«Heute ist wichtig, morgen ist wichtig, übermorgen aber nicht»
Was macht eigentlich? Den EHC Olten hat er als Spieler und als Trainer geprägt. Und: Er gilt als einer der besten Schweizer Goalies, die nie Meister wurden. Seit einigen Jahren arbeitet Dino Stecher abseits des Rampenlichts.
Dino Stecher lacht lange. Dann sagt er: «Das ist nicht schlecht!» Es ist die Reaktion auf die Einstiegsfrage, ob es Journalisten gebe, mit denen er kein Wort mehr wechsle. «Nein, die gibt es nicht. Die machen auch nur ihren Job.» Erstaunen könnte eine Verweigerungshaltung in seinem Fall nur bedingt. Als nervenschwach wurde er in der Presse zuweilen kritisiert, als Mann, der in der entscheidenden Phase nicht auf Toplevel agiert. Stecher gilt in der Geschichte des Schweizer Eishockeys als einer der besten Goalies, die es nie zu Meisterehren gebracht haben – weil er eben vermeintlich das eine oder andere Mal zur Unzeit danebengriff.
Stecher, heute 59-jährig, schrammte zu Beginn der 90er-Jahre nur knapp am grossen Triumph vorbei. Als Rückhalt der legendären Gottéron-Equipe rund um die beiden russischen Starspieler Wjatscheslaw Bykow und Andrei Chomutow stand er von 1992 bis 1994 dreimal in Serie im Playoff-Final – und verlor alle drei. Danach, von 1994 bis 1998, hütete er das ZSC-Tor. Es war jene bewegte Phase des Zürcher Traditionsklubs, als dem Kürzel «ZSC» ein «Lions» hintangestellt wurde und der Klub innert Kürze eine neue Identität annahm. Vor seiner Fribourg-Zeit stand er im Tor seines Stammvereins EHC Olten, dem er als Achtjähriger beigetreten war. In der Saison 1984/85 hatte er als Stammgoalie massgeblichen Anteil am Aufstieg in die damalige Nationalliga A, trug danach noch zwei Jahre Grün-Weiss, ehe er 1987 ins hockeyverrückte Fribourg weiterzog.
Sieben Saisons stand er in Fribourger Diensten, erlebte die Wandlung vom Abstiegskandidaten zum Fast-Meister hautnah mit. Wer sich heute, Jahrzehnte später, an den Goalie Dino Stecher zurückerinnert, dürfte vor allem an jene Phase mit Mitspielern wie Bykow, Chomutow, Rottaris, Schaller oder Brasey denken. Ein Team, das für Spektakel stand. Eines aber auch, das defensiv nicht immer so sattelfest war, wie es nötig gewesen wäre. Und er, Stecher, war als hinterster Mann letztlich der Leidtragende – und wurde so auch mal zum Sündenbock gestempelt. «Wenn ich zurückblicke, hat mir der Support aus dem näheren sportlichen Umfeld gefehlt, ich wurde manchmal zu wenig gestützt. Und so wuchs der Druck auf mich so enorm, dass ich anfällig auf Fehler wurde.»
Es sei ihm nicht immer gelungen, in der entscheidenden Meisterschaftsphase seine sensible Seite zu überdecken und störende Einflüsse von aussen wegzuschieben. «Ich lieferte immer Topleistungen bis zum Playoff-Final. Danach wurde die Luft sehr dünn.» Aber ihnen habe auch als Team immer ein bisschen was zum Titel gefehlt – vielleicht gerade deshalb, weil sie über die zwei besten Stürmer der Liga verfügten. «Wir legten das Gewicht auf die Offensive, nicht auf die Defensive. Das geht in den Playoffs nicht.» Bis heute wartet Fribourg-Gottéron auf den ersten Titel seiner Klubgeschichte.
Für sich hat Stecher längst Frieden geschlossen mit den damaligen Geschehnissen. «Klar wäre es schön gewesen, es hätte mal geklappt mit dem Meistertitel. Aber es hat nicht sollen sein. Ich hatte trotzdem eine schöne Karriere, gehörte über einen längeren Zeitraum zu den besten Goalies.» Im Rückblick könne er sich ohnehin nicht viel vorwerfen, viel anders machen würde er nicht. Allerdings hätte es ihn als junger Goalie gereizt, sein Glück mal in Kanada zu versuchen. Tino Catti, der damalige TK-Chef des EHCO, erteilte diesem Wunsch aber kategorisch eine Absage. Später sollte sich diese Frage für ihn nie mehr stellen.
«Es gibt noch anderes als Eishockey»
Nach seiner Aktivkarriere lancierte er seine Trainerkarriere und wirkte während fast 20 Jahren als Head- oder Assistenzcoach – unter anderem längere Zeit als Assistent Kevin Schläpfers in Biel oder während vier Jahren als Cheftrainer in Olten Ende der 2000er-Jahre. An die Zeit in Biel, bei professionellen Bedingungen und in der höchsten Liga der Schweiz, hat Stecher die besten Erinnerungen. Als Schläpfer – mit dem sich Stecher trotz völlig unterschiedlichen Charakters bestens verstand - im Herbst 2016 entlassen wurde, trat auch Stecher von seinem Amt zurück. Er wollte sich eine Pause gönnen.
