«Gegen mich spielte niemand gerne»
Unvergessen Stephan Kellerhals zählte vorab in den 1970er-Jahren als beinharter Innenverteidiger jahrelang zum Stammpersonal des FC Hägendorf in der 3. und 2. Liga. Noch heute sind zahlreiche Episoden aus jenen Jahren in seinen Erinnerungen sehr präsent.
Geboren in Olten, wuchs Stephan Kellerhals in Hägendorf in sehr bescheidenen Familienverhältnissen auf. Der Vater, ein Gärtner, arbeitete als Staatswegmacher, die Mutter, eine gelernte Schneiderin, als Hausfrau und Mutter. Stephan Kellerhals wuchs mit einer älteren Schwester, zwei älteren Brüdern sowie zwei jüngeren Schwestern auf. Nach der obligatorischen Schulzeit in Hägendorf absolvierte er eine Lehre als Konstruktionsschlosser. Fussball spielte er schon in frühester Jugend – vor allem mit seinen beiden älteren Brüdern. Bei erstmöglicher Gelegenheit trat er als C-Junior in den FC Hägendorf ein. In den späten 60er-Jahren gelangte er in der 3. Liga zu ersten Einsätzen mit der ersten Mannschaft. Mit dieser stieg der Vorstopper 1973 in die 2. Liga auf, zwei Jahre später wieder ab. Ab 1979 spielte er auch zehn Jahre beim FC Wangen im Fanionteam und bei den Senioren, ehe er zum FC Hägendorf zurückkehrte. Noch heute erinnert er sich lebhaft an Episoden aus längst vergangenen Tagen zurück.
«Oft erschienen damals zu den Derbys Hunderte von Zuschauern. Wir Hägendörfer trugen unsere Heimspiele damals am Sonntagmorgen aus. Ich erinnere mich an ein Spiel zwischen Hägendorf und Kappel 1971. An jenem 3.-Liga-Spiel waren 400, 500 Zuschauer zugegen. Wahrscheinlich ging an jenem Sonntag niemand in die Kirche… Der Fussball besass zu jener Zeit, auch auf Stufe 3. Liga, einen enormen Stellenwert. Dennoch ging es friedlich zu und her. Sicher, es wurde ein wenig gefrotzelt, aber Aggressivität gab es keine. Und nach dem Duschen sassen die beiden Teams noch zusammen und tranken miteinander ein Bier. In Kappel war es jeweils genauso.
Am schlimmsten für mich waren die Spiele gegen Schönenwerd. In der 3. Liga und später auch bei den Senioren. Schönenwerd hatte einen sehr hohen Ausländeranteil. Die meisten waren Italiener – und Hitzköpfe. Und ich war halt auch ein Hitzkopf. So gab es da hin und wieder ein wenig Zwist. Aber ausgeartet ist es nie. Hitzige Spiele gab es oft auch gegen Fulenbach.
Ein ganz berühmter Tschuttplatz zu jener Zeit war derjenige in Mümliswil. Beim Restaurant Limmernschlucht zog man sich jeweils um. Von der Schlucht aus musste man dann zehn, zwölf Minuten einen Weg hochlaufen zum Platz. Dieser hatte ein Gefälle von rund drei Metern. Wenn man sich also beim einen Tor auf den Boden legte, sah man vom anderen Tor nicht mal die Lattenoberkante. Dieser Platz war im ganzen Kanton bekannt. Wir Hägendörfer schlugen auf diesem katastrophalen Platz die Mümliswiler fast immer. Unsere Taktik funktionierte: Unser Goalie, Zimmerli Hebu, schlug einen weiten Ball auf meinen Bruder Kurt vorne in der Mitte. Dieser legte den Ball mit dem Kopf links oder rechts einem Mitspieler auf, und die Flügelspieler konnten aufs Tor zulaufen und einnetzen. Da gewannen wir oft 3:1, 4:1 oder 5:2. Unsere Tore erzielten wir vor allem in der Halbzeit, als es abwärts ging. Das Runterlaufen fiel uns halt leichter als das Hochlaufen. Interessanterweise siegten die Mümliswiler dafür auf dem vergleichsweise guten Platz in Hägendorf fast jedes Mal.
1972 – jene Saison, als wir am Ende erstmals in die 2. Liga aufstiegen – leistete ich mir mit zwei Kollegen einen Lausbubenstreich im Vorfeld eines Spiels in Oensingen. Wir waren oft zu dritt im Ausgang, zum Beispiel im ‹Rössli› in Hägendorf. Eine der dortigen Serviertöchter stammte aus Balzenwil. Spätabends fuhren wir zu ihr nach Balzenwil – im Wissen, dass wir anderntags am Nachmittag in Oensingen einen Spitzenkampf würden bestreiten müssen. Wir durchzechten die Nacht und traten morgens um 5 Uhr den Heimweg an. Doch wir schworen uns, dass uns niemand anmerken sollte, dass wir eine durchzechte Nacht hinter uns hatten. Wir zeigten alle drei eine sehr gute Leistung und siegten deutlich. Hinterher gaben wir die Lausbubenaktion zu. Der Trainer bestrafte uns nicht dafür, sagte einfach, wir hätten unsere Leistung gebracht, aber es dürfe nie wieder vorkommen. Es kam dann auch nie wieder vor.
