt Zorzin mit Nachdruck. «Ich glaube nicht, dass ich von hier wegziehen werde.
Mein ganzes Leben habe ich hier verbracht und in Olten bleibe ich auch.»

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