Diese allerdings dauerte nur gerade zwei Monate. In der Altjahreswoche 2016 trat er eine neue berufliche Aufgabe an. Er, der einst eine KV-Lehre abgeschlossen hatte, wurde zum Projektleiter Eishalle im Sportzentrum Campus Perspektiven in Huttwil berufen. Planungen im Bereich Eisnutzung hatte er schon in der Vergangenheit gemacht, über ein grosses Netzwerk verfügte er auch. «Es ging sehr schnell. Als ich dieses Angebot erhielt, dachte ich mir: Mache das mal. Es gibt noch anderes als Eishockey.»
Siebeneinhalb Jahre später ist Dino Stecher noch immer im Oberaargau tätig. Zu Beginn, sagt er, sei er einige Male «fast rückfällig» geworden, stand also kurz davor, doch wieder einen Job im Eishockey-Business anzunehmen. Zu mehr als einer parallel ausgeübten zweijährigen Trainertätigkeit beim Zweitligisten Zunzgen-Sissach mochte er sich aber nicht mehr durchringen. Mit zusätzlicher Verantwortung in Huttwil waren weitere Engagements bis heute kein Thema mehr. Er wurde zuerst zum Leiter Eishalle und danach zum Geschäftsführer des gesamten Komplexes berufen. Letzteres war im Frühling 2020 der Fall.
Aus dem nationalen Rampenlicht ist Dino Stecher damit verschwunden. Im Oberaargau jedoch ist er noch immer beinahe eine öffentliche Person. In der Umgebung, erzählt er, werde genau beobachtet, was rund ums Sportzentrum Huttwil passiere. Dieses erlitt unter der früheren Betreiberin zwei Konkurse und liegt in einer sehr ländlichen Grenzregion. «Es ist eine sehr, sehr spannende Gegend. Und die Leute interessiert es, was bei uns abläuft. Wir sind hier ein Unterhaltungsfaktor.»
Der zweifache Vater, der die ersten acht Lebensjahre in Scuol im Unterengadin und danach in Olten aufgewachsen war, wohnte während der Hockeykarriere meist in der Region Olten. Jetzt ist er in Zofingen zuhause. Die Vorzüge des Nicht-Sportlerlebens erkannte er erst spät. «Ich begann zu schätzen, dass ich am Wochenende mal frei hatte.»
2024 wird Stecher 60-jährig. «Die Pension wird langsam zu einem Thema», sagt er. Allzu weit aber schaue er nicht voraus. «Wichtig ist heute, wichtig ist morgen, aber nicht übermorgen.» Vielleicht, denkt er laut nach, schenke er sich zum 60. Wiegenfest mal etwas längere Ferien. «Denn Zeit ist das wertvollste Gut – neben der Gesundheit.»
Fünf Monate ausser Gefecht
Das Bewusstsein dafür, was wirklich wichtig sei, hat sich bei ihm durch einen gesundheitlichen Einschnitt verändert. Stecher war letztes Jahr längere Zeit krank, erlitt eine schwere Lungenentzündung und im Anschluss Komplikationen, die zwei Rückenoperationen nötig machten. «Statt nach Portugal in die Ferien zu fliegen, musste ich den Notfall aufsuchen.» Fünf Monate war er mehr oder weniger ausser Gefecht.
Davon ist jetzt nichts mehr zu spüren. Wenn Stecher raschen Schrittes durch «sein» Sportzentrum wuselt und da und dort jemanden grüsst, wirkt er fit und voller Tatendrang – und jünger als 59. Aufs Eis übrigens begibt er sich bis heute, nicht nur an seinem Arbeitsplatz in Huttwil, wo er regelmässig mit der Eismaschine umherkurvt. Seit seinem Rücktritt hat Stecher beim Oltner Seniorenteam MSO weiterhin die Schlittschuhe geschnürt. Bis auf ein, zwei Ausnahmen ist er jedoch nie mehr im Tor gestanden. Als Stürmer, das weiss Dino Stecher nicht erst seit seiner Zeit in Fribourg, muss man kaum je als Sündenbock herhalten.
kurz und knapp
Dieses Buch kann ich wärmstens empfehlen
«Anleitung zum Unglücklichsein» von Paul Watzlawick. Das kann man immer wieder lesen.
Auf diesen Gegenstand kann ich nicht verzichten
Die Tasse Espresso am Morgen – eine Gewohnheit. Seit 30 Jahren ist die Kaffeemaschine am Morgen das erste, das läuft.
An diesem Ort gefällt es mir ausgezeichnet
Ich könnte jetzt Porto sagen, eine Stadt, die mir sehr gut gefällt. Aber der schönste Ort ist wohl jener, an dem man mit Leuten, die man mag, zusammen sein kann.