Ich bin ein «Chöbu»-Kind

Lucas Nottaris wuchs mit dem «König von Olten» in der Altstadt auf, ist ein «Chöbu»- Kind, verteidigt seine Herkunft gegenüber kritischen Zürchern, winkt vom Balkon dem Pfarrer zu und vermutet, Mundartsänger Kunz habe sich für seinen Song «Olten» von Vorurteilen leiten lassen.

Lucas Nottaris vor dem Viadukt in Zürich mit den leuchtend roten Hosen, die er beim ersten Treffen mit seiner heutigen Freundin getragen hat. (Bild: Sonja Furter)
Lucas Nottaris vor dem Viadukt in Zürich mit den leuchtend roten Hosen, die er beim ersten Treffen mit seiner heutigen Freundin getragen hat. (Bild: Sonja Furter)

Die Schlusszeile im Song «Olten» von Mundartmusiker Kunz lautet: «Für dich würde ich nach Olten ziehen. Nur nach Zürich gehe ich nie.» Genau das hat Lucas Nottaris getan. In Olten hat er Kindheit und Jugend verbracht und seine Lehre als Koch absolviert, heute lebt der 23-Jährige in einer Stadtwohnung in Zürich mit Blick aufs Getreidesilo und die St. Josef Kirche. Zur Liedzeile vermutet er: «Wahrscheinlich hat Kunz nie in Zürich gelebt und sich von Vorurteilen leiten lassen», und lacht, «oder er war in Zürich, aber am falschen Ort.» Das Quartier, in dem er lebe, erinnere ihn stark an Olten und sei ähnlich familiär. Der Coiffeur um die Ecke sei Syrer, der Schuhmacher Italiener, der Koch vom «Thai»-Restaurant Thailänder und der Kioskbesitzer Schweizer. Obwohl er Zürich sehr schätze, sei er stolz darauf, in Olten aufgewachsen zu sein. «Wenn mir Zürcher sagen, ich käme «nur» aus Olten, dann verteidige ich meine Herkunft.» Er sei ein «Chöbu»-Kind, erzählt Nottaris und bezeichnet dessen Hamburger als prägende Kindheitserinnerung.

Der König von Olten

Aufgewachsen ist Nottaris in der Altstadt mit dem «König von Olten», dem Kater Toulouse. «Er war eine aufmüpfige Katze, die oft auf fremden Sofas zu Gast war. Toulouse konnte Türen selber öffnen und hatte etwas Königliches an sich», erzählt Nottaris. Einmal habe der Kater den Alarm ausgelöst, weil er es sich in der Stadtbibliothek bequem gemacht hatte und dort in der Nacht eingeschlossen war. «Der Schriftsteller Alex Capus hat sein Buch «der König von Olten» nach Toulouse benannt. Und die Cafeteria Suteria in Olten benutzte den Kater als Schokoladen- vorlage», erzählt Nottaris über die berühmte und stadtbekannte Katze.

Der Grieche

Zusammen mit seinem Bruder hat der 23-Jährige Recherchen zum Namen «Nottaris» durchge- führt und zu diesem Zweck Familienangehörige befragt. «Der Name ist griechisch, meine Vorfahren sind vermutlich nach Italien eingewandert, von dort weiter gezogen ins Tessin und nach La-Chaux-de-Fonds.» Die Grosseltern mütterlicherseits sowie die Mutter von Nottaris stammen aus Olten. Diese arbeitet als bildende Künstlerin, der Vater als Journalist beim Schweizer Fernsehen. Lucas Nottaris älterer Bruder Angelo ist gelernter Uhrmacher und hat gerade sein Studium als Industriedesigner abgeschlossen, der neunjährige Halbbruder Dante geht noch zur Schule. «Ich mache da keine Differenzierung. Für mich ist Dante mein Bruder, mit dem ich gerne spiele und dem ich bei den Hausaufgaben helfe.»

Koch und Weinverkäufer

Weil die Mutter berufstätig war, hat Nottaris schon als Schulkind gekocht. «Ich musste das Schemmeli nehmen, damit ich bis zum Herd reichte. Meine Mutter hatte alles vorbereitet und ich kochte das Essen dann fertig.» Diese Erfahrung habe ihn geprägt und mit dazu beigetragen, dass er nach der Schule im Restaurant Salmen in Olten eine Lehre als Koch gemacht hat. «Ich arbeite gerne am Herd, kreiere neue Gerichte und umsorge leidenschaftlich gerne meine Gäste.» Aber Nottaris wollte noch andere Erfahrungen sammeln. Im Militär ist er zurzeit Oberleutnant, er arbeitete als Projektleiter für eine Hausliquidation, als Weinverkäufer, Barkellner, Bauherren- vertreter und holte die Berufsmatura nach. Ab September wird er an der Ecole hôtelière de Lausanne studieren. «Die Oltner denken, ich bin Zürcher und die Zürcher denken, ich bin Berner. Und die Lausanner … ?», lässt er offen.

Sargans meets Olten in Zürich

Lucas Nottaris liest gerne Zeitungen, besonders «Die Zeit» und «Die Süddeutsche.» Seine Arbeit bezeichnet er als sein Hobby, jedoch würde er sich gerne einmal ein weiteres Hobby zulegen, zum Beispiel Segeln oder Golfen. Seine Freundin lernte er kennen, als er mit einem Kollegen in einem Zürcher Café sass. «Sie setzte sich zu uns an den Tisch», erzählt Nottaris und lacht: «Sie verriet mir später, ihr erster Eindruck von mir sei der eines Snobs gewesen.» Dieser legte sich im Gespräch, die beiden fanden sich sympathisch, tauschten Nummern aus und sind seit rund zwei Jahren ein Paar. Noch heute erinnert sich Nottaris daran, welche leuchtend roten Hosen er an jenem Tag getragen hat, als er seine Luisa kennenlernte. Und noch heute lachen die beiden darüber, dass sich eine Sarganserin und ein Oltner ausgerechnet in Zürich kennen gelernt
haben.

Begegnungsorte

Obwohl er selber nicht religiös sei, schätze er es, eine Kirche vor dem Haus zu haben, erzählt Nottaris. «Ich kenne Pfarrer Hannes sehr gut und winke ihm vom Balkon her zu. Oft sagt er mir dann, dass unsere Fenster schmutzig seien und ich erwidere, dass wir sie gerade erst geputzt hätten.» Im Pfarreisaal der Kirche feierten sie oft Familienfeste. Die St. Josef Kirche in Zürich werde als Begegnungsort verschiedener Kulturen genutzt. Davon würde sich Nottaris noch mehr wünschen. «Ob in Zürich oder Olten. Es braucht Wiesen, Parks und Plätze, wo Menschen sich begegnen können.»

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