In der Saison 1971/72, also in der Saison vor dem Aufstieg, wären wir beinahe aus der 3. Liga abgestiegen. Den letzten Match bestritten wir in Kestenholz, auf dem alten Tschuttplatz auf dem Weg zur Kapelle St. Peter. Das Spiel war gut besucht, wie immer sassen am Spielfeldrand auf Holzbänken einige alte Kestenhölzer. Früh gingen wir 2:0 in Führung, es schien eine klare Angelegenheit zu werden. Doch dann wurde mein gleichaltriger Mannschaftskollege Peter Nünlist, ein schneller rechter Flügel, mit einem Steilpass ideal lanciert. Plötzlich sprang ein rund 80-jähriger Zuschauer vom Bänkli auf, rannte auf den Platz und schlug den Ball weg. Nünlist enervierte sich derart, dass er dem alten Mann eins aufs Maul haute. Er sah die Rote Karte.
In der Folge wurde das Spiel hektisch. Noch vor der Pause kassierten wir einen Gegentreffer. Damals war mein Bruder Kurt unser Spielertrainer. In der Pause war er nervös. Er wusste: Wir müssen mindestens einen Punkt holen, sonst steigen wir ab. Kurt krempelte das ganze Mannschaftsgefüge um. Schliesslich fiel etwa in der 80. Minute der Ausgleich. Dieses Resultat brachten wir dann aber über die Zeit, das Spiel endete 2:2. So konnten wir den Abstieg verhindern. Da zu jener Zeit in Kestenholz das Schulhaus umgebaut wurde und die Umziehkabinen nur provisorisch bestanden, hatten wir uns vor dem Spiel in Hägendorf umgezogen und waren so in den Privatautos nach Kestenholz gefahren. Auf der Rückfahrt stoppten wir in Niederbuchsiten beim Adam-Zeltner-Brunnen, standen ins Wasser und feierten ausgelassen den Ligaerhalt. Wenn ich heute ehemalige Teamkollegen sehe, sprechen wir immer davon, wie wir damals im Brunnen in Niederbuchsiten feierten und alle pflotschnass waren.
Gut erinnere ich mich auch an ein Spiel Hägendorf - Wolfwil, das wir 1:2 verloren. Da beging der Wolfwiler Ueli Büttiker, der Bruder des späteren Ständerates Rolf Büttiker, ein verstecktes Foul an meinem Bruder. Kurt liess das nicht auf sich sitzen und beging ein Revanchefoul – und wurde vom Schiedsrichter unter die Dusche geschickt. Zu jenem Zeitpunkt führten wir 1:0, Kurt hatte einen Strafstoss verwandelt. Doch dann fiel das 1:1, später sogar das 2:1 für Wolfwil. Ich rächte mich nun für den Platzverweis meines Bruders und wurde ebenfalls des Platzes verwiesen. So mussten an jenem Spiel beide Kellerhals-Brüder vorzeitig unter die Dusche.
Ich zog nie zurück. Gegen mich spielte niemand gerne. Unfair agierte ich nicht, aber halt hart. Und ich fühlte mich schnell mal benachteiligt. Erstmals Probleme mit einem Schiedsrichter hatte ich als A-Junior. Der Schiedsrichter übersah ein glasklares Offside. Ich reklamierte – und wurde vom Platz gestellt. Nach dem Spiel sagte ich zu ihm: «Warte nur, wir treffen uns in der Dusche wieder!» Bei diesem Platz gab es vier Duschen, eine davon nur mit kaltem Wasser. Unter jene zerrte ich ihn dann und liess ihn da ein wenig in der Ecke schmoren. Früher machte man solche Sachen gelegentlich. Wegen des nachfolgenden Schiedsrichterrapportes kassierte ich drei oder vier Spielsperren. Viel später, als ich schon bei den Senioren oder sogar Veteranen kickte, liess ich mal dem Schiedsrichter nach einem Platzverweis die Luft aus dem Reifen an dessen Roller. Ich war schon einer, der ziemlich viele Spielsperren kassierte. Einmal – ich war da Senior beim FC Wangen – wurde ich sogar ‹auf unbestimmte Zeit› gesperrt. Wahrscheinlich hatte ich wieder mal eine ‹dumme Schnorre› gehabt.»
Die Fussballschuhe hängte Stephan Kellerhals erst 2008, mit 58, an den Nagel. Auf dem Fussballplatz in Hägendorf ist er noch heute regelmässig anzutreffen. Im TV hingegen schaue er kaum mehr ein Spiel. Da rege er sich zu sehr auf über das Verhalten der Spieler. Der Vater zweier erwachsener Söhne, der zuletzt im Aussendienst gearbeitet hatte, ist seit acht Jahren pensioniert und geniesst das Rentnerdasein.