Er setzt das Kopfkino in Gang

Deny Lanz Das Schreiben ist für Deny Lanz, von Beruf Anzeigenberater, schon lange mehr als nur ein Hobby. Nun wurde erstmals ein Buch von ihm verlegt.

«Typischer Zwilling»: Deny Lanz ist Anzeigenberater und schreibt leidenschaftlich gerne Underground-Literatur. (Bild: Janet Schulz)
«Typischer Zwilling»: Deny Lanz ist Anzeigenberater und schreibt leidenschaftlich gerne Underground-Literatur. (Bild: Janet Schulz)

Ob er mal einen Buchpreis gewinnen wird? Oder vielleicht sogar den Lebensunterhalt mit der Schriftstellerei bestreiten kann? Wir wollen es weder gänzlich ausschliessen, noch sind wir felsenfest davon überzeugt. Was man Deny Lanz bestimmt zugutehalten muss: Er setzt beim Leser jeweils mit nur wenigen Buchstaben das Kopfkino in Gang. Ein, zwei Zeilen braucht man bloss zu lesen, und schon ist man mittendrin in der Geschichte. Sitzt einem Alkoholiker in einer tschechischen Spelunke gegenüber. Schaut einer zauberhaften Frau in die Augen. Oder schlendert durchs vertraute Olten.

Olten

Ein Ort, den jeder nur vom Bahnhof kennt.

Wo immer irgendeiner fragt: «Hast du ein bisschen Geld?»

Da weiss ich, wo ich bin, das kenn ich schon lang.

Olten, Bahnstadt am Jurasüdfuss.

Wer einmal wie ich im Ausland gelebt,

zurückkommt und über die alte Holzbrücke geht,

der fühlt sich zuhaus und schaut im «Kübel» vorbei,

auf ein grosses Bier oder zwei.

Wo eine Horde Trinker vor der Stadtkirche steht

und drei Tannen das Wappen ziern. Da wo ein Säufer schreit

und sich der Nebel schwer macht und breit,

wird die Aare vom Fluss zur Meeres-Hoheit.

Wo der Strassenstrich floriert und die Fasnachtszunft regiert,

kann man bunte Vögel sehn. Man muss nicht in den Vogelpark gehn.

Doch viele haben keine Zeit und steigen hier nur um.

Manch einer meint gar, du bist ein Graus.

Dennoch zieh ich dich Hamburg vor – und fühl mich zuhaus!

Dieses Gedicht über Olten findet sich in «Die Sliwowitz-Mama». Das Büchlein über 100 Seiten, erschienen vor wenigen Wochen im württembergischen Verlag «container press», ist in Oltner Buchhandlungen erhältlich. «Die Sliwowitz-Mama» mit weit über 100 teils gesellschaftskritischen, nachdenklich stimmenden und humorvollen, teils aber auch recht banalen Gedichten und Kurzgeschichten ist Deny Lanz’ Erstling. «Ich habe unheimlich Freude. Ich wusste, irgendwann würden meine Texte gedruckt und gelesen. Aber ich wusste nicht, wann das passieren würde», ist Lanz stolz und dankbar zugleich. Schreiben ist dem heute 45-Jährigen schon lange wichtig.

Lanz bezeichnet sich als «Eigenbrötler» und «ein wenig alternativ». Da mag es umso mehr überraschen, womit Lanz seinen Lebensunterhalt verdient. Er arbeitet in einem 80-Prozent-Pensum als Anzeigenberater im Aargau. In diesem Beruf, in dem ein adrettes Erscheinungsbild zentral ist, würde man einen eher schrägen Vogel wie ihn nicht unbedingt verorten. Für Lanz ist das jedoch überhaupt kein Widerspruch. Er sei eben ein «typischer Zwilling», habe zwei Seiten in sich. Mit seiner schriftstellerischen Tätigkeit wolle er aus dem Alltag ausbrechen. «Ich muss diese Seite ausleben können.»

Corona als Chance für sein Buchprojekt

In Langenthal geboren und aufgewachsen, lebt Deny Lanz heute in Oftringen. Als Inserateverkäufer arbeitet er seit seinem 19. Lebensjahr. Zwischenzeitlich hat er auch mal fünf Jahre lang in Hamburg seine Brötchen verdient. Auf jene Zeit stösst man bei der Lektüre von «Die Sliwowitz-Mama» immer wieder mal.

Die über Monate währende Kurzarbeit im Zuge der Corona-Krise hat der Single genutzt, um einen Verlag zu finden. Alles andere als einfach: «Das ist eine Riesenarbeit. Man muss prüfen, ob man überhaupt ins Programm des Verlags passt.» Er habe während dreier Monate täglich durchschnittlich zwei Verlage angeschrieben. Sein Glück versuchte er vor allem mit Krimis, aber auch mit Gedichten und Kurzprosa. Geklappt hat es schliesslich mit Letzterem – bei einem kleinen Verlag, der erst 2019 gegründet wurde und laut Verleger spezialisiert ist auf «komische» Literatur. In der Schweiz wurde Lanz von sämtlichen angefragten Verlagen abgelehnt.

Wie das Leben so spielt: Verfasst hatte Deny Lanz die Kurzgeschichten hauptsächlich als Entspannung beim Krimischreiben. Mit den Krimis – inzwischen hat er bereits deren drei geschrieben – hatte er sich eigentlich grössere Chancen ausgerechnet, um mal das Wohlwollen eines Verlegers zu gewinnen.

«Anschreiben gegen alles Etablierte»

Sein Vorbild ist der amerikanische Undergroundautor Charles Bukowski. Auch Jörg Fauser, Matthyas Jenny, Heinz Strunk oder Ivan Martin Jirous mag er sehr gerne. Lanz sieht sich in deren Tradition. «Ein rotziger Ton, anschreiben gegen alles Etablierte.» Viele seiner Kurzgeschichten drehen sich um die Themen Alkohol, Drogen, Randgruppen, Liebe – und ganz oft einfach um Szenen aus dem Alltag. «Ich möchte auf Leute blicken, die in der Literatur üblicherweise ein wenig zu kurz kommen», begründet er seine Motivation.

Starker Bezug zu Olten

Und wie kommt es, dass er, der Langenthaler mit Wohnsitz im Aargau, der Stadt Olten ein Gedicht widmet und die Dreitannenstadt auch andernorts im Büchlein Erwähnung findet? Bereits als 20-Jähriger habe er in Olten gearbeitet, damals und später viel Zeit im «Chöbu» verbracht. Viele seiner Kurzgeschichten seien zudem im Sälipark entstanden, wo er sich gerne in ein Café setze und jeweils aus Erinnerungsfetzen kleine Geschichten spinne. Und Lanz will auch nicht verheimlichen, dass die Literaturstadt Olten mit ihrer Schriftstellertradition eine grosse Anziehungskraft auf ihn ausübt.

Manches auf den 100 Seiten ist autobiographisch, auf eigenen Erfahrungen fussend. Vieles ist aber auch fiktiv. «Es ist kein Seelenstriptease. Das soll es auch nicht sein», so Lanz. «Dichtung und Wahrheit liegen zwar nahe beieinander. Um was es sich aber jeweils handelt, muss nicht verraten werden.» Kopfkino ist ohnehin garantiert.

www.containerpress.de

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