«Ich bin ein Menschenkenner»

Lucien Meister steigt in Olten nicht um, sondern aus. Der gebürtige Basler arbeitet als Empfangschef im Kantonsspital Olten (KSO) und fühlt sich auch als «Ausländer» in seiner Funktion akzeptiert. Am Telefon schafft er Kontext und kommt am Schalter mit den unterschiedlichsten Menschen in Kontakt.

«Grüezi, was chan ich für Sie tue…?», fragt Lucien Meister an seinem Arbeitsplatz, dem Empfang des Kantonspitals Olten, stehend. (Bild: Sonja Furter)
«Grüezi, was chan ich für Sie tue…?», fragt Lucien Meister an seinem Arbeitsplatz, dem Empfang des Kantonspitals Olten, stehend. (Bild: Sonja Furter)

Wer die Hauptnummer des Kantonsspitals Olten wählt, hat den Empfangschef Lucien Meister am anderen Ende der Leitung. «Die meisten Anrufer suchen auf search.ch nach der Nummer des Kantonsspitals und nehmen die Oberste», ist Meisters Erfahrung. Damit landen sie bei ihm oder einem seiner Mitarbeiter. Das Spital mit all seinen Abteilungen gut zu kennen, um den Patienten ans richtige Ort weiterleiten und gut beraten zu können, sei deshalb zentral. «Wir sind die Dreh- scheibe des KSO.» Der kurze Kontakt mit dem Patienten am Empfang sei für diesen der erste Eindruck beim Eintritt und der letzte Eindruck beim Austritt. Und somit entscheidend, ob ein Patient den Spitalaufenthalt eher in guter oder schlechter Erinnerung behalte. «Menschen befinden sich beim Eintritt ins Spital oft in einem Ausnahmezustand», so Meister, «die meisten Patienten wissen nicht genau, was auf sie zukommt und was sie beim Untersuch erwartet.» Die Menschen in dieser emotionalen Situation abzuholen, sie freundlich zu empfangen und ihnen Sicherheit zu vermitteln, seien daher grundlegende Bestandteile seiner Arbeit, so Meister. Auch umfasst seine Tätigkeit das Erteilen von Auskünften, die Verarbeitung von Postsendungen und den Telefondienst. Anders als am Schalter müsse er am Telefon den Kontext erst schaffen, indem er erkläre, was rundherum passiere, und einzelne Arbeitsschritte bewusst nennen, zum Beispiel, dass man im Computer-System nach dem Geburtsdatum suche. «Doch gerade die Vielseitigkeit schätze ich an meinem Beruf», betont Meister. «Kein Tag ist gleich wie der andere, bei jeder Schicht erwarten mich neue Herausforderungen. Jeden Tag habe ich mit den verschiedensten Menschen Kontakt.» Nach sieben Jahren am Empfang sagt er darum von sich: «Ich bin ein Menschenkenner.»

Vom Hotel ins Spital

Er habe einen schönen Arbeitsplatz, findet er: «Der Eingang des KSO wird eher mit einer Hotel- halle als mit einem Spitaleingang in Verbindung gebracht.» Bei seiner Tätigkeit erlebe er viele gute, schöne und freundliche Kontakte. Jedoch müsse man auch mit Todesfällen umgehen können, Angehörige in einem solchen Fall beraten. «Wenn ich den Jahrgang von einem Patienten höre, welcher jung verstorben ist, trifft mich das schon.» Die Mitarbeiter in seinem Team kommen alle aus dem Dienstleistungssektor: Verkauf, KV oder Hotellerie. Er selbst ist früher in der Gastronomie tätig gewesen, ist gelernter Restaurationsfachmann. «Meine erste berufliche Station war im Hotel Hilton in Basel.» Anschliessend arbeitete er während eines Jahres in London und landete schliesslich bei der UBS, wo er den Empfang für die Geschäftsleitung innehatte. «Ich habe Sitzungszimmer vorbereitet und für den Service gesorgt.» 2010 kam er nach Olten. «Es ist mir ein Anliegen, das Spital gut zu vertreten, auch wenn der Dialekt nicht ganz stimmt», lacht er. «Von Patienten werde ich manchmal gefragt: Sinder vo Basel …?» Das erlebe er aber nicht als feindlich, sondern wohlwollend. Auch als «Ausländer» fühle er sich von den Oltnern akzeptiert und willkommen. In der «Eisenbahnerstadt» steigt Lucien Meister darum nicht um, sondern aus. «Olten ist mein Arbeitsort. Das ist mein stärkster Bezug zur Stadt. Sonst kenne er nur den Bahnhof, das Spital und die Altstadt.»

Zwischen Olten, Basel und London

Sich selbst beschreibt der 53-Jährige als offen, dienstleistungsbewusst und kommunikativ. Seine Frau hat er ganz klassisch kennen gelernt. «Wir haben zusammen die Lehre absolviert.» Das berufliche Austausch-Jahr in London bestritt das Paar dann gemeinsam. Ein Abenteuer, das sie bis heute zusammenschweisst. «Meine Frau ist sich nicht sicher, ob sie auch alleine gegangen wäre.» Und Lucien Meister sagte sich vor der Abreise, dass er ja gut Englisch könne. «Dies traf auch zu, wurde aber bei Behördengängen dann doch auf die Probe gestellt.» Noch heute besucht das Ehepaar regelmässig London. «Wenn wir dort ankommen, fühlen wir uns zu Hause. Wir schätzen die Mentalität der Menschen dort.» Lucien Meister führt somit ein Leben zwischen Olten, Basel und London und hat zwei erwachsene Söhne, die beide im Gastronomie-Bereich tätig sind. Der Ältere arbeitet als Sommelier, der Jüngere als Hotelkaufmann. Auf die Frage, warum sich beide Kinder für diese Richtung entschieden hätten, lacht Meister: «Es hat nichts genützt, dass ich gesagt habe: Macht es nicht!»

 

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