«Ich fühlte mich damals sehr erwachsen»

Susanne Wegmüller ist der Liebe wegen nach Olten gekommen, auch wenn der Weg von Trimbach in die Stadt nicht weit war. Stricken ist für die fünffache Grossmutter wie Meditieren.

Im Garten hinter dem Laden: Susanne Wegmüller findet Olten «wohnenswert» und möchte mit ihrem Angebot etwas zum Stadtleben beitragen. (Bild: Sonja Furter)
Im Garten hinter dem Laden: Susanne Wegmüller findet Olten «wohnenswert» und möchte mit ihrem Angebot etwas zum Stadtleben beitragen. (Bild: Sonja Furter)

Sie war 17 Jahre alt, als sie von zu Hause aus- und mit ihrem Freund zusammenzog. «Ich fühlte mich damals sehr erwachsen», erinnert sich Wegmüller. Um in eine gemeinsame Wohnung ziehen zu können, hatte sich das junge Paar verlobt. «Zu dieser Zeit wurden keine Wohnungen an Paare vermietet, die nicht verheiratet waren oder zumindest die Absicht hatten, sich das Ja-Wort zu geben». Aufgewachsen war Susanne Wegmüller als Älteste von vier Kindern in Trimbach, wo sie auch die Schule besuchte. «Mit meinen «Gspändli» habe ich jede freie Minute in der Badi Olten verbracht und im Winter war die «Schlifi» unser wichtigster Treffpunkt», erzählt sie. Auch die Sommerferien verbrachte Susanne Wegmüller in Olten. Bei Verwandten, die mit ihren acht Kindern in einem Einfamilienhaus lebten. «Für mich waren das echte Ferien, auch wenn es nicht weit von Trimbach weg war. Es musste nicht Griechenland sein, damit es sich nach Sommer anfühlte». Mit siebzehn zog sie aus, mit zwanzig Jahren wurde Wegmüller zum ersten Mal Mutter: Sohn Marc erblickte das Licht der Welt. Dieser arbeitet heute als Metallbauschlosser, Tochter Noelle als Kauffrau und Susanne Wegmüller ist bereits fünffache Grossmutter. «Der Montag gehört Enkelin Juna. Manchmal nehme ich sie mit auf Einkaufstour für meinen Laden. Das letzte Mal durfte sie mir helfen, die Osterhasen für das Schaufenster auszusuchen».

Rohbau ohne Fenster

Nach der Schule hatte Wegmüller eine Ausbildung als Kauffrau bei Victor Meyer in Olten begonnen. Nach der Geburt ihres Sohnes war sie als Mutter und Hausfrau tätig. «Als die Kinder grösser waren, habe ich angefangen, im «Café Vaudois» zu arbeiten. Das war eine tolle Zeit in den 1980er-Jahren. Das Vaudois war immer voll, die Gäste gut gelaunt und das Wochenende begann bereits am Donnerstagabend». Das war auch der Ort, an dem sie begonnen habe, Dekorationsaufträge umzusetzen. «Das hat mir sehr gut gefallen». Dann kam die Scheidung von ihrem Mann, sie nahm ihren Mädchennamen Wegmüller wieder an. «Ich benötigte einen Job mit einem 100%-Arbeitspensum, denn ich wollte für mich selber aufkommen können». Im Oltner Stadtanzeiger stiess sie auf ein Inserat, in dem eine Mitarbeiterin mit handwerklichem Geschick und Freude an der Musik gesucht wurde. Wegmüller begann die Ausbildung zur Klavierstimmerin und arbeitete rund fünf Jahre auf dem Beruf. «Dann sagte ich mir: Jetzt will ich meinen Traum verwirklichen und die Dekorationsrichtung weiterverfolgen». Sie fand eine Anstellung im Möbelhaus Toptip, der für seine Filialen eine Dekorateurin suchte. Ein Jahr lang war sie in der ganzen Schweiz unterwegs und hat beim Aufbau und der Eröffnung von Filialen viel gelernt und erlebt. «Manchmal sind wir mit unserem Team in Filialen gekommen, die noch im Rohbau waren. Keine Fenster, nur Betonböden. Wir haben Wände gestellt, Böden verlegt, Lampenshops eingerichtet, hunderte Quadratmeter Wände gestrichen und die Geschäfte dekoriert». Mit «Learning by Doing» hat es Susanne Wegmüller bis zur Chefdekorateurin des grössten Möbelhauses in Zürich gebracht.

Olten als Schlafstadt

Nach rund zwanzig Jahren zog es sie wieder zurück nach Olten. «Ich habe nur noch hier geschlafen, bin am Morgen nach Zürich gependelt und spät abends zurückgekommen. Da habe ich realisiert: Ich kenne die Leute hier nicht mehr». So eröffnete sie ihr eigenes Geschäft «Stilbox», in dem sie Wohnaccessoires und Geschenke verkauft und bei Bedarf auch Einrichtungs- beratungen anbietet. «Heute kenne ich wieder viele Leute in Olten», freut sich Wegmüller, die sich selbst als ruhig und kreativ beschreibt und von sich sagt: «Wenn ich mir etwas vorgenommen habe, erreiche ich es auch».

Freundliche Kundschaft

Nicht nur die Stadt gefalle ihr, sondern auch die Menschen erlebt sie als angenehm und freundlich. «In Zürich kam es vor, dass Verkaufsberater- innen in der Pause geweint haben, weil sie so harsch von Kunden angefahren worden sind». Hier in Olten erlebe sie die Kundschaft als sehr nett und interessiert. Langweilig sei ihr auch an langen Tagen nicht, erzählt Wegmüller. «Ich habe im Geschäft eine eigene Werkstatt. Dort restauriere ich Möbel und Lampen vom Flohmarkt, stricke oder nähe». Wenn sie freie Zeit findet, geht Wegmüller gerne Wandern oder Skifahren. Ihre Haupt-Leidenschaft bleibt aber das Stricken. «Ohne Wolle bekomme ich Entzugserscheinungen», sagt sie augenzwinkernd. «Beim Stricken kann man seinen Gedanken nachhängen, die Zeit vergessen und hält anschliessend doch ein Resultat in den Händen». Auch sei Stricken sehr entspannend und wirke bei ihr wie eine Meditation. In Olten gebe es sehr viele Leute mit tollen Ideen für Ladenkonzepte und Lokale, findet Wegmüller. «Schade, dass wir manchmal wegen täglicher Verpflichtungen kaum dazu kommen, die Stadt und ihre Angebote mehr zu geniessen», bedauert Wegmüller. Die Stadt empfinde sie durch ihre überschaubare Grösse als fast schon heimelig. «Ich fühle mich in Olten sehr zu Hause und möchte nicht wegziehen.»

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