«Glaube ohne Zweifel ist nicht echt»

Peter Fromm ist fromm. Sein Nachname ist seine Berufung: ein rechtschaffenes, tüchtiges und gottesfürchtiges Leben zu führen. Siebzehn Jahre lang war der gebürtige Württemberger mit seiner Ehefrau als Gemeindeleiter in der römisch-katholischen Pfarrei St. Marien Olten und Starrkirch-Wil tätig.

Peter Fromm vor einem Gemälde des Künstlers Kurt Lang in seiner Wohnung in Olten. (Bild: S. Furter)
Peter Fromm vor einem Gemälde des Künstlers Kurt Lang in seiner Wohnung in Olten. (Bild: S. Furter)

Wer Fromm heisse, müsse nicht Priester werden, lacht Peter Fromm. In seinem Fall jedoch würden Nachname und Beruf gut zusammenpassen. Geboren und aufgewachsen in einem gläubigen Elternhaus in Heilbronn (D) habe er das kirchliche Leben quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Er engagierte sich als Jugendlicher in der katholischen Pfadfinderbewegung und für die deutsch-französische Versöhnung. An den Universitäten Tübingen und Münster studierte er Theologie. Sein Wunsch: Priester werden. «Ich hatte etwas Angst, es meinem Vater zu sagen», gesteht Fromm und lacht: «Seine Reaktion war, dass er eher erwartet hätte, dass ich einmal Schauspieler werden würde.» 1977 wurde Fromm als 26-Jähriger zum Priester ordiniert. Zehn Jahre später heiratete er. «Das war nicht geplant. Ich hatte ja ein Gelübde abgelegt, ehelos zu leben», erklärt Peter Fromm. Aber dann hatte er seine Frau kennen gelernt, die im Pastoral-Team tätig war. «So wie der Arzt auf die Krankenschwester trifft und sich verliebt», zieht er einen Vergleich. Durch seine Heirat verlor er seine Stelle und arbeitete während fünf Jahren in anderen Branchen, bevor er im Januar 1998 als Gemeindeleiter in der Kirche St. Marien Olten und Starrkirch-Wil angestellt wurde.

Kulturelle Unterschiede

Der Umzug in die Schweiz brachte auch kulturelle Veränderungen mit sich. «Am Anfang hatte ich Umstellungsschwierigkeiten», gesteht er. So war er es sich gewohnt, Entscheidungen auch mal ohne Rücksprache zu treffen. Ein Verhalten, das viele Schweizer vor den Kopf gestossen habe. «Die Radikalität des basisdemokratischen Verständnisses ist in der Schweiz ganz anders als in Deutschland», spielt er auf den Unterschied zwischen direkter und parlamentarischer Demokratie an. Auch mit dem Schweizerdeutschen habe er sich zu Beginn nicht leichtgetan. «Zwar habe ich alles verstanden, doch das Zuhören hat mich angestrengt.» Die eigenen Kinder hätten ihn jeweils davon abgehalten, Schweizerdeutsch zu sprechen und gesagt: «Papa, das ist peinlich. Bleib lieber bei deinem Deutsch.» Das Gefühl, wirklich angekommen und integriert zu sein, hatte Fromm, als die Schweizer aufhörten, mit ihm Hochdeutsch zu sprechen, weil sie wussten, dass er Dialekt versteht. Er beantragte den roten Pass, weil er fand: «Wo ich lebe, möchte ich mitbestimmen.» Im Jahr 2013 wurde er eingebürgert, nachdem er an vier Samstagen den staatsbürgerlichen Kurs besucht hatte. «Der Stoff war nicht schwer», gibt er zu. Jedoch hätten ihn die Begegnungen mit Menschen im Kurs geprägt. «Ich habe Schicksale gehört von Erwachsenen, die noch nie in ihrem Leben einen Pass besessen haben und sich freuten, nun einem Land zugehörig zu sein.»

Das Tischgebet nicht vergessen

«Ich bin ein Kamerad meiner Kameraden und ein Freund meiner Freunde», sagt Fromm über sich selbst und bezeichnet sich als Homo politicus sowie als Mann der Kirche und Familienmensch. Vor anderthalb Jahren wurde der dreifache Vater pensioniert, dennoch sagt er: «Langeweile kenne ich nicht.» Er beteiligt sich an Sing- und Chorprojekten und ist damit doch noch «Schauspieler» geworden, wie dies einst sein Vater als Talent in ihm erkannt hatte. Peter Fromm ist zudem Mitglied im Männerturnverein Olten und in der Männerriege, geht gerne mit Kameraden «eis goh zieh», jätet Unkraut auf der Terrasse, macht Pfarrer-Aushilfen oder besucht Kranke. Als Priester im Sinne eines Mannes des Glaubens versteht sich Fromm noch immer. «Je älter ich werde, desto grösser werden die Zweifel am Glauben und an der Kirche, aber auch das Suchen und Fragen nach Gott. Mein Glaube kann ohne den Zweifel gar nicht echt sein; daraus erwächst auch wieder Hoffnung», erklärt der 66-Jährige. Seine Frau und er haben drei erwachsene Kinder. Zwei leibliche Töchter und einen adoptierten Sohn aus Guatemala. Die Kinder hätten das Familienleben positiv in Erinnerung, seien aber nicht kirchlich engagiert, so Fromm. «Zu Hause pflege ich das Tischgebet. Wenn ich es vergesse, weist mich eines meiner Kinder darauf hin: Papa, was ist los, hast du das Tischgebet vergessen?», erzählt Fromm lachend.

«Die Beziehungen zu den Menschen verwurzeln mich»

In Olten entdeckten sowohl seine Frau als auch er Ähnlichkeiten zu ihren Herkunftsstädten: Der Fluss, die Aufteilung in Altstadt/Neustadt und die überschaubare Urbanität erinnerten sie an Deutschland. «Wir sind zufällig hierhergekommen und haben unser Leben noch nicht zu Ende geplant», so Fromm. Jedoch müsste sich viel verändern, dass sie von Olten wieder wegziehen würden. «Die Beziehungen zu den Menschen verwurzeln mich hier. Es gibt Freunde, die mich vermissen würden, wenn ich morgen nicht mehr da wäre. Ich wünsche allen Menschen, dass sie an einem Ort so dazugehören, dass sie vermisst werden.»

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