«Ich bin ein geselliger Einsiedler»

Bruno Cerf bat als Kind amerikanische Soldaten um Kaugummi, flog über den eisernen Vorhang, betrachtet Kunst als Sprache und heiratete seine Frau an ihrem Geburtstag.

Der visuelle Gestalter Bruno Cerf fertigt in seinen Ateliers Bilder und Bücher an. (Bild: S. Furter)
Der visuelle Gestalter Bruno Cerf fertigt in seinen Ateliers Bilder und Bücher an. (Bild: S. Furter)

Schwarz-weiss waren die Sendungen, die über den Bildschirm flimmerten, als der visuelle Gestalter Bruno Cerf für das SRF Kinderprogramme zeichnete. «Um mit den verschiedenen Grautönen zu arbeiten brauchte ich als Künstler farbigen Ideenreichtum.» Mit dem Aufkommen des Farbfernsehens wurde der Bildschirm plötzlich farbenfroh und die Gestaltungsmöglichkeiten grösser. «Doch Farbigkeit ist oft zu bunt», weiss der Künstler und schwärmt: «Die schönsten französischen Krimis sind schwarz-weiss.» Nicht nur in der Fernsehlandschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten vieles verändert. Als Cerf 1969 in den Oltner Gemeinderat gewählt wurde, gab es das Frauenstimmrecht noch nicht. Und als Kind der Nachkriegszeit baten er und seine Freunde amerikanische Soldaten in Uniform um Kaugummi. «Ausgesprochen haben wir das Wort Chewing Gum mit deutscher Betonung «Chäwing Gomm». Es war eine grosse Freude, wenn wir das begehrte Objekt erhalten haben und in den Mund stecken konnten.»

Zwischen Geburt und Tod

Aufgewachsen als Ältester von drei Kindern in Olten machte Cerf eine Ausbildung zum Grafiker. Bei der Abschlussprüfung der allgemeinbildenden Fächer erlaubte er sich einen Scherz und schrieb mit rotem Stift, sodass der Lehrer mit einer anderen Farbe korrigieren musste. Kunst versteht Cerf als eine Sprache, die wie das gesprochene Wort Botschaften transportieren kann. Nach seiner Zeit beim Fernsehen bildete er sich mit 36 Jahren zum Zeichenlehrer weiter und kam dadurch als Abteilungsleiter und Lehrkraft an der Schule für Gestaltung in Bern mit vielen jungen Menschen in Kontakt. Seit seiner Pensionierung ist er täglich in einem seiner Ateliers in Olten oder Frankreich tätig. «Das Leben ist eine sinnlose Sache, wenn der Mensch nichts daraus macht», sinniert der 76-Jährige und findet, man müsse den Jahren Inhalt geben und Dinge mit Leidenschaft tun. «Zwischen Geburt und Tod gibt es einen grossen Reichtum zu entdecken.»

Zwei Lebenswelten

Die künstlerische Tätigkeit sei eine Auseinandersetzung mit sich selbst, beschreibt Cerf sein Schaffen und lacht: «Auch mit 76 Jahren kenne ich mich noch nicht ganz und entdecke immer wieder neue Seiten an mir.» Durch die Kunst sei er über die Jahre toleranter geworden. «Ich habe zwei Identitäten gelebt. Eine als Zeichnungslehrer mit jungen Menschen und eine als Künstler alleine in meinem Atelier.» Diese zwei Lebenswelten sind der Grund, warum Cerf sich selbst als «geselligen Einsiedler» bezeichnet. Seine Gemälde erzählen Geschichten, viele davon thematisieren in abstrahierter Form die Fliegerei. «Malen ist für mich Ausdruck meiner künstlerischen Identität und Verarbeitung von Lebensereignissen.»

Hinter dem eisernen Vorhang

Als junger Mann besuchte Cerf Flugstunden und flog mit den Motorflugzeugen oft ziemlich tollkühne Manöver. Auf dem Luftweg gelangte er lange vor der Wende hinter den eisernen Vorhang. Mit Passagieren im Gepäck überflog der Pilot Stacheldrahtzäune sowie Wachtürme und landete mit dem «Guggerli» in Prag. «Es gab klare Vorschriften, wo ich hinfliegen durfte. Von der Basis aus besuchten wir in Zlin ein Flugzeugwerk und eine Schuhfabrik. Dabei trafen wir auf Dörfer, in denen fast nur Frauen lebten, weil die Männer im Krieg umgekommen waren.» Später gab er seiner Tochter den russischen Namen Tatjana und verrät, dass er immer mit gutem Gefühl ins Flugzeug gestiegen sei. «Ich hatte mehr Angst auf dem Boden als in der Luft.» Neben dem Fliegen ist auch Feuer ein häufiges Motiv in seinen Bildern. Dies ist auf ein tragisches Ereignis zurückzuführen, als sein Bruder bei einem Flug von einem Militärflieger im Lande-anflug gerammt wurde, abstürzte und verbrannte. «Ich brauchte lange Zeit, um diesen Schicksalsschlag zu verarbeiten. Die Feuerbilder sind ein Teil dieses Weges.»

Hochzeit am Geburtstag

Mit der Dreitannenstadt seien alte Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend verknüpft. «Ich bin nicht ein Berner und auch kein Aargauer oder Solothurner, sondern ein Oltner», fasst Cerf dieses Selbstverständnis in Worte. Einer seiner Lieblingsplätze sei der ehemalige Flugplatz, auf dem er jeden Morgen mit dem Hund spazieren gehe. Mit seiner Ehefrau, mit der er seit fast fünfzig Jahren verheiratet ist, lebt er in einer Wohnung mitten im Stadtkern. Kennen gelernt hatte sich das Paar an einem «verrückten Abend» im Bornhof. Beide waren mit Freunden gekommen und Cerf hatte sich an den Tisch gesetzt, an dem auch «seine zukünftige Susanne» sass. «Sie war eine hübsche, interessante junge Frau und hatte auf den ersten Blick mein Interesse geweckt.» Forsch und mutig rief Cerf: «Die werde ich heiraten.» Mit am Tisch sassen zwei seiner Freunde, die dann tatsächlich Trauzeugen wurden. Seine Aussage habe Susanne imponiert, am nächsten Tag sind die beiden abgehoben. «Sie war die erste Frau, die ich zweimal am gleichen Tag zum Fliegen eingeladen habe.» Ein Jahr später, an Susanne’s Geburtstag, läuteten die Hochzeitsglocken. Das Datum hatte das Paar absichtlich so gelegt. «Damit ich den Hochzeitstag nicht vergesse», schmunzelt Cerf und lacht: «Nun vergesse ich einfach zwei wichtige Daten am gleichen Tag.»

Weitere Artikel zu «Im Fokus», die sie interessieren könnten

Im Fokus28.02.2024

Wirz-Burri – Kolonialwaren und Delikatessen am Bifangplatz

Briefgeschichten Am Bifangplatz befand sich vor rund hundert Jahren an prominenter Lage der Laden zum «Bifanghof» von Paul Wirz-Burri. Die…
Im Fokus28.02.2024

«Unsere Lieder sind Medizin für unsere Herzen»

Olten Der Gedenkanlass «Zwei Jahre Krieg in der Ukraine» in der Stadtkirche wurde von weit über 200 Personen besucht.
Im Fokus28.02.2024

Gefrässig und vermehrungsfreudig

Asiatische Hornisse Die Verbreitung der Asiatischen Hornisse bedroht einheimische Bienenvölker. Die Bevölkerung ist dazu aufgerufen, Sichtungen zu…