Hauptsache, die Chemie stimmt
Marco Rudolf von Rohr Seine Mutter habe mit ihm als experimentierfreudiges Kind einiges zu tun gehabt, verriet Marco Rudolf von Rohr gleich zu Beginn des Gesprächs. Heute lebt er seine Leidenschaft zur Chemie professionell aus.
Seitdem er ein kleines Kind war, habe er die «Naturwissenschaften» im Visier gehabt – und das nicht immer ganz risikoarm. Heute als erwachsener Mann sieht Marco Rudolf von Rohr aus Olten das Ganze etwas anders. «Kinder sollten auf keinen Fall ohne Aufsicht mit Chemikalien herumexperimentieren, das ist extrem gefährlich», warnt Rudolf von Rohr mit Nachdruck, nicht zuletzt, weil es diesbezüglich in seinem Bekanntenkreis schon schlimme Unfälle gegeben habe.
Grosse Lust auf Grenzerfahrungen
Der studierte Chemiker, der das Telefon immer nur mit «von Rohr» abnimmt, um zu verhindern, dass die Anrufer glauben, er hiesse «Rudolf» zum Vornamen, verbrachte seine Kindheit in Kestenholz als Sohn einer Floristin. Sein Vater, ein Saisonarbeiter aus Bulgarien, trieb das Heimweh in den 90er-Jahren in seine Heimat zurück. Nach der Primarschule, die er ebenfalls in Kestenholz absolvierte, besuchte er in Oensingen die Bezirksschule. «In der Pubertät hatte ich grosse Lust auf Grenzerfahrungen», darum habe es dann auch mit der Kantonschule in Olten nicht gut geklappt, die er nach zwei Jahren verlassen habe. Nach diesem Abbruch entschied er sich dazu, ein Jahr lang zu jobben. «Innerhalb dieses Jahres, in welchem ich fünf oder sechs verschiedenen Jobs ausprobiert habe, suchte ich mir eine Lehrstelle als Laborant und wurde schliesslich im Baselland fündig», so der bärtige Mann, der am 11. November dieses Jahres seinen 30. Geburtstag feiern wird. Schlussendlich habe er sich dann aber doch – halt nach einer Lehre und nicht via Matura – dazu entschieden, ein naturwissenschaftliches Studium zu absolvieren, was er schliesslich an der ZHAW in Wädenswil auch umsetzte und danach als Chemiker mit Spezialisierung auf Festkörperchemie zu arbeiten begann.
Momentan teilweise im Homeoffice
Durch die Corona-Krise ist Rudolf von Rohr momentan zwei Tage in der Firma vor Ort und drei Tage pro Woche im Homeoffice. Er geniesse das sehr, da man einiges an Reisezeit spare,die man sinnvoller nützen könne. «Aber ich musste zuerst wieder einen Arbeitsrhythmus finden und auch einmal Feierabend machen», bemerkt Rudolf von Rohr, ansonsten würde er wohl andauernd arbeiten. Seiner Meinung nach wäre das eine schlechte Idee, so sehr er seinen Job auch liebe. «Das Privatleben darf nicht darunter leiden», denn auch seine mittlerweile zwölf Jahre andauernde Beziehung zu seiner Partnerin ist für ihn von äusserster Wichtigkeit.
Einfach mal vertrauen
Was Rudolf von Rohr im Moment ganz besonders umtreibt, gerade weil er als in der Pharmazie tätiger Chemiker eine Fachperson auf diesem Gebiet darstelle, sei die aktuell kursierende Impfskepsis eines grossen Teils der Schweizer Bevölkerung. «Das Vertrauen in die Wissenschaft und in die Medizin scheint nicht mehr vorhanden zu sein», so Rudolf von Rohr und fügt hinzu, dass sich jede Menge Menschen nach ein paar Wochen YouTube-Studium für kompetenter auf diesem Gebiet hielten als ein Fachmediziner nach jahrelangem Studium an Universitäten. Versuche er dann einem Impfgegner mit Vernunft zu erklären, warum es sinnvoll ist, sich impfen zu lassen, und dass die Risiken im Gegensatz zu einer Infektion mit dem Coronavirus verschwindend klein seien, dann stosse er in der Regel auf taube Ohren. «Man muss wissen, dass das Virus nicht mehr verschwinden wird aus unserer Gesellschaft, man hat also die Wahl, sich früher oder später mit dem Virus anzustecken oder sich impfen zu lassen.»
Um sich diese Überlegung etwas einfacher zu machen, solle man sich überlegen, ob an der Impfung oder am Virus täglich um die hundert Menschen sterben. Der Grund, so Rudolf von Rohr, warum die Entwicklung dieser Impfung so schnell ging, waren die Unmengen von Geldern, die für die Entwicklung zur Verfügung gestellt wurden. Zudem spiele die Tatsache, dass viele Unternehmen und Forschungsgruppen simultan das Problem untersuchten, eine grosse Rolle. Dass dies einige Leute verunsichere, sei verständlich, jedoch nicht begründet, da der Impfstoff genau die gleichen Testverfahren durchlaufen habe, einfach gestraffter. «Und schliesslich dürfen wir doch einfach auch einmal vertrauen», betont der Naturwissenschaftler.
Freizeit-Pizzaiolo
Wenn Rudolf von Rohr einmal nicht mit seiner Leidenschaft zur Chemie beschäftigt ist, dann wendet er sich am liebsten seinem Garten zu, und dort im Speziellen seinem selbstgebauten Pizzaofen aus Stein. «Eine richtig gute Pizza zu backen ist eine grosse Kunst, und darin versuche ich mich zu üben», erzählt der junge Mann mit Stolz in der Stimme über sein eigens gebautes Werk. Das Herzstück einer richtig delikaten Pizza sei der Teig. In Italien, so Rudolf von Rohr, sei dessen Zusammensetzung das streng gehütete Geheimnis einer jeden Pizzaiola und eines jeden Pizzaiolos. Während den Pizzabäcker-Weltmeisterschaften – so glaube man jedenfalls – würden die Wettkampfteilnehmer sogar vor den Kühlschränken, wo ihre Teige über mehrere Tage ruhen würden, schlafen, um ihren Teig vor Dieben zu schützen. Soweit würde es Rudolf von Rohr sicher nicht treiben, aber auch seinen Pizzateig würde er mehrere Tage im Kühlschrank ruhen lassen. «Schön», so der Oltner zum Schluss des Gesprächs, «wenn man hoffentlich bald wieder gemeinsam mit Freunden in ein Stück selbstgebackene Pizza beissen kann.»