«Ich bin einfach Mensch»

Melina Di Santo bezeichnet ihr Leben als ihr Hobby, ist offen für jeden Menschen, war bei der Geburt ihres Neffen dabei und verbrachte für ihre Abschluss-arbeit einen Tag mit Punks in einem besetzten Haus.

Melina Di Santo meint «einmal Olten, immer Olten» und posiert in der Schützi neben ihrer Wohnung. (Bild: Sonja Furter)
Melina Di Santo meint «einmal Olten, immer Olten» und posiert in der Schützi neben ihrer Wohnung. (Bild: Sonja Furter)

Weder Coiffeuse noch Kosmetikerin: Di Santo hat gerade ihre Ausbildung zur Fachfrau Betreuung abgeschlossen und arbeitet mit geistig, körperlich und psychisch behinderten Menschen. Die erste Reaktion von Fremden sei oft, dass diese eher gedacht hätten, dass Di Santo im Schönheits-Sektor tätig sei, gefolgt von der Frage, wie sie in diesem anspruchsvollen Berufsumfeld Erfüllung finden könne. «Ich bin offen für jeden Menschen», gibt Di Santo dann zur Antwort und fügt hinzu: «In einem Büro könnte ich nicht arbeiten.» An der Tätigkeit mit Menschen gefalle ihr, dass sie jeden Tag ein «Danke» zurückbekomme und Wertschätzung erfahre für die Begleitung der Klienten im Alltag. «Wenn es mir gelingt, jemanden zu motivieren, draussen spazieren zu gehen, der seit Jahren sein Zimmer nicht mehr verlassen hat, sind das Erfolgsmomente, die mir Befriedigung geben.»

Buddhas und Shabby Chic

In Olten ist Di Santo geboren und aufgewachsen. Als Kind füllte sie Terrarien mit Käfern oder fing Kaulquappen ein. «Ich habe immer wieder Tiere mit nach Hause gebracht und wollte alle Lebewesen retten, die mir über den Weg liefen», erinnert sie sich. In den Teenagerjahren färbte sie sich die Haare blond, durchlebte eine «rosa Phase» und war als Skaterin oder Hip-Hoperin unterwegs. Nach der obligatorischen Schulzeit arbeitete sie im Service, um Geld zu verdienen. «Ich wollte einfach leben», sagt sie über diese Zeit, bevor sie im Alter von 21 Jahren ihre Ausbildung zur Fachfrau Betreuung begonnen hat. Heute blickt sie auf drei Jahre Lehrzeit zurück und freut sich, die Berufsausbildung mit Erfolg abgeschlossen zu haben. Ihren aktuellen Stil könne sie nicht definieren, sagt die Fachfrau Betreuung mit den langen schwarzen Haaren, die grosse silberne Creolen, ein Nasen-, Lippen- sowie ein Piercing durchs Lippenbändchen trägt, das aufblitzt, wenn sie lächelt. «Ich wurde in der Schule immer wieder ausgelacht, weil zwischen meinen Schneidezähnen eine kleine Lücke ist. Durch das Lippenbändchen-Piercing konnte ich diese kaschieren.» Bei allen anderen Piercings hingegen habe sie sich spontan entschieden, diese stechen zu lassen, erzählt Di Santo, die in ihrer eigenen Wohnung in der Schützi in Olten lebt. Ihr Wohnzimmer hat sie mit Buddha-Statuen, Setzkasten und einer gelben Rose dekoriert. «Buddhismus ist nicht meine Religion», erklärt sie, «aber die Mischung aus Shabby Chic und orientalischem Einrichtungsstil gefällt mir sehr.»

So Multikulti wie Olten

Als Schweizerin mit italienischen Wurzeln findet Di Santo, dass Nationalität ein grosser Begriff sei. «Ich kann nicht sagen, als was ich mich fühle. Ich bin einfach Mensch.» Ihr Kollegenkreis sei genauso Multikulti wie Olten selbst und die Stadt ein Ort, an dem sie gerne lebe. «Viele sagen: Einmal Olten, immer Olten. Das würde ich unterschreiben», sagt die 24-Jährige, die nach einem kurzen Aufenthalt in Rothrist nun wieder in Olten wohnt. «Man hört viel über die Probleme der Stadt, dabei gibt es auch andere Seiten von Olten. Schöne Plätze an der Aare, wo man sich hinsetzen und chillen kann. Auch kennt in Olten jeder jeden, es ist sehr familiär.» Die Mutter von Di Santo ist Schweizerin, der Vater Italiener und die jüngere Schwester hat einen dreijährigen Sohn. «Er ist unser Sonnenschein und ich verbringe gerne Zeit mit ihm», erzählt Tante Melina Di Santo. Bei der Geburt im Spital durfte sie mit dabei sein. «Das war ein sehr eindrückliches Erlebnis.»

Gegen die Normen der Gesellschaft

Ihre Freizeit verbringt Di Santo in der Natur und ist gerne mit Kollegen unterwegs. Überhaupt tue sie viele Dinge gern, sprudelt es aus der jungen Frau heraus und sie findet: «Mein ganzes Leben ist ein Hobby.» Ihr Interesse und ihre Offenheit für Menschen zeigt sich auch in der Wahl ihrer Abschlussarbeit. Sie entschied sich, über die Punk-Szene in der Schweiz zu schreiben. Dazu lebte sie zwei Tage zusammen mit einer Gruppe Punks in einem besetzten Haus in Zürich. «Es gab keine Dusche und keine Heizung », erzählt Di Santo von ihren Erfahrungen, «dafür war es ziemlich chaotisch und die Betten selbst gezimmert. Punk-Style eben.» Essen besorgten sie sich zum Teil aus Containern von den umliegenden Lebensmittelläden. Das habe ihr eindrücklich vor Augen geführt, wie viel Lebensmittel in unserer Gesellschaft im Müll landen. In einigen Jahren möchte Di Santo gerne ein Austauschjahr machen, ihre Italienisch-kenntnisse auffrischen und dann noch ganz weit weg. «Mich würde es reizen, das Feld der sozialen Berufe auch in anderen Ländern zu entdecken, zum Beispiel bei der Arbeit mit Strassenkindern, Drogenabhängigen, in einem Gefängnis oder als Streetworkerin.»

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