«Es war der richtige Weg»

Sereina Leu versteht das Gesetz als Leitplanke und Joghurt als juristische Frage- stellung im Alltag, trug in der Gymnasialverbindung den Vulgo «Caritas», leidet unter einem Geschenke-Trauma und fand durch die Serie «Boston Legal» ihren Traumberuf.

Sereina Leu ist eine «Rückkehrerin» nach Olten und findet, die Stadt habe einen harten Kern und eine ehrliche Seite. (Bild: S. Furter)
Sereina Leu ist eine «Rückkehrerin» nach Olten und findet, die Stadt habe einen harten Kern und eine ehrliche Seite. (Bild: S. Furter)

Als Kind wollte sie, inspiriert von der Zeitschrift «Wendy», Tierärztin werden. Als Primarschülerin träumte Sereina Leu davon, als Pilotin von Kontinent zu Kontinent zu fliegen. Eine Sehschwäche machte diesen Berufswunsch zunichte. Als Jugendliche wollte sie Profi-Skifahrerin werden und absolvierte die Matura an der Alpinen Sportschule in Engelberg (OW), wo auch Wendy Holdener einst die Schulbank gedrückt hatte. Die Erkrankung an dem Pfeifferschen Drüsenfieber beendete jedoch auch die sportlichen Ambitionen. Ihren Traumberuf fand sie schliesslich durch eine Fernsehsendung. Was «Dr. House» für die Mediziner war, war «Boston Legal» für die Anwälte: Eine skurrile Justizserie, die aus dem Alltag einer Anwaltskanzlei erzählt und Leus Neugierde für das Studium von Recht und Gerechtigkeit weckte.

Schneetage in den Beinen

Aufgewachsen ist Leu mit ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester Flurina in Rickenbach (SO). Ihr Vater Dieter ist Chirurg, Gemeindepräsident und Kantonsrat, die Mutter Lisa Arztsekretärin und Hausfrau. «Ich fuhr Ski, bevor ich gehen konnte», scherzt Leu, welche die Winterferien als Kind in Bergün (GR) verbracht hat. Ihre Leidenschaft für den Sport begründet sie mit folgenden Worten: «Die Geschwindigkeit und die Kraft, die sich zwischen Schnee und Ski in der Kurve aufbaut, machen für mich die Faszination aus.» Ein Lehrer erkannte ihr Talent und ermutigte sie, die Alpine Sportschule in Engelberg zu besuchen. Mit fünfzehn zog Leu von zu Hause aus, weg von der Region Olten in die Zentralschweiz. Ein Heimwehkind sei sie jedoch nie ge-wesen. Die Zeit in der Klosterschule habe sich eher wie ein Skilager in Endlosschleife angefühlt, erzählt sie. «Noch heute verbinden viele den Namen Sereina mit Skifahren, obwohl dieses Kapitel für mich abgeschlossen ist. Auf der Skipiste bin ich nur noch bei schönem Wetter anzutreffen.» Mit Blick auf die unge- planten Wendungen in ihrem Leben sagt die junge Frau: «Wenn ich heute im Fernsehen ein Skirennen verfolge, dann weiss ich, dass es für mich der richtige Weg war, Juristin und nicht Profisportlerin zu werden.»

Geschenke-Träume

Die 29-jährige Sereina verrät, dass sie trotz schöner Kindheit an einem Geschenke-Trauma leidet. «Fünf Jahre lang habe ich als Mädchen auf den Wunschzettel geschrieben, dass ich gerne ein elektrisches Auto zum Reinsitzen und Rumfahren hätte.» Doch der Weihnachtsmann überlas scheinbar den an ihn gerichteten Brief Jahr für Jahr. «Egal was es ist, das Auspacken von Geschenken ist bis heute immer irgendwie mit einer Enttäuschung verbunden.» Vor kurzem hatte sich die Mutter sogar überlegt, der inzwischen längst erwachsenen Tochter ein Elektro-Auto zu besorgen. Diese kommentiert die Idee lachend: «Ich hätte es wohl einem Kinderheim gespendet.»

Gross- und Kleinbasel

Nachdem sie im Herbst 2016 ihr Jura-Studium in Basel abgeschlossen hatte, zog Leu in die Dreitannenstadt zurück und bezeichnet sich selbst als «Rückkehrerin». «Ich habe festgestellt, dass die Bande in Olten stark und Freundschaften auch nach all den Jahren noch intakt sind.» Sereina Leu lebt in einer Wohnung auf der rechten Aareseite und ereifert sich über die Diskussion, welche Stadthälfte besser sei. «Diese ist völlig irrational und beruht nicht auf sachlichen Argumenten.» Es erinnere sie an die Klischees zwischen Gross- und Kleinbasel und daran, dass Grenzen zwischen den beiden Stadtteilen vor allem in den Köpfen der Menschen existieren.

Gesetz beim Einkaufen

Im Alltag treffe sie immer wieder auf juristische Fragestellungen, die den meisten Menschen wohl gar nicht auffallen würden. Als Beispiel nennt sie den Kauf eines Joghurt-Bechers und stellt die rhetorische Frage: «Wer bezahlt die Milchspeise, wenn sie zu Boden fällt und kaputtgeht? Das Geschäft oder der Kunde?» Das Gesetz liefere dazu keine klaren Antworten, sondern gebe lediglich Leitplanken vor. Innerhalb derer müssen Gerichte dann ein Urteil fällen. «Dieses Abwägen und Gewichten von Argumenten finde ich spannend», erzählt Leu, die nach dem Studium in der Rechtsabteilung der Lonza tätig war, anschliessend ein Anwalts- und Notariats- praktikum absolvierte und sich nun auf die Anwaltsprüfungen im September vorbereitet.

Mittelstand und Familienpolitik

Wie im Recht, so in der Politik. Nicht nur Gesetze, auch Werte böten eine Art Leitplanke, innerhalb derer sich eine Gesellschaft definieren müsse und sich entfalten könne, ist Leu überzeugt. «Die zehn Gebote beispielsweise beeinflussen bis heute unser Rechtssystem und unser Zusammen- leben.» Das C in der CVP stehe für sie daher stellvertretend für gesellschaftliche Werte wie Nächstenliebe und Akzeptanz, erklärt das Aktivmitglied der CVP Stadt Olten und Delegierte der kantonalen Partei. Als Mittelschülerin sei ihr Vulgo in der Gymnasialverbindung «Caritas» gewesen, weil sie sich schon damals für soziale Anliegen eingesetzt habe. «Für den Kurs meiner Partei wünsche ich mir eine klare Linie und ein Bekenntnis zum Mittelstand und der Familien- politik.» Leu bedauert, dass manche Politiker durch scharfzüngige Posts und Tweets medial eine grosse Präsenz erreichen, während weniger polemische, nicht aber weniger fleissige Politiker oftmals ein Schattendasein fristen. «Die Schaffer werden zu wenig wahrgenommen.»

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