«Ich wälze nicht nur Gesetzestexte»

Cécile Send studiert Rechtswissenschaften und erachtet das Recht als Weg hin zur Gerechtigkeit. Im Gespräch verrät sie, warum sie dank «I love you» heute fliessend Französisch und Deutsch spricht.

Cécile Send spielt Bass bei der Band «Dog Daughterz» und ist überzeugt, dass ihre Geburtsstadt Olten alles andere als 0815 ist. (Bild: S. Furter)
Cécile Send spielt Bass bei der Band «Dog Daughterz» und ist überzeugt, dass ihre Geburtsstadt Olten alles andere als 0815 ist. (Bild: S. Furter)

An ihrer rechten Hand trägt Cécile Send drei Ringe. Einer davon hat in der Mitte einen silbernen Knopf, um den sich schwarze Linien ranken. «Ich trage gerne Fingerringe. Ohne meinen Schmuck fühle ich mich nackt und fehlt mir etwas», sagt Cécile Send, während sie am Tisch ihres Elternhauses in Olten sitzt. Die 22-Jährige studiert Rechtswissenschaften in Freiburg und engagiert sich in der Jungen SP Olten. «Recht ist oft sehr politisch», schlägt sie thematisch eine Brücke von Jus zur Politik. «Wer das Richteramt ausüben will, muss heute einer Partei angehören.» Diese Tatsache stellt Send fest, aber auch infrage. «Vielleicht sollte man das in Zukunft abschaffen und das Richteramt von der Parteizugehörigkeit entkoppeln.» Für das Jura-Studium hat sie sich entschieden, weil es sehr viele Bereiche abdeckt. Wenn sie heute die Zeitung aufschlägt, versteht sie das Weltgeschehen und aktuelle Debatten in der Schweiz viel besser. «Gesetze reflektieren die Gesellschaft. Für Änderungen im Gesetzestext braucht es den Volkswillen, der sich in einer Abstimmungsmehrheit ausdrückt.» Die Antwort auf die Frage nach richtig und falsch sei deshalb dynamisch und Änderungen sowie Wertvorstellungen unterworfen. Auch seien Recht und Gerechtigkeit zwei verschiedene Dinge. «Das Recht ist der Weg hin zur Gerechtigkeit. Ob mir als Individuum Gerechtigkeit widerfährt, ist jedoch ein subjektives Empfinden.»

Hexentrank und Durchfall

Neben Rechtswissenschaft und Politik prägen auch die Schlagworte Linguistik und Mehr- sprachigkeit das Leben von Cécile Send. Ihre Mutter ist französischsprachig, der Vater ein «Bärner». Die Sprache der Liebe jedoch ist Englisch. «Meine Eltern haben sich bei einem Sprachaufenthalt in London kennen und lieben gelernt.» «I love you» sei Dank ist Send zweisprachig aufgewachsen. «Die Schweiz definiert sich unter anderem durch ihre Mehr- sprachigkeit. Zwei Landessprachen quasi in die Wiege gelegt zu bekommen, erachte ich deshalb als grosses Privileg.» Als ältere von zwei Schwestern hat Send im Sommer 1996 das Licht der Welt erblickt. «Meine Mutter hat mir erzählt, dass ich im Spital das lauteste Neugeborene gewesen sei.» Als Dreikäsehoch hat Send mit den Nachbarskindern Schnecken eingefangen und dann Rennen veranstaltet oder im Frühling Kaulquappen grossgezogen. «Die Metamorphose vom kleinen schwarzen Punkt zum Frosch hat mich schon damals fasziniert.» Auch hat sie einmal einen «Hexentrank» aus Öl, Essig und anderen geheimen Zutaten selbst gemischt und dann im Garten stehen gelassen. «Als ihn unser Hund einige Zeit später getrunken hat, hat der Arme davon Durchfall bekommen.»

Stars zum Anfassen

Über ihre Geburtsstadt Olten sagt Send mit Blick auf ihre Kindheitserlebnisse: «Hier bin ich geboren und aufgewachsen. Hier habe ich meine ganze Schulkarriere absolviert. Hier bin ich zu Hause, auch wenn ich momentan in Freiburg lebe und studiere.» Olten sei alles andere als 0815. «Die Dreitannenstadt bringt ihre eigene Stimmung mit.» Send wünscht sich, dass die Stadt noch mehr tut für die junge Generation. «Es gibt viele junge Leute in Olten, die, so glaube ich, die Absicht haben, auch in Zukunft in der Dreitannenstadt zu bleiben.» Ausserdem findet Send es schade, dass viele Auswärtige nur den Bahnhof kennen. «Dabei ist es ein Privileg, wenn ich mit Freunden in Olten ein Konzert im familiären Rahmen geniessen kann. Anders als das Hallen- stadion in Zürich bietet das Coq d’Or in Olten Stars zum Anfassen.» Sie selbst macht auch Musik, spielt Bass bei der Band «Dog Daughterz». «Es ist ein spannendes Instrument, das musikalisch eher im Hintergrund steht. Trotzdem würden die Klänge des Basses fehlen, wenn er nicht da wäre.»

Sympathischer geworden

Sich selbst beschreibt die 22-Jährige als aufgestellt, unternehmungslustig, aber auch kritisch. «Wenn ich etwas höre, möchte ich noch mehr wissen, um mir eine eigene Meinung zu bilden.» In ihrer Freizeit nimmt sie sich Zeit zum Kochen. Send ist gerne draussen, treibt Sport oder liest. «Ich wälze nicht nur Gesetzestexte, sondern lese alle Arten von Büchern», sagt sie, während ihr Blick über das grosse Bücherregal schweift. Besonders Biografien eröffnen ihr immer wieder neue Blickwinkel. Zum Beispiel jene über die Musikerin Patti Smith. «Ihre Lieder gefallen mir und ich wollte mehr darüber erfahren, was für ein Mensch sie ist.» Durch das Lesen der Biografie sei ihr Smith sympathischer geworden. «Sie ist eine ziemliche Chaotin und hat einmal ihr Tagebuch mit wichtigen Einträgen im Flugzeug vergessen.» Beim Lesen dieser Anekdote ist Send bewusst geworden, dass auch Punk-Rockerin Patti Smith eine verletzliche und unorganisierte Seite in sich trägt. «Ecken und Kanten machen nicht nur Berühmtheiten einzigartig, sondern auch jeden anderen Menschen.»

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